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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.

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Umstände auf die Bildung etc.
nes Volks nennt, ist der Inbegriff der Werke,
die es in seiner eigenen Sprache besizt: und die
Gestalt derselben hängt theils von dem Eigen-
thümlichen in dem Geiste der Nation, theils von
den besondern Umständen ab, durch welche die-
ser Geist seine Richtung gegen gewisse Gegenstän-
de, und mehr Hülfsmittel zu der einen als zu
der andern Gattung erhalten. Das Eigen-
thümliche in dem Geiste der Nation selbst ist aus-
nehmend verborgen; es ist schwer, das Gemein-
schaftliche in der Denkungsart eines Volks aus
einer so unendlichen Menge von einzelnen Ver-
schiedenheiten herauszubringen: und da man
nur immer eine sehr kleine Anzahl von Fällen
vor sich hat, so kann man fast nie einen allge-
meinen Schluß machen, der nicht durch gegen-
seitige Beyspiele wankend würde. Die beson-
dern Umstände aber, unter welchen die Aufklä-
rung eines Volks sich angefangen, liegen mehr
vor Augen, und lassen sich mehr außer Streit
setzen: oder wann auch hier eine so vielfältige
Verbindung mannichfach wirkender Ursachen statt

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Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc.
nes Volks nennt, iſt der Inbegriff der Werke,
die es in ſeiner eigenen Sprache beſizt: und die
Geſtalt derſelben haͤngt theils von dem Eigen-
thuͤmlichen in dem Geiſte der Nation, theils von
den beſondern Umſtaͤnden ab, durch welche die-
ſer Geiſt ſeine Richtung gegen gewiſſe Gegenſtaͤn-
de, und mehr Huͤlfsmittel zu der einen als zu
der andern Gattung erhalten. Das Eigen-
thuͤmliche in dem Geiſte der Nation ſelbſt iſt aus-
nehmend verborgen; es iſt ſchwer, das Gemein-
ſchaftliche in der Denkungsart eines Volks aus
einer ſo unendlichen Menge von einzelnen Ver-
ſchiedenheiten herauszubringen: und da man
nur immer eine ſehr kleine Anzahl von Faͤllen
vor ſich hat, ſo kann man faſt nie einen allge-
meinen Schluß machen, der nicht durch gegen-
ſeitige Beyſpiele wankend wuͤrde. Die beſon-
dern Umſtaͤnde aber, unter welchen die Aufklaͤ-
rung eines Volks ſich angefangen, liegen mehr
vor Augen, und laſſen ſich mehr außer Streit
ſetzen: oder wann auch hier eine ſo vielfaͤltige
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[441/0447] Umſtaͤnde auf die Bildung ꝛc. nes Volks nennt, iſt der Inbegriff der Werke, die es in ſeiner eigenen Sprache beſizt: und die Geſtalt derſelben haͤngt theils von dem Eigen- thuͤmlichen in dem Geiſte der Nation, theils von den beſondern Umſtaͤnden ab, durch welche die- ſer Geiſt ſeine Richtung gegen gewiſſe Gegenſtaͤn- de, und mehr Huͤlfsmittel zu der einen als zu der andern Gattung erhalten. Das Eigen- thuͤmliche in dem Geiſte der Nation ſelbſt iſt aus- nehmend verborgen; es iſt ſchwer, das Gemein- ſchaftliche in der Denkungsart eines Volks aus einer ſo unendlichen Menge von einzelnen Ver- ſchiedenheiten herauszubringen: und da man nur immer eine ſehr kleine Anzahl von Faͤllen vor ſich hat, ſo kann man faſt nie einen allge- meinen Schluß machen, der nicht durch gegen- ſeitige Beyſpiele wankend wuͤrde. Die beſon- dern Umſtaͤnde aber, unter welchen die Aufklaͤ- rung eines Volks ſich angefangen, liegen mehr vor Augen, und laſſen ſich mehr außer Streit ſetzen: oder wann auch hier eine ſo vielfaͤltige Verbindung mannichfach wirkender Urſachen ſtatt E e 5

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Zitationshilfe: Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/447>, abgerufen am 25.04.2024.