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Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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seine scharfen Blicke begannen selbst bisweilen nach den Fenstern des Meisters Hänni hinüber zu schweifen; der ansteckende Reiz der Neugier und des Geheimnisses fing auch bei ihm an, sich geltend zu machen, wenngleich seine Gedanken, wie sich's für eine Standesperson der Republik gebührte, andere Wege einschlugen, als diejenigen des Packes der niedern Burger. Was Prinz! brummte er in einem fast knurrenden Tone in sich hinein; sauberer Prinz das ... kann mir's vorstellen. Aber warum sollt's nicht einer der revolutzenden Taugenichtse sein, die sich aus allen Winkeln herbeischleichen wollen? Kann sein, kann sein ... aufpassen! Rappelt's ja schon lange genug bei unsern Strudelköpfen. Können nachsehen einmal ... wird nichts schaden. Damit zog der Graubart eine mit blitzenden Steinen besetzte Uhr aus der Tasche der Atlasweste, jedoch nur, um sie sofort wieder mit einem halb verdrießlichen Gesichte in ihr Versteck zurückzuschieben. Ist noch nicht Zeit, kaum halb acht vorbei, fuhr er in seiner brummigen Weise fort, doch kann ihn auch einmal zu Haus flechten lassen, den Zopf, und drüben den Befehl geben, er soll den Burschen selbst zur Schule schicken ... wird noch besser sein. Mit diesem Entschlusse verließ der Alte den Bärengraben und schritt gemessenen Ganges der Thüre Meister Hänni's zu.

Dieser hatte sich eben zum Frühstücke niedergesetzt, fuhr aber augenblicklich wie ein aufgescheuchtes Reh empor, als sein Kunde eintrat. Um Vergebung, gnä-

seine scharfen Blicke begannen selbst bisweilen nach den Fenstern des Meisters Hänni hinüber zu schweifen; der ansteckende Reiz der Neugier und des Geheimnisses fing auch bei ihm an, sich geltend zu machen, wenngleich seine Gedanken, wie sich's für eine Standesperson der Republik gebührte, andere Wege einschlugen, als diejenigen des Packes der niedern Burger. Was Prinz! brummte er in einem fast knurrenden Tone in sich hinein; sauberer Prinz das … kann mir's vorstellen. Aber warum sollt's nicht einer der revolutzenden Taugenichtse sein, die sich aus allen Winkeln herbeischleichen wollen? Kann sein, kann sein … aufpassen! Rappelt's ja schon lange genug bei unsern Strudelköpfen. Können nachsehen einmal … wird nichts schaden. Damit zog der Graubart eine mit blitzenden Steinen besetzte Uhr aus der Tasche der Atlasweste, jedoch nur, um sie sofort wieder mit einem halb verdrießlichen Gesichte in ihr Versteck zurückzuschieben. Ist noch nicht Zeit, kaum halb acht vorbei, fuhr er in seiner brummigen Weise fort, doch kann ihn auch einmal zu Haus flechten lassen, den Zopf, und drüben den Befehl geben, er soll den Burschen selbst zur Schule schicken … wird noch besser sein. Mit diesem Entschlusse verließ der Alte den Bärengraben und schritt gemessenen Ganges der Thüre Meister Hänni's zu.

Dieser hatte sich eben zum Frühstücke niedergesetzt, fuhr aber augenblicklich wie ein aufgescheuchtes Reh empor, als sein Kunde eintrat. Um Vergebung, gnä-

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[0017] seine scharfen Blicke begannen selbst bisweilen nach den Fenstern des Meisters Hänni hinüber zu schweifen; der ansteckende Reiz der Neugier und des Geheimnisses fing auch bei ihm an, sich geltend zu machen, wenngleich seine Gedanken, wie sich's für eine Standesperson der Republik gebührte, andere Wege einschlugen, als diejenigen des Packes der niedern Burger. Was Prinz! brummte er in einem fast knurrenden Tone in sich hinein; sauberer Prinz das … kann mir's vorstellen. Aber warum sollt's nicht einer der revolutzenden Taugenichtse sein, die sich aus allen Winkeln herbeischleichen wollen? Kann sein, kann sein … aufpassen! Rappelt's ja schon lange genug bei unsern Strudelköpfen. Können nachsehen einmal … wird nichts schaden. Damit zog der Graubart eine mit blitzenden Steinen besetzte Uhr aus der Tasche der Atlasweste, jedoch nur, um sie sofort wieder mit einem halb verdrießlichen Gesichte in ihr Versteck zurückzuschieben. Ist noch nicht Zeit, kaum halb acht vorbei, fuhr er in seiner brummigen Weise fort, doch kann ihn auch einmal zu Haus flechten lassen, den Zopf, und drüben den Befehl geben, er soll den Burschen selbst zur Schule schicken … wird noch besser sein. Mit diesem Entschlusse verließ der Alte den Bärengraben und schritt gemessenen Ganges der Thüre Meister Hänni's zu. Dieser hatte sich eben zum Frühstücke niedergesetzt, fuhr aber augenblicklich wie ein aufgescheuchtes Reh empor, als sein Kunde eintrat. Um Vergebung, gnä-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

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Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/17>, abgerufen am 25.04.2024.