er Venedig sehr ungern schon verläßt. Ihr wißt ja, ihm ist diese "Pfahlbauerstadt von der höchsten künst¬ lerischen Vollendung," wie er sie immer nennt, schon dieser Eigenthümlichkeit wegen ans Herz gewachsen; "das uralte Bauprincip der Seebewohner hat nur diese einzige dauerhafte Blüthe gezeitigt," sagte er, "alle übrigen Ansiedlungen sind auf ganz niedrer Kulturstufe stehen geblieben." Die Frage, ob denn gar keine Zwischenglieder existirt haben, beschäftigt ihn sehr; wenn wir zurück sind, wird er wohl etwas darüber schreiben. -- Liebe Kinder, auch den jungen Maler erwähnt lieber nicht. Ihr wißt, den Herrn Schmidthammer, der sich uns eine Zeit lang an¬ geschlossen und durch sein sympathisches Wesen und seine Zuthunlichkeit sehr für sich eingenommen hatte. Wir haben Allerlei über ihn gehört, was uns sehr mißfällt, und wenn auch die Quelle unrein ist, -- es ist die Hechingen -- so wird immerhin etwas Wahres daran sein. Ich habe Klärchen gewarnt, aber sie hält sich schon selbst zurück. Lebt wohl, meine gelieb¬ ten Kinder. Ich küsse Euch zärtlich.
Eure Ma.
Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.
Venedig, 18. April.
Du meinst, ich hätt' ihr noch sagen sollen, daß zwischen mir und Selma Alles aus ist? Aber ich
er Venedig ſehr ungern ſchon verläßt. Ihr wißt ja, ihm iſt dieſe „Pfahlbauerſtadt von der höchſten künſt¬ leriſchen Vollendung,“ wie er ſie immer nennt, ſchon dieſer Eigenthümlichkeit wegen ans Herz gewachſen; „das uralte Bauprincip der Seebewohner hat nur dieſe einzige dauerhafte Blüthe gezeitigt,“ ſagte er, „alle übrigen Anſiedlungen ſind auf ganz niedrer Kulturſtufe ſtehen geblieben.“ Die Frage, ob denn gar keine Zwiſchenglieder exiſtirt haben, beſchäftigt ihn ſehr; wenn wir zurück ſind, wird er wohl etwas darüber ſchreiben. — Liebe Kinder, auch den jungen Maler erwähnt lieber nicht. Ihr wißt, den Herrn Schmidthammer, der ſich uns eine Zeit lang an¬ geſchloſſen und durch ſein ſympathiſches Weſen und ſeine Zuthunlichkeit ſehr für ſich eingenommen hatte. Wir haben Allerlei über ihn gehört, was uns ſehr mißfällt, und wenn auch die Quelle unrein iſt, — es iſt die Hechingen — ſo wird immerhin etwas Wahres daran ſein. Ich habe Klärchen gewarnt, aber ſie hält ſich ſchon ſelbſt zurück. Lebt wohl, meine gelieb¬ ten Kinder. Ich küſſe Euch zärtlich.
Eure Ma.
Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.
Venedig, 18. April.
Du meinſt, ich hätt' ihr noch ſagen ſollen, daß zwiſchen mir und Selma Alles aus iſt? Aber ich
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er Venedig ſehr ungern ſchon verläßt. Ihr wißt ja,
ihm iſt dieſe „Pfahlbauerſtadt von der höchſten künſt¬
leriſchen Vollendung,“ wie er ſie immer nennt, ſchon
dieſer Eigenthümlichkeit wegen ans Herz gewachſen;
„das uralte Bauprincip der Seebewohner hat nur
dieſe einzige dauerhafte Blüthe gezeitigt,“ ſagte er,
„alle übrigen Anſiedlungen ſind auf ganz niedrer
Kulturſtufe ſtehen geblieben.“ Die Frage, ob denn
gar keine Zwiſchenglieder exiſtirt haben, beſchäftigt
ihn ſehr; wenn wir zurück ſind, wird er wohl etwas
darüber ſchreiben. — Liebe Kinder, auch den jungen
Maler erwähnt lieber nicht. Ihr wißt, den Herrn
Schmidthammer, der ſich uns eine Zeit lang an¬
geſchloſſen und durch ſein ſympathiſches Weſen und
ſeine Zuthunlichkeit ſehr für ſich eingenommen hatte.
Wir haben Allerlei über ihn gehört, was uns ſehr
mißfällt, und wenn auch die Quelle unrein iſt, — es
iſt die Hechingen — ſo wird immerhin etwas Wahres
daran ſein. Ich habe Klärchen gewarnt, aber ſie
hält ſich ſchon ſelbſt zurück. Lebt wohl, meine gelieb¬
ten Kinder. Ich küſſe Euch zärtlich.
Eure Ma.
Eugen Schmidthammer an Toni Emmer.
Venedig, 18. April.
Du meinſt, ich hätt' ihr noch ſagen ſollen, daß
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/266>, abgerufen am 25.02.2021.
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