Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


auf der andern Seite ziemlich gleichviel beträgt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichförmige, d. i. eine kreisähnliche Krümmung der Erdfläche nach der Richtung von Süden gegen Norden an. Und da man dieselbe Erscheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Süden gegen Norden reisen kan, in Europa sowohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Größe bemerkt, so folgt, daß sich rings um die Erdfläche gleich große Kreise in der erwähnten Richtung ziehen lassen.

Daß aber die Erdfläche auch nach der Richtung von Osten gegen Westen, welche auf der vorigen senkrecht stehet, rund sey, erhellet daraus, weil alle Himmelskörper bey ihrem scheinbaren täglichen Umlaufe um die Erde den ostwärts liegenden Ländern früher auf- und untergehen, als den westwärts gelegnen. Man bemerkt dieses sehr deutlich bey solchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke erscheinen müssen, dergleichen die Verfinsterungen des Mondes und der Jupiterstrabanten sind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfinsterniß Rußland eine spätere Tagesstunde, als Deutschland, Deutschland eine spätere, als England u. s. w. zählen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tagesstunden in Rußland früher als in Deutschland u. s. w. eingetreten sey, mithin die Sonne bey ihrem täglichen Umlaufe Rußland früher, als Deutschland und England beschienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine völlig gleichförmige Art erfolget, so läßt sich schließen, daß denen von Osten nach Westen gehenden Tagekreisen der Gestirne ähnlich liegende Kreise auf der Oberfläche der Erde correspondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen gänzlich vollendet.

Hiezu kömmt, daß den Reisenden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Masten der Schiffe eher sichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf dieselben stehen -- eine Erscheinung, welche auf einer ebnen Fläche unmöglich wäre, auf welcher sich entlegne


auf der andern Seite ziemlich gleichviel betraͤgt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichfoͤrmige, d. i. eine kreisaͤhnliche Kruͤmmung der Erdflaͤche nach der Richtung von Suͤden gegen Norden an. Und da man dieſelbe Erſcheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Suͤden gegen Norden reiſen kan, in Europa ſowohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Groͤße bemerkt, ſo folgt, daß ſich rings um die Erdflaͤche gleich große Kreiſe in der erwaͤhnten Richtung ziehen laſſen.

Daß aber die Erdflaͤche auch nach der Richtung von Oſten gegen Weſten, welche auf der vorigen ſenkrecht ſtehet, rund ſey, erhellet daraus, weil alle Himmelskoͤrper bey ihrem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe um die Erde den oſtwaͤrts liegenden Laͤndern fruͤher auf- und untergehen, als den weſtwaͤrts gelegnen. Man bemerkt dieſes ſehr deutlich bey ſolchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke erſcheinen muͤſſen, dergleichen die Verfinſterungen des Mondes und der Jupiterstrabanten ſind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfinſterniß Rußland eine ſpaͤtere Tagesſtunde, als Deutſchland, Deutſchland eine ſpaͤtere, als England u. ſ. w. zaͤhlen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tagesſtunden in Rußland fruͤher als in Deutſchland u. ſ. w. eingetreten ſey, mithin die Sonne bey ihrem taͤglichen Umlaufe Rußland fruͤher, als Deutſchland und England beſchienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine voͤllig gleichfoͤrmige Art erfolget, ſo laͤßt ſich ſchließen, daß denen von Oſten nach Weſten gehenden Tagekreiſen der Geſtirne aͤhnlich liegende Kreiſe auf der Oberflaͤche der Erde correſpondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen gaͤnzlich vollendet.

Hiezu koͤmmt, daß den Reiſenden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Maſten der Schiffe eher ſichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf dieſelben ſtehen — eine Erſcheinung, welche auf einer ebnen Flaͤche unmoͤglich waͤre, auf welcher ſich entlegne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0022" xml:id="P.2.16" n="16"/><lb/>
auf der andern Seite ziemlich gleichviel betra&#x0364;gt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichfo&#x0364;rmige, d. i. eine kreisa&#x0364;hnliche Kru&#x0364;mmung der Erdfla&#x0364;che nach der Richtung von Su&#x0364;den gegen Norden an. Und da man die&#x017F;elbe Er&#x017F;cheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Su&#x0364;den gegen Norden rei&#x017F;en kan, in Europa &#x017F;owohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Gro&#x0364;ße bemerkt, &#x017F;o folgt, daß &#x017F;ich rings um die Erdfla&#x0364;che gleich große Krei&#x017F;e in der erwa&#x0364;hnten Richtung ziehen la&#x017F;&#x017F;en.</p>
            <p>Daß aber die Erdfla&#x0364;che auch nach der Richtung von O&#x017F;ten gegen We&#x017F;ten, welche auf der vorigen &#x017F;enkrecht &#x017F;tehet, rund &#x017F;ey, erhellet daraus, weil alle Himmelsko&#x0364;rper bey ihrem &#x017F;cheinbaren ta&#x0364;glichen Umlaufe um die Erde den o&#x017F;twa&#x0364;rts liegenden La&#x0364;ndern fru&#x0364;her auf- und untergehen, als den we&#x017F;twa&#x0364;rts gelegnen. Man bemerkt die&#x017F;es &#x017F;ehr deutlich bey &#x017F;olchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke er&#x017F;cheinen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, dergleichen die Verfin&#x017F;terungen des Mondes und der Jupiterstrabanten &#x017F;ind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfin&#x017F;terniß Rußland eine &#x017F;pa&#x0364;tere Tages&#x017F;tunde, als Deut&#x017F;chland, Deut&#x017F;chland eine &#x017F;pa&#x0364;tere, als England u. &#x017F;. w. za&#x0364;hlen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tages&#x017F;tunden in Rußland fru&#x0364;her als in Deut&#x017F;chland u. &#x017F;. w. eingetreten &#x017F;ey, mithin die Sonne bey ihrem ta&#x0364;glichen Umlaufe Rußland fru&#x0364;her, als Deut&#x017F;chland und England be&#x017F;chienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine vo&#x0364;llig gleichfo&#x0364;rmige Art erfolget, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich &#x017F;chließen, daß denen von O&#x017F;ten nach We&#x017F;ten gehenden Tagekrei&#x017F;en der Ge&#x017F;tirne a&#x0364;hnlich liegende Krei&#x017F;e auf der Oberfla&#x0364;che der Erde corre&#x017F;pondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen ga&#x0364;nzlich vollendet.</p>
            <p>Hiezu ko&#x0364;mmt, daß den Rei&#x017F;enden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Ma&#x017F;ten der Schiffe eher &#x017F;ichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf die&#x017F;elben &#x017F;tehen &#x2014; eine Er&#x017F;cheinung, welche auf einer ebnen Fla&#x0364;che unmo&#x0364;glich wa&#x0364;re, auf welcher &#x017F;ich entlegne<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0022] auf der andern Seite ziemlich gleichviel betraͤgt, wenn man um gleichviel weiter gegen Norden geht; dies zeigt eine ziemlich gleichfoͤrmige, d. i. eine kreisaͤhnliche Kruͤmmung der Erdflaͤche nach der Richtung von Suͤden gegen Norden an. Und da man dieſelbe Erſcheinung in allen Gegenden der Erde, in welchen man von Suͤden gegen Norden reiſen kan, in Europa ſowohl, als in Amerika und auf dem Weltmeere mit gleicher Groͤße bemerkt, ſo folgt, daß ſich rings um die Erdflaͤche gleich große Kreiſe in der erwaͤhnten Richtung ziehen laſſen. Daß aber die Erdflaͤche auch nach der Richtung von Oſten gegen Weſten, welche auf der vorigen ſenkrecht ſtehet, rund ſey, erhellet daraus, weil alle Himmelskoͤrper bey ihrem ſcheinbaren taͤglichen Umlaufe um die Erde den oſtwaͤrts liegenden Laͤndern fruͤher auf- und untergehen, als den weſtwaͤrts gelegnen. Man bemerkt dieſes ſehr deutlich bey ſolchen Himmelsbegebenheiten, welche allen Bewohnern der Erde zugleich in einerley Augenblicke erſcheinen muͤſſen, dergleichen die Verfinſterungen des Mondes und der Jupiterstrabanten ſind. So wird z. B. bey dem Anfange einer Mondfinſterniß Rußland eine ſpaͤtere Tagesſtunde, als Deutſchland, Deutſchland eine ſpaͤtere, als England u. ſ. w. zaͤhlen, ein Beweis, daß der Mittag, als der Anfang der Tagesſtunden in Rußland fruͤher als in Deutſchland u. ſ. w. eingetreten ſey, mithin die Sonne bey ihrem taͤglichen Umlaufe Rußland fruͤher, als Deutſchland und England beſchienen habe. Und da dies rings um die ganze Erde auf eine voͤllig gleichfoͤrmige Art erfolget, ſo laͤßt ſich ſchließen, daß denen von Oſten nach Weſten gehenden Tagekreiſen der Geſtirne aͤhnlich liegende Kreiſe auf der Oberflaͤche der Erde correſpondiren, welches die Ueberzeugung von der Rundung der Erde nach allen Richtungen gaͤnzlich vollendet. Hiezu koͤmmt, daß den Reiſenden, und vornehmlich den Seefahrern, die Spitzen der Berge und die Maſten der Schiffe eher ſichtbar werden, als der Fuß oder Grund, worauf dieſelben ſtehen — eine Erſcheinung, welche auf einer ebnen Flaͤche unmoͤglich waͤre, auf welcher ſich entlegne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/22
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/22>, abgerufen am 03.10.2024.