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Frauenfeld, Georg von: Die Grundlagen des Vogelschutzgesetzes. Wien, 1871.

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G. R. v. Frauenfeld:
dringend erinnert ward, den mit Russland für diesen Zweck eingeleiteten
Verkehr zur Erreichung dieses Zieles fortzusetzen.

Zur Theilnahme an diesem Uebereinkommen mit Italien wurden zu
gleicher Zeit von den übrigen Mittelmeerstaaten, Spanien, Frankreich
und die Schweiz eingeladen, von denen, nachdem die Schweiz sich hiezu
bereit erklärte, Frankreich des Kriegszustandes wegen verhindert war,
daran Theil zu nehmen, Spanien jedoch ablehnend erwiederte, es müsse
diesen Gegenstand der Wirksamkeit der einzelnen Provinzen überlassen.

Ich sehe mich dadurch veranlasst, besonders zu betonen, dass bei
der überall gleich wichtigen, allgemein umfassenden Bedeutung der in-
sektenfressenden Zugvögel, bei deren weit ausgedehnter Wanderung vom
Norden Europas bis zum Aequator und noch darüber hinaus, dieselben
nothwendig den Sonderbestimmungen beschränkterer Gebiete, deren In-
teressen und Ansichten unzweifelhaft ganz verschieden sind, entzogen
werden müssen, dass sie daher aus den Jagdvorschriften, deren Anord-
nungen, jenen Landestheilen, ihrer Autonomie entsprechend ungeschmälert
verbleiben können und sollen, auszuschliessen sind.

Es bedingt ja wohl die Idee eines gemeinsam festzustellenden Ver-
fahrens zwischen mehreren Reichen schon von selbst, dass Massregeln
einzelner Bruchtheile eines Landes, die nicht übereinstimmen, gar nicht
stattfinden können.

Diess angenommen, liegt mir ferner noch ob, hier einer anderen
gegnerischen Ansicht zu gedenken, die zu widerlegen um so wichtiger
ist, als sie aus wissenschaftlichem Munde kömmt. Ein italienischer Pro-
fessor sprach sich dahin aus, es sei kein Eingriff von Seite des Menschen
nöthig, die Natur ordne und regle sich von selbst, und es bedürfe des
Vogelschutzes nicht, um das Gleichgewicht in der Natur zu erhalten.

Wenn der Herr Professor meint, dass trotz alles menschlichen Ge-
barens die Sonne täglich auf- und untergeht, dass eine aus dem Meere
aufgetauchte Insel sich grün bekleide und belebe, ohne und trotz dem
Menschen, wenn ungeachtet aller Eingriffe desselben die Natur unaufhalt-
sam schaffend ihren Gang fortsetzt, so hat er allerdings recht. Es ist diess
eben das ewig unveränderliche Gesetz der lebendig schaffenden Natur auf
unserem Planeten, das aber auch unbekümmert um die Lebenszwecke
des Menschen waltet, und ihrem natürlichen Gange folgend, gewiss nur
sehr selten dessen Absichten entspricht, sondern ihm wohl häufig hindernd
in den Weg tritt, seine Pläne oft vereitelt, oder gar zerstört.

Diesen Störungen begegnend, wirkt der Mensch, der sich der Erde
als seiner Domäne bemächtigt hat, in unverkennbar gewaltig eingreifen-
der Weise, räumt diese Hindernisse aus dem Wege, zwingt jene Natur-
kräfte seinen Zwecken zu dienen, während sie nicht in dieser klugen
Weise benützt, sondern vernachlässigt oder missbraucht, ihm den grössten
Schaden zufügen würden.

G. R. v. Frauenfeld:
dringend erinnert ward, den mit Russland für diesen Zweck eingeleiteten
Verkehr zur Erreichung dieses Zieles fortzusetzen.

Zur Theilnahme an diesem Uebereinkommen mit Italien wurden zu
gleicher Zeit von den übrigen Mittelmeerstaaten, Spanien, Frankreich
und die Schweiz eingeladen, von denen, nachdem die Schweiz sich hiezu
bereit erklärte, Frankreich des Kriegszustandes wegen verhindert war,
daran Theil zu nehmen, Spanien jedoch ablehnend erwiederte, es müsse
diesen Gegenstand der Wirksamkeit der einzelnen Provinzen überlassen.

Ich sehe mich dadurch veranlasst, besonders zu betonen, dass bei
der überall gleich wichtigen, allgemein umfassenden Bedeutung der in-
sektenfressenden Zugvögel, bei deren weit ausgedehnter Wanderung vom
Norden Europas bis zum Aequator und noch darüber hinaus, dieselben
nothwendig den Sonderbestimmungen beschränkterer Gebiete, deren In-
teressen und Ansichten unzweifelhaft ganz verschieden sind, entzogen
werden müssen, dass sie daher aus den Jagdvorschriften, deren Anord-
nungen, jenen Landestheilen, ihrer Autonomie entsprechend ungeschmälert
verbleiben können und sollen, auszuschliessen sind.

Es bedingt ja wohl die Idee eines gemeinsam festzustellenden Ver-
fahrens zwischen mehreren Reichen schon von selbst, dass Massregeln
einzelner Bruchtheile eines Landes, die nicht übereinstimmen, gar nicht
stattfinden können.

Diess angenommen, liegt mir ferner noch ob, hier einer anderen
gegnerischen Ansicht zu gedenken, die zu widerlegen um so wichtiger
ist, als sie aus wissenschaftlichem Munde kömmt. Ein italienischer Pro-
fessor sprach sich dahin aus, es sei kein Eingriff von Seite des Menschen
nöthig, die Natur ordne und regle sich von selbst, und es bedürfe des
Vogelschutzes nicht, um das Gleichgewicht in der Natur zu erhalten.

Wenn der Herr Professor meint, dass trotz alles menschlichen Ge-
barens die Sonne täglich auf- und untergeht, dass eine aus dem Meere
aufgetauchte Insel sich grün bekleide und belebe, ohne und trotz dem
Menschen, wenn ungeachtet aller Eingriffe desselben die Natur unaufhalt-
sam schaffend ihren Gang fortsetzt, so hat er allerdings recht. Es ist diess
eben das ewig unveränderliche Gesetz der lebendig schaffenden Natur auf
unserem Planeten, das aber auch unbekümmert um die Lebenszwecke
des Menschen waltet, und ihrem natürlichen Gange folgend, gewiss nur
sehr selten dessen Absichten entspricht, sondern ihm wohl häufig hindernd
in den Weg tritt, seine Pläne oft vereitelt, oder gar zerstört.

Diesen Störungen begegnend, wirkt der Mensch, der sich der Erde
als seiner Domäne bemächtigt hat, in unverkennbar gewaltig eingreifen-
der Weise, räumt diese Hindernisse aus dem Wege, zwingt jene Natur-
kräfte seinen Zwecken zu dienen, während sie nicht in dieser klugen
Weise benützt, sondern vernachlässigt oder missbraucht, ihm den grössten
Schaden zufügen würden.

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Zitationshilfe: Frauenfeld, Georg von: Die Grundlagen des Vogelschutzgesetzes. Wien, 1871, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frauenfeld_vogelschutzgesetz_1871/10>, abgerufen am 19.04.2024.