Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

verschwinde ich aus ihrer Reiseroute. Unmöglich
wär's nicht, unser gutes München ist halt ein arges
Klatschnest!

Dein Freund Eugen.

Klärchen an die Geschwister.

Wie haben wir uns über Eure lieben, langen
Briefe gefreut, meine süßen Kleinen! Ach, ich kann
mir denken, wie unangenehm es Euch war, in der
Suppe ein Haar zu finden! Nicht allein des Haares
wegen, als weil Ihr es Kathl habt sagen müssen!
Es ist so peinlich, einen Menschen zu beschämen, nicht
wahr? Das habe ich vorgestern auch recht empfun¬
den, als mir der junge Maler, -- er heißt Herr
Eugen Schmidthammer -- auf der Ponalstraße, die,
in der Nähe besehen, sehr breit ist, entgegengefahren
kam. Er saß nämlich auf einem Eselfuhrwerk, auf
einem großen Haufen Gras und Futter, und so ge¬
schmückt war das Eselchen mit rothen Troddeln und
Bändern, daß es wunderhübsch aussah. Mit Gesang
kamen sie daher, und ich wurde so lustig, ich hätte
gerne mitgesungen, wenn es nicht italienisch gewesen
wäre. Als aber der Maler mich erblickte, wurde er

verſchwinde ich aus ihrer Reiſeroute. Unmöglich
wär's nicht, unſer gutes München iſt halt ein arges
Klatſchneſt!

Dein Freund Eugen.

Klärchen an die Geſchwiſter.

Wie haben wir uns über Eure lieben, langen
Briefe gefreut, meine ſüßen Kleinen! Ach, ich kann
mir denken, wie unangenehm es Euch war, in der
Suppe ein Haar zu finden! Nicht allein des Haares
wegen, als weil Ihr es Kathl habt ſagen müſſen!
Es iſt ſo peinlich, einen Menſchen zu beſchämen, nicht
wahr? Das habe ich vorgeſtern auch recht empfun¬
den, als mir der junge Maler, — er heißt Herr
Eugen Schmidthammer — auf der Ponalſtraße, die,
in der Nähe beſehen, ſehr breit iſt, entgegengefahren
kam. Er ſaß nämlich auf einem Eſelfuhrwerk, auf
einem großen Haufen Gras und Futter, und ſo ge¬
ſchmückt war das Eſelchen mit rothen Troddeln und
Bändern, daß es wunderhübſch ausſah. Mit Geſang
kamen ſie daher, und ich wurde ſo luſtig, ich hätte
gerne mitgeſungen, wenn es nicht italieniſch geweſen
wäre. Als aber der Maler mich erblickte, wurde er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="letter" n="2">
          <p><pb facs="#f0233" n="217"/>
ver&#x017F;chwinde ich aus ihrer Rei&#x017F;eroute. Unmöglich<lb/>
wär's nicht, un&#x017F;er gutes München i&#x017F;t halt ein arges<lb/>
Klat&#x017F;chne&#x017F;t!</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#right">Dein Freund Eugen.</hi> </salute>
          </closer><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div type="letter" n="2">
          <head><hi rendition="#g">Klärchen an die Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter</hi>.<lb/></head>
          <opener>
            <dateline rendition="#right">Riva, 3. April.<lb/>
Im Garten 3 Uhr Nachm. </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Wie haben wir uns über Eure lieben, langen<lb/>
Briefe gefreut, meine &#x017F;üßen Kleinen! Ach, ich kann<lb/>
mir denken, wie unangenehm es Euch war, in der<lb/>
Suppe ein Haar zu finden! Nicht allein des Haares<lb/>
wegen, als weil Ihr es Kathl habt &#x017F;agen mü&#x017F;&#x017F;en!<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;o peinlich, einen Men&#x017F;chen zu be&#x017F;chämen, nicht<lb/>
wahr? Das habe ich vorge&#x017F;tern auch recht empfun¬<lb/>
den, als mir der junge Maler, &#x2014; er heißt Herr<lb/>
Eugen Schmidthammer &#x2014; auf der Ponal&#x017F;traße, die,<lb/>
in der Nähe be&#x017F;ehen, &#x017F;ehr breit i&#x017F;t, entgegengefahren<lb/>
kam. Er &#x017F;aß nämlich auf einem E&#x017F;elfuhrwerk, auf<lb/>
einem großen Haufen Gras und Futter, und &#x017F;o ge¬<lb/>
&#x017F;chmückt war das E&#x017F;elchen mit rothen Troddeln und<lb/>
Bändern, daß es wunderhüb&#x017F;ch aus&#x017F;ah. Mit Ge&#x017F;ang<lb/>
kamen &#x017F;ie daher, und ich wurde &#x017F;o lu&#x017F;tig, ich hätte<lb/>
gerne mitge&#x017F;ungen, wenn es nicht italieni&#x017F;ch gewe&#x017F;en<lb/>
wäre. Als aber der Maler mich erblickte, wurde er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0233] verſchwinde ich aus ihrer Reiſeroute. Unmöglich wär's nicht, unſer gutes München iſt halt ein arges Klatſchneſt! Dein Freund Eugen. Klärchen an die Geſchwiſter. Riva, 3. April. Im Garten 3 Uhr Nachm. Wie haben wir uns über Eure lieben, langen Briefe gefreut, meine ſüßen Kleinen! Ach, ich kann mir denken, wie unangenehm es Euch war, in der Suppe ein Haar zu finden! Nicht allein des Haares wegen, als weil Ihr es Kathl habt ſagen müſſen! Es iſt ſo peinlich, einen Menſchen zu beſchämen, nicht wahr? Das habe ich vorgeſtern auch recht empfun¬ den, als mir der junge Maler, — er heißt Herr Eugen Schmidthammer — auf der Ponalſtraße, die, in der Nähe beſehen, ſehr breit iſt, entgegengefahren kam. Er ſaß nämlich auf einem Eſelfuhrwerk, auf einem großen Haufen Gras und Futter, und ſo ge¬ ſchmückt war das Eſelchen mit rothen Troddeln und Bändern, daß es wunderhübſch ausſah. Mit Geſang kamen ſie daher, und ich wurde ſo luſtig, ich hätte gerne mitgeſungen, wenn es nicht italieniſch geweſen wäre. Als aber der Maler mich erblickte, wurde er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/233
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/233>, abgerufen am 29.03.2024.