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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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len; es fehlte namentlich an Wasser, denn der Bach
ist seicht, und der Eisak nicht so nah', -- es war ein
unbeschreiblicher Jammer. Drei arme Familien, die
Alles eingebüßt haben, da sie nicht versichert waren,
sitzen in Thränen und Verzweiflung in der Küche
unsres Wirthshauses. Papa hat unter den Fremden
hier eine Collecte gemacht, die ziemlich viel eingebracht
hat, und wir sind übereingekommen, unsre Rückreise
zu beschleunigen, um das Scherflein zu vergrößern.
Ein Glück ist es nur, daß kein Mensch verunglückt,
auch außer einigen armen Hühnern kein Vieh ver¬
brannt ist. Wir drei sind, glaub' ich, die Einzigen,
die einige Brandwunden haben. Aber meine sind
ganz unbedeutend, nur an der linken Hand, und
Papa's und Mama's sind noch geringer, wie sie
sagen. Liebe, süße Kinder, ich muß es Euch doch
sagen, vielleicht wäre es schlimm mit mir geworden,
wenn mich Herr Schmidthammer nicht hinausgetragen
hätte! Ich war vom Rauch ohnmächtig geworden,
und er fand mich und trug mich ins Freie. Ich hab'
ihn noch nicht wieder gesehen, aber ich muß immer
an ihn denken. Wenn er nicht bald kommt, geh' ich
hinüber, wo er wohnt, und erkundige mich, ob er auch
ganz unverletzt ist, -- oder ich bitte Papa, daß er
geht. Ich habe nämlich ein böses Gewissen ihm ge¬
genüber; ich bin ziemlich unfreundlich gegen ihn ge¬

17 *

len; es fehlte namentlich an Waſſer, denn der Bach
iſt ſeicht, und der Eiſak nicht ſo nah', — es war ein
unbeſchreiblicher Jammer. Drei arme Familien, die
Alles eingebüßt haben, da ſie nicht verſichert waren,
ſitzen in Thränen und Verzweiflung in der Küche
unſres Wirthshauſes. Papa hat unter den Fremden
hier eine Collecte gemacht, die ziemlich viel eingebracht
hat, und wir ſind übereingekommen, unſre Rückreiſe
zu beſchleunigen, um das Scherflein zu vergrößern.
Ein Glück iſt es nur, daß kein Menſch verunglückt,
auch außer einigen armen Hühnern kein Vieh ver¬
brannt iſt. Wir drei ſind, glaub' ich, die Einzigen,
die einige Brandwunden haben. Aber meine ſind
ganz unbedeutend, nur an der linken Hand, und
Papa's und Mama's ſind noch geringer, wie ſie
ſagen. Liebe, ſüße Kinder, ich muß es Euch doch
ſagen, vielleicht wäre es ſchlimm mit mir geworden,
wenn mich Herr Schmidthammer nicht hinausgetragen
hätte! Ich war vom Rauch ohnmächtig geworden,
und er fand mich und trug mich ins Freie. Ich hab'
ihn noch nicht wieder geſehen, aber ich muß immer
an ihn denken. Wenn er nicht bald kommt, geh' ich
hinüber, wo er wohnt, und erkundige mich, ob er auch
ganz unverletzt iſt, — oder ich bitte Papa, daß er
geht. Ich habe nämlich ein böſes Gewiſſen ihm ge¬
genüber; ich bin ziemlich unfreundlich gegen ihn ge¬

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[259/0275] len; es fehlte namentlich an Waſſer, denn der Bach iſt ſeicht, und der Eiſak nicht ſo nah', — es war ein unbeſchreiblicher Jammer. Drei arme Familien, die Alles eingebüßt haben, da ſie nicht verſichert waren, ſitzen in Thränen und Verzweiflung in der Küche unſres Wirthshauſes. Papa hat unter den Fremden hier eine Collecte gemacht, die ziemlich viel eingebracht hat, und wir ſind übereingekommen, unſre Rückreiſe zu beſchleunigen, um das Scherflein zu vergrößern. Ein Glück iſt es nur, daß kein Menſch verunglückt, auch außer einigen armen Hühnern kein Vieh ver¬ brannt iſt. Wir drei ſind, glaub' ich, die Einzigen, die einige Brandwunden haben. Aber meine ſind ganz unbedeutend, nur an der linken Hand, und Papa's und Mama's ſind noch geringer, wie ſie ſagen. Liebe, ſüße Kinder, ich muß es Euch doch ſagen, vielleicht wäre es ſchlimm mit mir geworden, wenn mich Herr Schmidthammer nicht hinausgetragen hätte! Ich war vom Rauch ohnmächtig geworden, und er fand mich und trug mich ins Freie. Ich hab' ihn noch nicht wieder geſehen, aber ich muß immer an ihn denken. Wenn er nicht bald kommt, geh' ich hinüber, wo er wohnt, und erkundige mich, ob er auch ganz unverletzt iſt, — oder ich bitte Papa, daß er geht. Ich habe nämlich ein böſes Gewiſſen ihm ge¬ genüber; ich bin ziemlich unfreundlich gegen ihn ge¬ 17 *

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/275>, abgerufen am 19.04.2024.