Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

George, Stefan: Das Jahr der Seele. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Ich lehre dich den sanften reiz des zimmers
Empfinden und der trauten winkel raunen
Des feuers und des stummen lampen-flimmers
Du hast dafür das gleiche müde staunen
Aus deiner blässe fach ich keinen funken
Ich ziehe mich zurück zum beigemache
Und sinne schweigsam in das knie gesunken:
Ob jemals du erwachen wirst? erwache!
So oft ich zagend mich zum vorhang kehre
Du sitzest noch wie anfangs in gedanken
Dein auge hängt noch immer an der leere
Dein schatten kreuzt des teppichs selbe ranken
Was hindert dann noch dass ungeübte
Vertauenslose flehen mir entfliesse:
O gieb dass grosse mutter und betrübte
In dieser seele wieder trost entspriesse.

Noch zwingt mich treue über dir zu wachen
Und deines duldens schönheit dass ich weile
Mein heilig streben ist mich traurig machen
Damit ich wahrer deine trauer teile
Nie wird ein warmer anruf mich empfangen ·
Bis in die späten stunden unsres bundes
Muss ich erkennen mit ergebnem bangen
Das herbe schicksal winterlichen fundes.


2
Ich lehre dich den sanften reiz des zimmers
Empfinden und der trauten winkel raunen
Des feuers und des stummen lampen-flimmers
Du hast dafür das gleiche müde staunen
Aus deiner blässe fach ich keinen funken
Ich ziehe mich zurück zum beigemache
Und sinne schweigsam in das knie gesunken:
Ob jemals du erwachen wirst? erwache!
So oft ich zagend mich zum vorhang kehre
Du sitzest noch wie anfangs in gedanken
Dein auge hängt noch immer an der leere
Dein schatten kreuzt des teppichs selbe ranken
Was hindert dann noch dass ungeübte
Vertauenslose flehen mir entfliesse:
O gieb dass grosse mutter und betrübte
In dieser seele wieder trost entspriesse.

Noch zwingt mich treue über dir zu wachen
Und deines duldens schönheit dass ich weile
Mein heilig streben ist mich traurig machen
Damit ich wahrer deine trauer teile
Nie wird ein warmer anruf mich empfangen ·
Bis in die späten stunden unsres bundes
Muss ich erkennen mit ergebnem bangen
Das herbe schicksal winterlichen fundes.


2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0019"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#blue #in">I</hi>ch lehre dich den sanften reiz des zimmers</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">E</hi>mpfinden und der trauten winkel raunen</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">D</hi>es feuers und des stummen lampen-flimmers</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">D</hi>u hast dafür das gleiche müde staunen</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l><hi rendition="#blue">A</hi>us deiner blässe fach ich keinen funken</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">I</hi>ch ziehe mich zurück zum beigemache</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">U</hi>nd sinne schweigsam in das knie gesunken:</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">O</hi>b jemals du erwachen wirst? erwache!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l><hi rendition="#blue">S</hi>o oft ich zagend mich zum vorhang kehre</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">D</hi>u sitzest noch wie anfangs in gedanken</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">D</hi>ein auge hängt noch immer an der leere</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">D</hi>ein schatten kreuzt des teppichs selbe ranken</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l><hi rendition="#blue">W</hi>as hindert dann noch dass ungeübte</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">V</hi>ertauenslose flehen mir entfliesse:</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">O</hi> gieb dass grosse mutter und betrübte</l><lb/>
              <l><hi rendition="#red">I</hi>n dieser seele wieder trost entspriesse.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in #red">N</hi>och zwingt mich treue über dir zu wachen</l><lb/>
              <l><hi rendition="#blue">U</hi>nd deines duldens schönheit dass ich weile</l><lb/>
              <l><hi rendition="#blue">M</hi>ein heilig streben ist mich traurig machen</l><lb/>
              <l><hi rendition="#blue">D</hi>amit ich wahrer deine trauer teile</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l><hi rendition="#red">N</hi>ie wird ein warmer anruf mich empfangen ·</l><lb/>
              <l><hi rendition="#blue">B</hi>is in die späten stunden unsres bundes</l><lb/>
              <l><hi rendition="#blue">M</hi>uss ich erkennen mit ergebnem bangen</l><lb/>
              <l><hi rendition="#blue">D</hi>as herbe schicksal winterlichen fundes.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
          <fw place="bottom" type="sig">2</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] Ich lehre dich den sanften reiz des zimmers Empfinden und der trauten winkel raunen Des feuers und des stummen lampen-flimmers Du hast dafür das gleiche müde staunen Aus deiner blässe fach ich keinen funken Ich ziehe mich zurück zum beigemache Und sinne schweigsam in das knie gesunken: Ob jemals du erwachen wirst? erwache! So oft ich zagend mich zum vorhang kehre Du sitzest noch wie anfangs in gedanken Dein auge hängt noch immer an der leere Dein schatten kreuzt des teppichs selbe ranken Was hindert dann noch dass ungeübte Vertauenslose flehen mir entfliesse: O gieb dass grosse mutter und betrübte In dieser seele wieder trost entspriesse. Noch zwingt mich treue über dir zu wachen Und deines duldens schönheit dass ich weile Mein heilig streben ist mich traurig machen Damit ich wahrer deine trauer teile Nie wird ein warmer anruf mich empfangen · Bis in die späten stunden unsres bundes Muss ich erkennen mit ergebnem bangen Das herbe schicksal winterlichen fundes. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/george_seele_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/george_seele_1897/19
Zitationshilfe: George, Stefan: Das Jahr der Seele. Berlin, 1897, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/george_seele_1897/19>, abgerufen am 29.03.2024.