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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Nachbarschaft von Vulkanen oder heißen Quellen und nicht weit vom Meere liegen, den Erdbeben ausgesetzt gewesen. So hat man schon bey den Alten geglaubt, daß Sicilien von dem festen Lande durch eine Erderschütterung abgetrennt worden sey. Die Städte Herculanum und Pompeji wurden nach dem Seneca (Quaest. nat. VI. 1.) unter Nerons Regierung fast gänzlich durch ein Erdbeben zerstört, sechszehn Jahre darauf aber durch einen Ausbruch des Vesuvs unter vulkanische Asche begraben. In Sicilien hat man nach einem chronoligischen Verzeichnisse, welches Hr. Lichtenberg (Magazin für das Neuste aus der Physik und Naturgesch. II. B. 2. St. S. 109.) mittheilt, seit dem Jahre 1169 fast eben so viel Erdbeben, als Ausbrüche des Aetna gezählet. Die äolischen oder liparischen Inseln, welche nach den Berichten der Alten durch Erdbeben aus dem Meere hervorgegangen sind, zeigen noch jetzt die deutlichsten Spuren von Vulkanen und vulkanischen Produkten. Fast in allen Ländern, welche häufige Erderschütterungen erlitten haben, sindet man auch deutliche Spuren ehemaliger Vulkane, z. B. in Peru, den mittäglichen Provinzen Frankreichs u. s. w. Sehr oft sind auch die Bewegungen der feuerspeyenden Berge mit Erderschütterungen begleitet, welche bey dem völligen Ausbruche aufhören, so daß man an dem augenscheinlichen Zusammenhange der Erdbeben mit den Vulkanen keinesweges zweifeln kan.

Die fürchterlichsten Erdbeben der neuern Zeiten sind die von den Jahren 1746, 1755, 1774 und 1783 gewesen. Das erstere verwüstete Callao, und die Stadt Lima, welche schon seit dem 15ten Jahrhunderte häufigen Anfällen des Erdbebens ausgesetzt gewesen war. Am ersten November 1755 ward Lissabon durch ein schreckliches Erdbeben zerstört, welches man zu gleicher Zeit auf einem sehr großen Theile der Erdfläche von Grönland an bis nach Afrika empfand. In Norwegen, Schweden, Deutschland, der Schweitz, und mehrern Orten bemerkte man es zwar nur an den ungewöhnlichen Bewegungen des Wassers; aber verschiedene Orte in Frankreich, fast ganz Spanien, Marocco, Salee, Fez, Tetuan und Cadix wurden von ernsthaftern


Nachbarſchaft von Vulkanen oder heißen Quellen und nicht weit vom Meere liegen, den Erdbeben ausgeſetzt geweſen. So hat man ſchon bey den Alten geglaubt, daß Sicilien von dem feſten Lande durch eine Erderſchuͤtterung abgetrennt worden ſey. Die Staͤdte Herculanum und Pompeji wurden nach dem Seneca (Quaeſt. nat. VI. 1.) unter Nerons Regierung faſt gaͤnzlich durch ein Erdbeben zerſtoͤrt, ſechszehn Jahre darauf aber durch einen Ausbruch des Veſuvs unter vulkaniſche Aſche begraben. In Sicilien hat man nach einem chronoligiſchen Verzeichniſſe, welches Hr. Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik und Naturgeſch. II. B. 2. St. S. 109.) mittheilt, ſeit dem Jahre 1169 faſt eben ſo viel Erdbeben, als Ausbruͤche des Aetna gezaͤhlet. Die aͤoliſchen oder lipariſchen Inſeln, welche nach den Berichten der Alten durch Erdbeben aus dem Meere hervorgegangen ſind, zeigen noch jetzt die deutlichſten Spuren von Vulkanen und vulkaniſchen Produkten. Faſt in allen Laͤndern, welche haͤufige Erderſchuͤtterungen erlitten haben, ſindet man auch deutliche Spuren ehemaliger Vulkane, z. B. in Peru, den mittaͤglichen Provinzen Frankreichs u. ſ. w. Sehr oft ſind auch die Bewegungen der feuerſpeyenden Berge mit Erderſchuͤtterungen begleitet, welche bey dem voͤlligen Ausbruche aufhoͤren, ſo daß man an dem augenſcheinlichen Zuſammenhange der Erdbeben mit den Vulkanen keinesweges zweifeln kan.

Die fuͤrchterlichſten Erdbeben der neuern Zeiten ſind die von den Jahren 1746, 1755, 1774 und 1783 geweſen. Das erſtere verwuͤſtete Callao, und die Stadt Lima, welche ſchon ſeit dem 15ten Jahrhunderte haͤufigen Anfaͤllen des Erdbebens ausgeſetzt geweſen war. Am erſten November 1755 ward Liſſabon durch ein ſchreckliches Erdbeben zerſtoͤrt, welches man zu gleicher Zeit auf einem ſehr großen Theile der Erdflaͤche von Groͤnland an bis nach Afrika empfand. In Norwegen, Schweden, Deutſchland, der Schweitz, und mehrern Orten bemerkte man es zwar nur an den ungewoͤhnlichen Bewegungen des Waſſers; aber verſchiedene Orte in Frankreich, faſt ganz Spanien, Marocco, Salee, Fez, Tetuan und Cadix wurden von ernſthaftern

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[2/0008] Nachbarſchaft von Vulkanen oder heißen Quellen und nicht weit vom Meere liegen, den Erdbeben ausgeſetzt geweſen. So hat man ſchon bey den Alten geglaubt, daß Sicilien von dem feſten Lande durch eine Erderſchuͤtterung abgetrennt worden ſey. Die Staͤdte Herculanum und Pompeji wurden nach dem Seneca (Quaeſt. nat. VI. 1.) unter Nerons Regierung faſt gaͤnzlich durch ein Erdbeben zerſtoͤrt, ſechszehn Jahre darauf aber durch einen Ausbruch des Veſuvs unter vulkaniſche Aſche begraben. In Sicilien hat man nach einem chronoligiſchen Verzeichniſſe, welches Hr. Lichtenberg (Magazin fuͤr das Neuſte aus der Phyſik und Naturgeſch. II. B. 2. St. S. 109.) mittheilt, ſeit dem Jahre 1169 faſt eben ſo viel Erdbeben, als Ausbruͤche des Aetna gezaͤhlet. Die aͤoliſchen oder lipariſchen Inſeln, welche nach den Berichten der Alten durch Erdbeben aus dem Meere hervorgegangen ſind, zeigen noch jetzt die deutlichſten Spuren von Vulkanen und vulkaniſchen Produkten. Faſt in allen Laͤndern, welche haͤufige Erderſchuͤtterungen erlitten haben, ſindet man auch deutliche Spuren ehemaliger Vulkane, z. B. in Peru, den mittaͤglichen Provinzen Frankreichs u. ſ. w. Sehr oft ſind auch die Bewegungen der feuerſpeyenden Berge mit Erderſchuͤtterungen begleitet, welche bey dem voͤlligen Ausbruche aufhoͤren, ſo daß man an dem augenſcheinlichen Zuſammenhange der Erdbeben mit den Vulkanen keinesweges zweifeln kan. Die fuͤrchterlichſten Erdbeben der neuern Zeiten ſind die von den Jahren 1746, 1755, 1774 und 1783 geweſen. Das erſtere verwuͤſtete Callao, und die Stadt Lima, welche ſchon ſeit dem 15ten Jahrhunderte haͤufigen Anfaͤllen des Erdbebens ausgeſetzt geweſen war. Am erſten November 1755 ward Liſſabon durch ein ſchreckliches Erdbeben zerſtoͤrt, welches man zu gleicher Zeit auf einem ſehr großen Theile der Erdflaͤche von Groͤnland an bis nach Afrika empfand. In Norwegen, Schweden, Deutſchland, der Schweitz, und mehrern Orten bemerkte man es zwar nur an den ungewoͤhnlichen Bewegungen des Waſſers; aber verſchiedene Orte in Frankreich, faſt ganz Spanien, Marocco, Salee, Fez, Tetuan und Cadix wurden von ernſthaftern

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/8>, abgerufen am 29.03.2024.