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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Vierter Abschnitt. Die Abwehr der Torpedos.
gegriffene kann dem Angriffe ausweichen und selbst zum Angriffe und
zur Verfolgung übergehen.

Dagegen muß er seine Aufmerksamkeit auch auf Alles lenken,
was mit der Navigirung zusammenhängt, und das Schießen mit
Geschützen ist ebenfalls weniger aussichtsvoll vom fahrenden als vom
stillliegenden Schiffe aus.

Das Hauptabwehrmittel aber ist das soeben schon genannte
Schießen, und hier sind es wieder die Schnellladegeschütze und Ma-
schinengewehre, welche, aktiv gehandhabt, der Torpedoboote schlimmste
Feinde sind.

War man bis vor Einführung der Schnellladekanonen noch hier
und da der Hoffnung, die See den großen Schiffen mit Hülfe der
Torpedofahrzeuge streitig machen zu können, so haben die Schnell-
ladegeschütze und Maschinengewehre diese Hoffnung in Wirklichkeit
wohl schon zu Grabe getragen, wennschon Torpedofanatiker hiervon
sich auch jetzt noch nicht überzeugen lassen wollen.

Es soll hiermit aber nicht etwa gesagt sein, daß nunmehr die
Torpedofahrzeuge überflüssig geworden seien. Mit nichten! Denn
Schießen bedeutet noch lange nicht Treffen und Treffen noch keines-
wegs Vernichten. Zu Anfang des neunten Kapitels war gesagt
worden, wie aufreibend das Bewußtsein wäre, feindliche Torpedo-
boote in der Nähe zu wissen. Bei jedem Wetter mit einfacher Ab-
lösung, d. h. Wache um Wache allnächtlich bei den geladenen Ge-
schützen zu liegen, in steter, oft von falschem Alarm unterbrochener
Erwartung zu sein, mag in nicht allzulanger Zeit selbst den stärksten
Mann entweder abstumpfen oder nervös machen. Im Kampfe
zwischen Schnellladegeschütz und Torpedo kann wohl der Zähere,
Ausdauerndere den Sieg davontragen.

Torpedoboote werden die beste Gelegenheit abwarten, sie können
und sollen ihre Zeit wählen. Das kann der Schnellladekanonier
nicht. Nun denke man an eine dunkle Nacht, an Kälte, Nebel, Regen,
an überstäubendes Wasser, an eine phosphoreszirende See ....
Da jagt ein dunkles Etwas herbei, von dem man annehmen kann,
daß es das Unheil birgt, dort noch eines, ein drittes, viertes, die
Scheinwerfer werden in Thätigkeit gesetzt, plötzlich ist ein Boot grell
beleuchtet ....; ist es schwer, das schnelle Ding im Lichtkegel zu
halten, so ist es noch schwerer, das Ziel ruhig zu fassen, ihm ruhig

Vierter Abſchnitt. Die Abwehr der Torpedos.
gegriffene kann dem Angriffe ausweichen und ſelbſt zum Angriffe und
zur Verfolgung übergehen.

Dagegen muß er ſeine Aufmerkſamkeit auch auf Alles lenken,
was mit der Navigirung zuſammenhängt, und das Schießen mit
Geſchützen iſt ebenfalls weniger ausſichtsvoll vom fahrenden als vom
ſtillliegenden Schiffe aus.

Das Hauptabwehrmittel aber iſt das ſoeben ſchon genannte
Schießen, und hier ſind es wieder die Schnellladegeſchütze und Ma-
ſchinengewehre, welche, aktiv gehandhabt, der Torpedoboote ſchlimmſte
Feinde ſind.

War man bis vor Einführung der Schnellladekanonen noch hier
und da der Hoffnung, die See den großen Schiffen mit Hülfe der
Torpedofahrzeuge ſtreitig machen zu können, ſo haben die Schnell-
ladegeſchütze und Maſchinengewehre dieſe Hoffnung in Wirklichkeit
wohl ſchon zu Grabe getragen, wennſchon Torpedofanatiker hiervon
ſich auch jetzt noch nicht überzeugen laſſen wollen.

Es ſoll hiermit aber nicht etwa geſagt ſein, daß nunmehr die
Torpedofahrzeuge überflüſſig geworden ſeien. Mit nichten! Denn
Schießen bedeutet noch lange nicht Treffen und Treffen noch keines-
wegs Vernichten. Zu Anfang des neunten Kapitels war geſagt
worden, wie aufreibend das Bewußtſein wäre, feindliche Torpedo-
boote in der Nähe zu wiſſen. Bei jedem Wetter mit einfacher Ab-
löſung, d. h. Wache um Wache allnächtlich bei den geladenen Ge-
ſchützen zu liegen, in ſteter, oft von falſchem Alarm unterbrochener
Erwartung zu ſein, mag in nicht allzulanger Zeit ſelbſt den ſtärkſten
Mann entweder abſtumpfen oder nervös machen. Im Kampfe
zwiſchen Schnellladegeſchütz und Torpedo kann wohl der Zähere,
Ausdauerndere den Sieg davontragen.

Torpedoboote werden die beſte Gelegenheit abwarten, ſie können
und ſollen ihre Zeit wählen. Das kann der Schnellladekanonier
nicht. Nun denke man an eine dunkle Nacht, an Kälte, Nebel, Regen,
an überſtäubendes Waſſer, an eine phosphoreszirende See ....
Da jagt ein dunkles Etwas herbei, von dem man annehmen kann,
daß es das Unheil birgt, dort noch eines, ein drittes, viertes, die
Scheinwerfer werden in Thätigkeit geſetzt, plötzlich iſt ein Boot grell
beleuchtet ....; iſt es ſchwer, das ſchnelle Ding im Lichtkegel zu
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[86/0106] Vierter Abſchnitt. Die Abwehr der Torpedos. gegriffene kann dem Angriffe ausweichen und ſelbſt zum Angriffe und zur Verfolgung übergehen. Dagegen muß er ſeine Aufmerkſamkeit auch auf Alles lenken, was mit der Navigirung zuſammenhängt, und das Schießen mit Geſchützen iſt ebenfalls weniger ausſichtsvoll vom fahrenden als vom ſtillliegenden Schiffe aus. Das Hauptabwehrmittel aber iſt das ſoeben ſchon genannte Schießen, und hier ſind es wieder die Schnellladegeſchütze und Ma- ſchinengewehre, welche, aktiv gehandhabt, der Torpedoboote ſchlimmſte Feinde ſind. War man bis vor Einführung der Schnellladekanonen noch hier und da der Hoffnung, die See den großen Schiffen mit Hülfe der Torpedofahrzeuge ſtreitig machen zu können, ſo haben die Schnell- ladegeſchütze und Maſchinengewehre dieſe Hoffnung in Wirklichkeit wohl ſchon zu Grabe getragen, wennſchon Torpedofanatiker hiervon ſich auch jetzt noch nicht überzeugen laſſen wollen. Es ſoll hiermit aber nicht etwa geſagt ſein, daß nunmehr die Torpedofahrzeuge überflüſſig geworden ſeien. Mit nichten! Denn Schießen bedeutet noch lange nicht Treffen und Treffen noch keines- wegs Vernichten. Zu Anfang des neunten Kapitels war geſagt worden, wie aufreibend das Bewußtſein wäre, feindliche Torpedo- boote in der Nähe zu wiſſen. Bei jedem Wetter mit einfacher Ab- löſung, d. h. Wache um Wache allnächtlich bei den geladenen Ge- ſchützen zu liegen, in ſteter, oft von falſchem Alarm unterbrochener Erwartung zu ſein, mag in nicht allzulanger Zeit ſelbſt den ſtärkſten Mann entweder abſtumpfen oder nervös machen. Im Kampfe zwiſchen Schnellladegeſchütz und Torpedo kann wohl der Zähere, Ausdauerndere den Sieg davontragen. Torpedoboote werden die beſte Gelegenheit abwarten, ſie können und ſollen ihre Zeit wählen. Das kann der Schnellladekanonier nicht. Nun denke man an eine dunkle Nacht, an Kälte, Nebel, Regen, an überſtäubendes Waſſer, an eine phosphoreszirende See .... Da jagt ein dunkles Etwas herbei, von dem man annehmen kann, daß es das Unheil birgt, dort noch eines, ein drittes, viertes, die Scheinwerfer werden in Thätigkeit geſetzt, plötzlich iſt ein Boot grell beleuchtet ....; iſt es ſchwer, das ſchnelle Ding im Lichtkegel zu halten, ſo iſt es noch ſchwerer, das Ziel ruhig zu faſſen, ihm ruhig

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/106>, abgerufen am 29.03.2024.