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Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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einzige Tochter anerboten hätte -- nimmermehr; [da] mußten noch verborgene Gründe obwalten, und am Ende war doch etwas Wahres gewesen an den frühern Prinzen-Gerüchten. Drum auch mochte, besser unterrichtet als Andere, der Oberst gleich anfangs für den Fremden bei der Polizei Fürsprache eingelegt haben, wie nun mit einem Male ruchbar wurde. Immerhin, schlossen die Männer diese Gespräche, auch ein Prinz hätte sich der holden Julie nicht zu schämen, und die Frauen meinten unverhohlen, einen schönern Gemahl würde sie nie finden können, ob Prinz oder Haarkräusler.

Während Theobald auf solche Weise gefeiert und glücklich gepriesen wurde, saß er selbst in banger Unruhe auf seinem einsamen Kämmerlein, mit dem unabwehrbaren Zweifel ringend, ob er seine That nicht mehr zu bereuen, als sich derselben zu freuen habe. Das Letztere einmal mochte ihm nicht gelingen, wie sehr er auch sich Mühe gab, die dunkel heranziehenden Schatten wegzuscheuchen. War es ihm ja doch kaum möglich, klar zu werden, was ihn eigentlich zu der That bewogen hatte, da der Augenblick, in dem er den Entschluß gefaßt und die Ausführung begonnen, wie ein dumpfer, verworrener Traum hinter ihm lag. War es am Ende nicht bloß das schadenfrohe Verlangen, den Uebermuth des Aristokraten zu demüthigen und seinen Stolz zu brechen? -- Nein, das war es nicht, Theobald, rief er, aus seinem Sinnen sich erhebend; zur Befriedigung eines kleinen Rachegelüstes wärest du nicht fähig, die

einzige Tochter anerboten hätte — nimmermehr; [da] mußten noch verborgene Gründe obwalten, und am Ende war doch etwas Wahres gewesen an den frühern Prinzen-Gerüchten. Drum auch mochte, besser unterrichtet als Andere, der Oberst gleich anfangs für den Fremden bei der Polizei Fürsprache eingelegt haben, wie nun mit einem Male ruchbar wurde. Immerhin, schlossen die Männer diese Gespräche, auch ein Prinz hätte sich der holden Julie nicht zu schämen, und die Frauen meinten unverhohlen, einen schönern Gemahl würde sie nie finden können, ob Prinz oder Haarkräusler.

Während Theobald auf solche Weise gefeiert und glücklich gepriesen wurde, saß er selbst in banger Unruhe auf seinem einsamen Kämmerlein, mit dem unabwehrbaren Zweifel ringend, ob er seine That nicht mehr zu bereuen, als sich derselben zu freuen habe. Das Letztere einmal mochte ihm nicht gelingen, wie sehr er auch sich Mühe gab, die dunkel heranziehenden Schatten wegzuscheuchen. War es ihm ja doch kaum möglich, klar zu werden, was ihn eigentlich zu der That bewogen hatte, da der Augenblick, in dem er den Entschluß gefaßt und die Ausführung begonnen, wie ein dumpfer, verworrener Traum hinter ihm lag. War es am Ende nicht bloß das schadenfrohe Verlangen, den Uebermuth des Aristokraten zu demüthigen und seinen Stolz zu brechen? — Nein, das war es nicht, Theobald, rief er, aus seinem Sinnen sich erhebend; zur Befriedigung eines kleinen Rachegelüstes wärest du nicht fähig, die

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[0075] einzige Tochter anerboten hätte — nimmermehr; da mußten noch verborgene Gründe obwalten, und am Ende war doch etwas Wahres gewesen an den frühern Prinzen-Gerüchten. Drum auch mochte, besser unterrichtet als Andere, der Oberst gleich anfangs für den Fremden bei der Polizei Fürsprache eingelegt haben, wie nun mit einem Male ruchbar wurde. Immerhin, schlossen die Männer diese Gespräche, auch ein Prinz hätte sich der holden Julie nicht zu schämen, und die Frauen meinten unverhohlen, einen schönern Gemahl würde sie nie finden können, ob Prinz oder Haarkräusler. Während Theobald auf solche Weise gefeiert und glücklich gepriesen wurde, saß er selbst in banger Unruhe auf seinem einsamen Kämmerlein, mit dem unabwehrbaren Zweifel ringend, ob er seine That nicht mehr zu bereuen, als sich derselben zu freuen habe. Das Letztere einmal mochte ihm nicht gelingen, wie sehr er auch sich Mühe gab, die dunkel heranziehenden Schatten wegzuscheuchen. War es ihm ja doch kaum möglich, klar zu werden, was ihn eigentlich zu der That bewogen hatte, da der Augenblick, in dem er den Entschluß gefaßt und die Ausführung begonnen, wie ein dumpfer, verworrener Traum hinter ihm lag. War es am Ende nicht bloß das schadenfrohe Verlangen, den Uebermuth des Aristokraten zu demüthigen und seinen Stolz zu brechen? — Nein, das war es nicht, Theobald, rief er, aus seinem Sinnen sich erhebend; zur Befriedigung eines kleinen Rachegelüstes wärest du nicht fähig, die

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

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Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/75>, abgerufen am 28.04.2024.