Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

nur der hoffnungsvollsten Bärenjugend gelingen können; aber das wollte Alles nicht hinreichen, die Aufmerksamkeit der am Geländer Auf- und Niedergehenden diesmal anzuziehen und festzuhalten. Im Gegentheil wendeten sich die Blicke der eifrig mit einander Sprechenden unablässig nach dem Erdgeschosse des nächsten Eckhauses hinüber, obwohl dort durchaus nichts Besonderes zu erschauen war, wenn man nicht etwa das schwarze Schild über der Thüre, das in weißer Schrift verkündete, daß hier der ehrsame Meister Hänni seine Perrücken- und Haarkräuslerkunst betreibe, als Merkwürdigkeit gelten lassen wollte. In jener Blütezeit der männlichen Perrücken und kunstvoll geflochtenen und gekämmten Damenfrisuren war das nun freilich kein so unbeachtenswerther Gegenstand; doch war er heute, was er seit Jahren gewesen, und manniglich bekannt, daß Meister Hänni der geschickteste, aber auch der theuerste und deßhalb nur von der Noblesse frequentirte Haarkünstler der alten Zähringerstadt sei. In allem dem konnte also auch gar kein Grund zu dem ungewöhnlichen Verhalten der Bärengrabengäste vorhanden sein.

Dagegen lag dieser in einer Mittheilung, die der Thorwart am Aarberger Thurme den Gevattern und Basen seiner Nachbarschaft gemacht, und was dann im Fernern mit derselben zusammenhing. Am vorgestrigen Abend nämlich kam, so lautete der Bericht, ein junger, fremder Herr durch das Thor geritten, von so durchaus vornehmem Aussehen, daß der Thorwart sich gar

nur der hoffnungsvollsten Bärenjugend gelingen können; aber das wollte Alles nicht hinreichen, die Aufmerksamkeit der am Geländer Auf- und Niedergehenden diesmal anzuziehen und festzuhalten. Im Gegentheil wendeten sich die Blicke der eifrig mit einander Sprechenden unablässig nach dem Erdgeschosse des nächsten Eckhauses hinüber, obwohl dort durchaus nichts Besonderes zu erschauen war, wenn man nicht etwa das schwarze Schild über der Thüre, das in weißer Schrift verkündete, daß hier der ehrsame Meister Hänni seine Perrücken- und Haarkräuslerkunst betreibe, als Merkwürdigkeit gelten lassen wollte. In jener Blütezeit der männlichen Perrücken und kunstvoll geflochtenen und gekämmten Damenfrisuren war das nun freilich kein so unbeachtenswerther Gegenstand; doch war er heute, was er seit Jahren gewesen, und manniglich bekannt, daß Meister Hänni der geschickteste, aber auch der theuerste und deßhalb nur von der Noblesse frequentirte Haarkünstler der alten Zähringerstadt sei. In allem dem konnte also auch gar kein Grund zu dem ungewöhnlichen Verhalten der Bärengrabengäste vorhanden sein.

Dagegen lag dieser in einer Mittheilung, die der Thorwart am Aarberger Thurme den Gevattern und Basen seiner Nachbarschaft gemacht, und was dann im Fernern mit derselben zusammenhing. Am vorgestrigen Abend nämlich kam, so lautete der Bericht, ein junger, fremder Herr durch das Thor geritten, von so durchaus vornehmem Aussehen, daß der Thorwart sich gar

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0008"/>
nur der hoffnungsvollsten Bärenjugend gelingen können; aber das wollte Alles nicht      hinreichen, die Aufmerksamkeit der am Geländer Auf- und Niedergehenden diesmal anzuziehen und      festzuhalten. Im Gegentheil wendeten sich die Blicke der eifrig mit einander Sprechenden      unablässig nach dem Erdgeschosse des nächsten Eckhauses hinüber, obwohl dort durchaus nichts      Besonderes zu erschauen war, wenn man nicht etwa das schwarze Schild über der Thüre, das in      weißer Schrift verkündete, daß hier der ehrsame Meister Hänni seine Perrücken- und      Haarkräuslerkunst betreibe, als Merkwürdigkeit gelten lassen wollte. In jener Blütezeit der      männlichen Perrücken und kunstvoll geflochtenen und gekämmten Damenfrisuren war das nun      freilich kein so unbeachtenswerther Gegenstand; doch war er heute, was er seit Jahren gewesen,      und manniglich bekannt, daß Meister Hänni der geschickteste, aber auch der theuerste und      deßhalb nur von der Noblesse frequentirte Haarkünstler der alten Zähringerstadt sei. In allem dem      konnte also auch gar kein Grund zu dem ungewöhnlichen Verhalten der Bärengrabengäste vorhanden      sein.</p><lb/>
        <p>Dagegen lag dieser in einer Mittheilung, die der Thorwart am Aarberger Thurme den      Gevattern und Basen seiner Nachbarschaft gemacht, und was dann im Fernern mit derselben      zusammenhing. Am vorgestrigen Abend nämlich kam, so lautete der Bericht, ein junger, fremder      Herr durch das Thor geritten, von so durchaus vornehmem Aussehen, daß der Thorwart sich gar<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0008] nur der hoffnungsvollsten Bärenjugend gelingen können; aber das wollte Alles nicht hinreichen, die Aufmerksamkeit der am Geländer Auf- und Niedergehenden diesmal anzuziehen und festzuhalten. Im Gegentheil wendeten sich die Blicke der eifrig mit einander Sprechenden unablässig nach dem Erdgeschosse des nächsten Eckhauses hinüber, obwohl dort durchaus nichts Besonderes zu erschauen war, wenn man nicht etwa das schwarze Schild über der Thüre, das in weißer Schrift verkündete, daß hier der ehrsame Meister Hänni seine Perrücken- und Haarkräuslerkunst betreibe, als Merkwürdigkeit gelten lassen wollte. In jener Blütezeit der männlichen Perrücken und kunstvoll geflochtenen und gekämmten Damenfrisuren war das nun freilich kein so unbeachtenswerther Gegenstand; doch war er heute, was er seit Jahren gewesen, und manniglich bekannt, daß Meister Hänni der geschickteste, aber auch der theuerste und deßhalb nur von der Noblesse frequentirte Haarkünstler der alten Zähringerstadt sei. In allem dem konnte also auch gar kein Grund zu dem ungewöhnlichen Verhalten der Bärengrabengäste vorhanden sein. Dagegen lag dieser in einer Mittheilung, die der Thorwart am Aarberger Thurme den Gevattern und Basen seiner Nachbarschaft gemacht, und was dann im Fernern mit derselben zusammenhing. Am vorgestrigen Abend nämlich kam, so lautete der Bericht, ein junger, fremder Herr durch das Thor geritten, von so durchaus vornehmem Aussehen, daß der Thorwart sich gar

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/8
Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/8>, abgerufen am 28.03.2024.