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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Zweiter Abschnitt. Die verschiedenen, jetzt gebräuchlichen Torpedos.
empfindlich bemerkbar, und ist deshalb der Torpedo mit einem Auf-
richteapparat versehen. Derselbe besteht aus einem Pendel, das in
der Querrichtung des Torpedos schwingt und ein Paar Vertikalruder
in Bewegung setzt. Dieser Apparat aber erhöht die Einfachheit der
Gesammtkonstruktion keineswegs, und da auch der Whiteheadtorpedo
neuerdings seine Vertikalsteuerung erhält, verblassen die Vorzüge des
amerikanischen Konkurrenten, zumal sein Tiefenlauf zu wünschen läßt,
mehr und mehr.

Aber selbst eine größere Einfachheit und einen besseren Gradlauf
zugegeben, so hat der Howelltorpedo doch dem Whiteheadtorpedo
gegenüber solche Nachtheile, daß ein Verdrängen des letzteren vor-
läufig noch nicht zu erwarten ist.

In erster Linie hat der Howelltorpedo die Geschwindigkeit des
Whiteheadtorpedos noch nicht erreicht. Bei der stets wachsenden
Geschwindigkeit der Schiffe ist aber die größtmögliche Geschwindigkeit
des Torpedos die erste und wichtigste Anforderung an die Waffe.

Demnächst ist es die Gefechtsbereitschaft, in der der Whitehead-
torpedo dem Howelltorpedo überlegen ist. Der einmal aufgepumpte
Luftkessel des Whiteheadtorpedos ist, wenn auch nicht für längere Zeit,
so doch jedenfalls für die Dauer eines Gefechtes verwendungsbereit.

Beim Howelltorpedo muß die Antriebsmaschine dauernd in Gang
gehalten werden. Zwar sind in dieser Beziehung schon derartige
Verbesserungen eingeführt, daß der Nachtheil nicht besonders groß ist.
So soll man das Schwungrad eine volle Stunde lang in vollem
Gange, also auf 160 Umdrehungen pro Sekunde, halten können,
ohne daß ein Oelen oder Nachsehen nothwendig wird; man soll zum
Erreichen der Maximalumdrehungszahl aus Ruhe nur der Zeit von
45 Sekunden bedürfen u. A. m.; indessen erhellt hieraus, daß, wenn
auch die Konstruktion der Torpedos einfacher sein mag, die Ausstoß-
rohre und das Bedienen der Waffe im Gefecht verwickelter sind.

Sehr wenig Aussicht aber hat der Howelltorpedo, jemals aus
Unterwasserrohren lanzirt werden zu können; denn wenn auch die Aus-
führung keineswegs unmöglich erscheint, so würde die Konstruktion
der Ausstoßrohre doch so komplizirt werden, daß der Vortheil der
Einfachheit gänzlich schwinden müßte.

Es sind dies nicht alle Umstände, welche für oder gegen den
Howelltorpedo sprechen. Ein weiteres Eingehen möge aber unter-

Zweiter Abſchnitt. Die verſchiedenen, jetzt gebräuchlichen Torpedos.
empfindlich bemerkbar, und iſt deshalb der Torpedo mit einem Auf-
richteapparat verſehen. Derſelbe beſteht aus einem Pendel, das in
der Querrichtung des Torpedos ſchwingt und ein Paar Vertikalruder
in Bewegung ſetzt. Dieſer Apparat aber erhöht die Einfachheit der
Geſammtkonſtruktion keineswegs, und da auch der Whiteheadtorpedo
neuerdings ſeine Vertikalſteuerung erhält, verblaſſen die Vorzüge des
amerikaniſchen Konkurrenten, zumal ſein Tiefenlauf zu wünſchen läßt,
mehr und mehr.

Aber ſelbſt eine größere Einfachheit und einen beſſeren Gradlauf
zugegeben, ſo hat der Howelltorpedo doch dem Whiteheadtorpedo
gegenüber ſolche Nachtheile, daß ein Verdrängen des letzteren vor-
läufig noch nicht zu erwarten iſt.

In erſter Linie hat der Howelltorpedo die Geſchwindigkeit des
Whiteheadtorpedos noch nicht erreicht. Bei der ſtets wachſenden
Geſchwindigkeit der Schiffe iſt aber die größtmögliche Geſchwindigkeit
des Torpedos die erſte und wichtigſte Anforderung an die Waffe.

Demnächſt iſt es die Gefechtsbereitſchaft, in der der Whitehead-
torpedo dem Howelltorpedo überlegen iſt. Der einmal aufgepumpte
Luftkeſſel des Whiteheadtorpedos iſt, wenn auch nicht für längere Zeit,
ſo doch jedenfalls für die Dauer eines Gefechtes verwendungsbereit.

Beim Howelltorpedo muß die Antriebsmaſchine dauernd in Gang
gehalten werden. Zwar ſind in dieſer Beziehung ſchon derartige
Verbeſſerungen eingeführt, daß der Nachtheil nicht beſonders groß iſt.
So ſoll man das Schwungrad eine volle Stunde lang in vollem
Gange, alſo auf 160 Umdrehungen pro Sekunde, halten können,
ohne daß ein Oelen oder Nachſehen nothwendig wird; man ſoll zum
Erreichen der Maximalumdrehungszahl aus Ruhe nur der Zeit von
45 Sekunden bedürfen u. A. m.; indeſſen erhellt hieraus, daß, wenn
auch die Konſtruktion der Torpedos einfacher ſein mag, die Ausſtoß-
rohre und das Bedienen der Waffe im Gefecht verwickelter ſind.

Sehr wenig Ausſicht aber hat der Howelltorpedo, jemals aus
Unterwaſſerrohren lanzirt werden zu können; denn wenn auch die Aus-
führung keineswegs unmöglich erſcheint, ſo würde die Konſtruktion
der Ausſtoßrohre doch ſo komplizirt werden, daß der Vortheil der
Einfachheit gänzlich ſchwinden müßte.

Es ſind dies nicht alle Umſtände, welche für oder gegen den
Howelltorpedo ſprechen. Ein weiteres Eingehen möge aber unter-

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[58/0072] Zweiter Abſchnitt. Die verſchiedenen, jetzt gebräuchlichen Torpedos. empfindlich bemerkbar, und iſt deshalb der Torpedo mit einem Auf- richteapparat verſehen. Derſelbe beſteht aus einem Pendel, das in der Querrichtung des Torpedos ſchwingt und ein Paar Vertikalruder in Bewegung ſetzt. Dieſer Apparat aber erhöht die Einfachheit der Geſammtkonſtruktion keineswegs, und da auch der Whiteheadtorpedo neuerdings ſeine Vertikalſteuerung erhält, verblaſſen die Vorzüge des amerikaniſchen Konkurrenten, zumal ſein Tiefenlauf zu wünſchen läßt, mehr und mehr. Aber ſelbſt eine größere Einfachheit und einen beſſeren Gradlauf zugegeben, ſo hat der Howelltorpedo doch dem Whiteheadtorpedo gegenüber ſolche Nachtheile, daß ein Verdrängen des letzteren vor- läufig noch nicht zu erwarten iſt. In erſter Linie hat der Howelltorpedo die Geſchwindigkeit des Whiteheadtorpedos noch nicht erreicht. Bei der ſtets wachſenden Geſchwindigkeit der Schiffe iſt aber die größtmögliche Geſchwindigkeit des Torpedos die erſte und wichtigſte Anforderung an die Waffe. Demnächſt iſt es die Gefechtsbereitſchaft, in der der Whitehead- torpedo dem Howelltorpedo überlegen iſt. Der einmal aufgepumpte Luftkeſſel des Whiteheadtorpedos iſt, wenn auch nicht für längere Zeit, ſo doch jedenfalls für die Dauer eines Gefechtes verwendungsbereit. Beim Howelltorpedo muß die Antriebsmaſchine dauernd in Gang gehalten werden. Zwar ſind in dieſer Beziehung ſchon derartige Verbeſſerungen eingeführt, daß der Nachtheil nicht beſonders groß iſt. So ſoll man das Schwungrad eine volle Stunde lang in vollem Gange, alſo auf 160 Umdrehungen pro Sekunde, halten können, ohne daß ein Oelen oder Nachſehen nothwendig wird; man ſoll zum Erreichen der Maximalumdrehungszahl aus Ruhe nur der Zeit von 45 Sekunden bedürfen u. A. m.; indeſſen erhellt hieraus, daß, wenn auch die Konſtruktion der Torpedos einfacher ſein mag, die Ausſtoß- rohre und das Bedienen der Waffe im Gefecht verwickelter ſind. Sehr wenig Ausſicht aber hat der Howelltorpedo, jemals aus Unterwaſſerrohren lanzirt werden zu können; denn wenn auch die Aus- führung keineswegs unmöglich erſcheint, ſo würde die Konſtruktion der Ausſtoßrohre doch ſo komplizirt werden, daß der Vortheil der Einfachheit gänzlich ſchwinden müßte. Es ſind dies nicht alle Umſtände, welche für oder gegen den Howelltorpedo ſprechen. Ein weiteres Eingehen möge aber unter-

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/72>, abgerufen am 25.04.2024.