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Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mayer heiße. Aber, wurde gewöhnlich beigefügt, er werde gute Gründe haben, jeder weitern Antwort so vorsichtig, wie er's thue, auszuweichen; denn ein gewöhnlicher Haarkräusler sei er von Jugend auf nun und nimmermehr gewesen.

Eine gab es wohl in der Stadt, die, wie sie vorgeahnt, auch ohne Fragen mehr erfuhr, als alle ihre neugierigen Bekannten und Standesgenossinnen; aber was sie wußte, wagte sie ja kaum in den muthigsten Stunden ihres Herzens sich leise vorzuerzählen, und es ging schon ein banges Erzittern durch ihre Seele, wenn sie den Namen des Fremden nur zufällig und flüchtig von Andern nennen hörte. Hier war also dessen Geheimniß wohl geborgen, tief verbunden mit einem andern Geheimniß, das in Juliens Herzen keimte und empor blühte, wie draußen an den einsamen Borden des Flusses die duftigen Frühlingstriebe. --

Unter solchen Umständen mußte die müßige Plaudersucht wohl oder übel nach neuer Nahrung ausgehen, und diese wurde denn auch unversehens und in schreckenerregendem Maße dargeboten. Mit den ersten Sommertagen nämlich begannen da und dort dunkle, unheimliche Gerüchte aufzutauchen, die bald wie eine dunkle Wetterwolke sich über die ganze Stadt ergossen, bald nur wie lichtscheue Nachtvögel in einzelnen Häusern und Straßen derselben herumflatterten. Einmal hieß es, die Bauernschaft der benachbarten Aemter und Landvogteien rüste sich im Geheimen, die Stadt nächt-

Mayer heiße. Aber, wurde gewöhnlich beigefügt, er werde gute Gründe haben, jeder weitern Antwort so vorsichtig, wie er's thue, auszuweichen; denn ein gewöhnlicher Haarkräusler sei er von Jugend auf nun und nimmermehr gewesen.

Eine gab es wohl in der Stadt, die, wie sie vorgeahnt, auch ohne Fragen mehr erfuhr, als alle ihre neugierigen Bekannten und Standesgenossinnen; aber was sie wußte, wagte sie ja kaum in den muthigsten Stunden ihres Herzens sich leise vorzuerzählen, und es ging schon ein banges Erzittern durch ihre Seele, wenn sie den Namen des Fremden nur zufällig und flüchtig von Andern nennen hörte. Hier war also dessen Geheimniß wohl geborgen, tief verbunden mit einem andern Geheimniß, das in Juliens Herzen keimte und empor blühte, wie draußen an den einsamen Borden des Flusses die duftigen Frühlingstriebe. —

Unter solchen Umständen mußte die müßige Plaudersucht wohl oder übel nach neuer Nahrung ausgehen, und diese wurde denn auch unversehens und in schreckenerregendem Maße dargeboten. Mit den ersten Sommertagen nämlich begannen da und dort dunkle, unheimliche Gerüchte aufzutauchen, die bald wie eine dunkle Wetterwolke sich über die ganze Stadt ergossen, bald nur wie lichtscheue Nachtvögel in einzelnen Häusern und Straßen derselben herumflatterten. Einmal hieß es, die Bauernschaft der benachbarten Aemter und Landvogteien rüste sich im Geheimen, die Stadt nächt-

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[0040] Mayer heiße. Aber, wurde gewöhnlich beigefügt, er werde gute Gründe haben, jeder weitern Antwort so vorsichtig, wie er's thue, auszuweichen; denn ein gewöhnlicher Haarkräusler sei er von Jugend auf nun und nimmermehr gewesen. Eine gab es wohl in der Stadt, die, wie sie vorgeahnt, auch ohne Fragen mehr erfuhr, als alle ihre neugierigen Bekannten und Standesgenossinnen; aber was sie wußte, wagte sie ja kaum in den muthigsten Stunden ihres Herzens sich leise vorzuerzählen, und es ging schon ein banges Erzittern durch ihre Seele, wenn sie den Namen des Fremden nur zufällig und flüchtig von Andern nennen hörte. Hier war also dessen Geheimniß wohl geborgen, tief verbunden mit einem andern Geheimniß, das in Juliens Herzen keimte und empor blühte, wie draußen an den einsamen Borden des Flusses die duftigen Frühlingstriebe. — Unter solchen Umständen mußte die müßige Plaudersucht wohl oder übel nach neuer Nahrung ausgehen, und diese wurde denn auch unversehens und in schreckenerregendem Maße dargeboten. Mit den ersten Sommertagen nämlich begannen da und dort dunkle, unheimliche Gerüchte aufzutauchen, die bald wie eine dunkle Wetterwolke sich über die ganze Stadt ergossen, bald nur wie lichtscheue Nachtvögel in einzelnen Häusern und Straßen derselben herumflatterten. Einmal hieß es, die Bauernschaft der benachbarten Aemter und Landvogteien rüste sich im Geheimen, die Stadt nächt-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

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Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/40>, abgerufen am 29.03.2024.