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Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780.

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kale schmeicheln dem Ohr, aber zu viele Consonanten
hintereinander beleidigen es, weil sie schwer auszuspre-
chen sind, und gar keinen Wohlklang haben. Auch
haben wir unter unsern Hülfs- und Zeitwörtern viele,
deren letzte Sylben fast gar nicht gehört werden, und
dadurch sehr unangenehm sind, als sagen, geben, neh-
men
. Man darf diesen Worten nur noch am Ende
ein a hinzusetzen, und sie in sagena, gebena, nehme-
na
verwandeln, so werden sie unserm Ohre gefallen.
Aber ich weiß sehr wohl, wenn auch der Kaiser selbst
mit seinen acht Churfürsten auf einem feyerlichen
Reichstage durch ein Gesetz diese Aussprache anbeföh-
le; so würden doch die eifrigen Verehrer des ächten
alten Deutschen sich an diese Gesetze gar nicht gebun-
den halten, sondern allenthalben in schönem Latein
ausruffen: Caesar non est super Grammaticos, und das
Volk, das in allen Ländern über die Sprachen entschei-
det, würde immer fortfahren, sagen und geben aus-
zusprechen. Die Franzosen haben durch ihre Aus-
sprache viele Worte sanfter gemacht, die sonst das Ohr
beleidigten, und die den Kaiser Julian veranlaßten,
zu sagen: Daß die Gallier, wie die Krähen krächzten.
Worte der Art, wie man sie sonst aussprach, sind,
cro-jo-yent, voi-yai-yent. Itzt sagt man croyent,
voyent
. Wenn diese Worte schon nicht dem Ohr
schmeicheln, so sind sie doch nicht so unangenehm mehr.
Mit gewissen Worten, dünkt mich, könnten wir eben

so

kale ſchmeicheln dem Ohr, aber zu viele Conſonanten
hintereinander beleidigen es, weil ſie ſchwer auszuſpre-
chen ſind, und gar keinen Wohlklang haben. Auch
haben wir unter unſern Huͤlfs- und Zeitwoͤrtern viele,
deren letzte Sylben faſt gar nicht gehoͤrt werden, und
dadurch ſehr unangenehm ſind, als ſagen, geben, neh-
men
. Man darf dieſen Worten nur noch am Ende
ein a hinzuſetzen, und ſie in ſagena, gebena, nehme-
na
verwandeln, ſo werden ſie unſerm Ohre gefallen.
Aber ich weiß ſehr wohl, wenn auch der Kaiſer ſelbſt
mit ſeinen acht Churfuͤrſten auf einem feyerlichen
Reichstage durch ein Geſetz dieſe Ausſprache anbefoͤh-
le; ſo wuͤrden doch die eifrigen Verehrer des aͤchten
alten Deutſchen ſich an dieſe Geſetze gar nicht gebun-
den halten, ſondern allenthalben in ſchoͤnem Latein
ausruffen: Caeſar non eſt ſuper Grammaticos, und das
Volk, das in allen Laͤndern uͤber die Sprachen entſchei-
det, wuͤrde immer fortfahren, ſagen und geben aus-
zuſprechen. Die Franzoſen haben durch ihre Aus-
ſprache viele Worte ſanfter gemacht, die ſonſt das Ohr
beleidigten, und die den Kaiſer Julian veranlaßten,
zu ſagen: Daß die Gallier, wie die Kraͤhen kraͤchzten.
Worte der Art, wie man ſie ſonſt ausſprach, ſind,
cro-jo-yent, voi-yai-yent. Itzt ſagt man croyent,
voyent
. Wenn dieſe Worte ſchon nicht dem Ohr
ſchmeicheln, ſo ſind ſie doch nicht ſo unangenehm mehr.
Mit gewiſſen Worten, duͤnkt mich, koͤnnten wir eben

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[29/0035] kale ſchmeicheln dem Ohr, aber zu viele Conſonanten hintereinander beleidigen es, weil ſie ſchwer auszuſpre- chen ſind, und gar keinen Wohlklang haben. Auch haben wir unter unſern Huͤlfs- und Zeitwoͤrtern viele, deren letzte Sylben faſt gar nicht gehoͤrt werden, und dadurch ſehr unangenehm ſind, als ſagen, geben, neh- men. Man darf dieſen Worten nur noch am Ende ein a hinzuſetzen, und ſie in ſagena, gebena, nehme- na verwandeln, ſo werden ſie unſerm Ohre gefallen. Aber ich weiß ſehr wohl, wenn auch der Kaiſer ſelbſt mit ſeinen acht Churfuͤrſten auf einem feyerlichen Reichstage durch ein Geſetz dieſe Ausſprache anbefoͤh- le; ſo wuͤrden doch die eifrigen Verehrer des aͤchten alten Deutſchen ſich an dieſe Geſetze gar nicht gebun- den halten, ſondern allenthalben in ſchoͤnem Latein ausruffen: Caeſar non eſt ſuper Grammaticos, und das Volk, das in allen Laͤndern uͤber die Sprachen entſchei- det, wuͤrde immer fortfahren, ſagen und geben aus- zuſprechen. Die Franzoſen haben durch ihre Aus- ſprache viele Worte ſanfter gemacht, die ſonſt das Ohr beleidigten, und die den Kaiſer Julian veranlaßten, zu ſagen: Daß die Gallier, wie die Kraͤhen kraͤchzten. Worte der Art, wie man ſie ſonſt ausſprach, ſind, cro-jo-yent, voi-yai-yent. Itzt ſagt man croyent, voyent. Wenn dieſe Worte ſchon nicht dem Ohr ſchmeicheln, ſo ſind ſie doch nicht ſo unangenehm mehr. Mit gewiſſen Worten, duͤnkt mich, koͤnnten wir eben ſo

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Zitationshilfe: Friedrich II., König von Preußen: Über die deutsche Literatur. Übers. v. Christian Konrad Wilhelm Dohm. Berlin, 1780, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/friedrich_literatur_1780/35>, abgerufen am 19.04.2024.