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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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Geographie. Der junge Maler ist auch mitgekommen
in einem Wagen, der immer hinter unserm herfuhr,
mit den zwei Pommeranzen, -- so nenne ich das
pommersche Ehepaar -- die süße Pommeranze ist die
Frau, -- die bittere der Mann, er läßt die arme
kleine Dicke immer alle Mäntel, Plaids und Reise¬
taschen allein tragen!

Eure selige Kläre.

Dieselbe an Dieselben.

Der Balkon ist ganz in Mondschein gebadet, ich
habe mich hierher gesetzt, Putzi ist auf meinem Schoß,
ich schreibe dies ohne Licht, und die Nachtigallen sin¬
gen in allen Büschen des Gartens. Ach, liebe, süße
Schwestern, wäret Ihr hier! Ueber die Bäume weg
schimmert der See, und es ist Alles ein Duft, denn
Syringen und Goldregen blühen. Wie schön! wie
schön! Ist es nicht traurig, daß es Menschen gibt,
die das nicht fühlen können? Der Maler hat noch
immer seine düstere Falte zwischen den Augenbrauen,
und der Landrath -- Aber das will ich Euch morgen
erzählen, ich will den schönen Abend nicht mit dem
Bericht entweihen! Was für eine Wohlthat müßte
es sein, wenn man hier Verse machen könnte! Mama

Geographie. Der junge Maler iſt auch mitgekommen
in einem Wagen, der immer hinter unſerm herfuhr,
mit den zwei Pommeranzen, — ſo nenne ich das
pommerſche Ehepaar — die ſüße Pommeranze iſt die
Frau, — die bittere der Mann, er läßt die arme
kleine Dicke immer alle Mäntel, Plaids und Reiſe¬
taſchen allein tragen!

Eure ſelige Kläre.

Dieſelbe an Dieſelben.

Der Balkon iſt ganz in Mondſchein gebadet, ich
habe mich hierher geſetzt, Putzi iſt auf meinem Schoß,
ich ſchreibe dies ohne Licht, und die Nachtigallen ſin¬
gen in allen Büſchen des Gartens. Ach, liebe, ſüße
Schweſtern, wäret Ihr hier! Ueber die Bäume weg
ſchimmert der See, und es iſt Alles ein Duft, denn
Syringen und Goldregen blühen. Wie ſchön! wie
ſchön! Iſt es nicht traurig, daß es Menſchen gibt,
die das nicht fühlen können? Der Maler hat noch
immer ſeine düſtere Falte zwiſchen den Augenbrauen,
und der Landrath — Aber das will ich Euch morgen
erzählen, ich will den ſchönen Abend nicht mit dem
Bericht entweihen! Was für eine Wohlthat müßte
es ſein, wenn man hier Verſe machen könnte! Mama

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[210/0226] Geographie. Der junge Maler iſt auch mitgekommen in einem Wagen, der immer hinter unſerm herfuhr, mit den zwei Pommeranzen, — ſo nenne ich das pommerſche Ehepaar — die ſüße Pommeranze iſt die Frau, — die bittere der Mann, er läßt die arme kleine Dicke immer alle Mäntel, Plaids und Reiſe¬ taſchen allein tragen! Eure ſelige Kläre. Dieſelbe an Dieſelben. Riva, Hôtel du Lac, 30. März. 11 Uhr Abends. Der Balkon iſt ganz in Mondſchein gebadet, ich habe mich hierher geſetzt, Putzi iſt auf meinem Schoß, ich ſchreibe dies ohne Licht, und die Nachtigallen ſin¬ gen in allen Büſchen des Gartens. Ach, liebe, ſüße Schweſtern, wäret Ihr hier! Ueber die Bäume weg ſchimmert der See, und es iſt Alles ein Duft, denn Syringen und Goldregen blühen. Wie ſchön! wie ſchön! Iſt es nicht traurig, daß es Menſchen gibt, die das nicht fühlen können? Der Maler hat noch immer ſeine düſtere Falte zwiſchen den Augenbrauen, und der Landrath — Aber das will ich Euch morgen erzählen, ich will den ſchönen Abend nicht mit dem Bericht entweihen! Was für eine Wohlthat müßte es ſein, wenn man hier Verſe machen könnte! Mama

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/226>, abgerufen am 28.03.2024.