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Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wie unhöflich das auch klang, das Gedränge wich halb lachend halb ehrerbietig aus einander, und da und dort rief es: Ja, Platz gemacht, Dem da ... aus einander!

In Theobald gewann bei diesem Anblicke das Gefühl des Zornes die Oberhand. Wäre der Oberst von der Menge bedroht worden oder in Gefahr gerathen, er würde sich ohne Besinnen den Angreifern entgegengeworfen und sich eher haben in Stücke zerreißen, als dem Alten ein Leides geschehen lassen; aber jetzt, da Alles zur Seite wich, hätte er ihm selbst in die Zügel fallen und ihn für seine brutale Rücksichtslosigkeit verantwortlich machen mögen. Das ist immer der Weg, den plötzlich erregte, noch nicht im Sonnenstrahle ruhiger Ueberlegung gereifte Gefühle einschlagen, sie tasten an der äußern Erscheinung herum, wie der Blinde, der das Licht des Auges durch die Hand ersetzen muß. Aber bei Theobald trat noch das bittere Gefühl einer gänzlichen Ohnmacht und Hülflosigkeit gegen diesen Mann hinzu, der sein ganzes Lebensglück in Händen hielt und ach ... es ohne Abwehr mit rauhem Fuße zertreten mußte, wie den Wurm, der auf seinem Wege kroch. Der Jüngling hob bei dieser Vorstellung, ohne daran zu denken, was er that, die zornig geballte Faust empor, und in dem nämlichen Augenblicke streifte auch das scharfe Auge des Obersten nach ihm hinüber. Mit einem verächtlichen, fast grinsenden Verziehen des Gesichtes zuckte er die Achseln und ließ seine Blicke wieder nach einer andern Richtung schweifen. Ueber Theobald's

wie unhöflich das auch klang, das Gedränge wich halb lachend halb ehrerbietig aus einander, und da und dort rief es: Ja, Platz gemacht, Dem da … aus einander!

In Theobald gewann bei diesem Anblicke das Gefühl des Zornes die Oberhand. Wäre der Oberst von der Menge bedroht worden oder in Gefahr gerathen, er würde sich ohne Besinnen den Angreifern entgegengeworfen und sich eher haben in Stücke zerreißen, als dem Alten ein Leides geschehen lassen; aber jetzt, da Alles zur Seite wich, hätte er ihm selbst in die Zügel fallen und ihn für seine brutale Rücksichtslosigkeit verantwortlich machen mögen. Das ist immer der Weg, den plötzlich erregte, noch nicht im Sonnenstrahle ruhiger Ueberlegung gereifte Gefühle einschlagen, sie tasten an der äußern Erscheinung herum, wie der Blinde, der das Licht des Auges durch die Hand ersetzen muß. Aber bei Theobald trat noch das bittere Gefühl einer gänzlichen Ohnmacht und Hülflosigkeit gegen diesen Mann hinzu, der sein ganzes Lebensglück in Händen hielt und ach … es ohne Abwehr mit rauhem Fuße zertreten mußte, wie den Wurm, der auf seinem Wege kroch. Der Jüngling hob bei dieser Vorstellung, ohne daran zu denken, was er that, die zornig geballte Faust empor, und in dem nämlichen Augenblicke streifte auch das scharfe Auge des Obersten nach ihm hinüber. Mit einem verächtlichen, fast grinsenden Verziehen des Gesichtes zuckte er die Achseln und ließ seine Blicke wieder nach einer andern Richtung schweifen. Ueber Theobald's

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

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Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/59>, abgerufen am 28.04.2024.