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Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898.

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Dritter Abschnitt. Die Verwendung der Torpedos.

Von den Anhängern dieser Ansicht aber -- und das war da-
mals die Mehrzahl der Seeoffiziere -- mußte der Torpedo mit größter
Freude begrüßt werden, denn nun hatte man ja ein Mittel, um im
Nahkampfe den Erfolg schnell erringen zu können.

So wurden denn selbst Schiffe von ehrwürdigstem Alter und
altväterischer Konstruktion mit Torpedogeschützen ausgerüstet. Der
Gedanke hat auch seine Berechtigung. Denn wenn namentlich die
kleinen Marinen meinten, mit Hülfe der Torpedos die größten Flotten
vernichten zu können, so kam es nur darauf an, an den Feind heran-
zukommen, und dazu waren allenfalls auch alte Schiffe zu gebrauchen.

Die Schnellladeartillerie und die erhöhte Geschwindigkeit der
Schiffe haben mit diesen Ansichten aufgeräumt.

Trotzdem ist der Torpedo als Schiffsarmirung nicht verdrängt
worden. Der Bugtorpedo erspart den Rammstoß, welcher in seiner
Anlage, Ausführung und in seinen Folgen auch für das eigene Schiff
ein gefährliches Unternehmen ist und bleibt, und die Breitseittorpedos
sind und bleiben eine vorzügliche Gelegenheitswaffe.

Schon am Ende des dritten Kapitels war gesagt worden, daß
die Chinesen vor der Schlacht am Yalu ihre Torpedos geborgen
hätten. Der Gedanke, daß ein Torpedo durch einen Treffer zur
Explosion gebracht werden könne und damit die Wirkung einer feind-
lichen Granate bis ins Ungeheure steigere, ist verblüffend. In Wirk-
lichkeit verhält es sich damit nicht so schlimm, wie es scheint. Zunächst
würde eine Explosion nur dann erfolgen, wenn die Pistole getroffen
würde, denn die nasse Schießwolle des Kopfes explodirt nicht infolge
des Treffens von Geschossen; dann brauchte man die Pistolen erst
kurz vor dem Lanziren einzusetzen. Möglich, aber nicht unbedingte
Nothwendigkeit ist auch eine Explosion des Luftkessels infolge unglück-
licher Treffer. Bedenkt man aber, daß dieses nur die Folge einer
treffenden Granate von großem Kaliber oder ihrer Sprengstücke sein
kann, so kann es füglich nicht so sehr darauf ankommen, ob die
Wirkung eines solchen Treffers durch einige umhergeschleuderte
Torpedotheile noch unwesentlich erhöht wird.

Man brauchte also die Bedienungsmannschaften bis zum Lanziren
nur in Deckungsstellung treten zu lassen. Die Befürchtungen der
Chinesen waren daher nicht so begründet, daß damit das Aufgeben
aller Chancen hinsichtlich der Torpedos gerechtfertigt erschiene.

Dritter Abſchnitt. Die Verwendung der Torpedos.

Von den Anhängern dieſer Anſicht aber — und das war da-
mals die Mehrzahl der Seeoffiziere — mußte der Torpedo mit größter
Freude begrüßt werden, denn nun hatte man ja ein Mittel, um im
Nahkampfe den Erfolg ſchnell erringen zu können.

So wurden denn ſelbſt Schiffe von ehrwürdigſtem Alter und
altväteriſcher Konſtruktion mit Torpedogeſchützen ausgerüſtet. Der
Gedanke hat auch ſeine Berechtigung. Denn wenn namentlich die
kleinen Marinen meinten, mit Hülfe der Torpedos die größten Flotten
vernichten zu können, ſo kam es nur darauf an, an den Feind heran-
zukommen, und dazu waren allenfalls auch alte Schiffe zu gebrauchen.

Die Schnellladeartillerie und die erhöhte Geſchwindigkeit der
Schiffe haben mit dieſen Anſichten aufgeräumt.

Trotzdem iſt der Torpedo als Schiffsarmirung nicht verdrängt
worden. Der Bugtorpedo erſpart den Rammſtoß, welcher in ſeiner
Anlage, Ausführung und in ſeinen Folgen auch für das eigene Schiff
ein gefährliches Unternehmen iſt und bleibt, und die Breitſeittorpedos
ſind und bleiben eine vorzügliche Gelegenheitswaffe.

Schon am Ende des dritten Kapitels war geſagt worden, daß
die Chineſen vor der Schlacht am Yalu ihre Torpedos geborgen
hätten. Der Gedanke, daß ein Torpedo durch einen Treffer zur
Exploſion gebracht werden könne und damit die Wirkung einer feind-
lichen Granate bis ins Ungeheure ſteigere, iſt verblüffend. In Wirk-
lichkeit verhält es ſich damit nicht ſo ſchlimm, wie es ſcheint. Zunächſt
würde eine Exploſion nur dann erfolgen, wenn die Piſtole getroffen
würde, denn die naſſe Schießwolle des Kopfes explodirt nicht infolge
des Treffens von Geſchoſſen; dann brauchte man die Piſtolen erſt
kurz vor dem Lanziren einzuſetzen. Möglich, aber nicht unbedingte
Nothwendigkeit iſt auch eine Exploſion des Luftkeſſels infolge unglück-
licher Treffer. Bedenkt man aber, daß dieſes nur die Folge einer
treffenden Granate von großem Kaliber oder ihrer Sprengſtücke ſein
kann, ſo kann es füglich nicht ſo ſehr darauf ankommen, ob die
Wirkung eines ſolchen Treffers durch einige umhergeſchleuderte
Torpedotheile noch unweſentlich erhöht wird.

Man brauchte alſo die Bedienungsmannſchaften bis zum Lanziren
nur in Deckungsſtellung treten zu laſſen. Die Befürchtungen der
Chineſen waren daher nicht ſo begründet, daß damit das Aufgeben
aller Chancen hinſichtlich der Torpedos gerechtfertigt erſchiene.

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[60/0074] Dritter Abſchnitt. Die Verwendung der Torpedos. Von den Anhängern dieſer Anſicht aber — und das war da- mals die Mehrzahl der Seeoffiziere — mußte der Torpedo mit größter Freude begrüßt werden, denn nun hatte man ja ein Mittel, um im Nahkampfe den Erfolg ſchnell erringen zu können. So wurden denn ſelbſt Schiffe von ehrwürdigſtem Alter und altväteriſcher Konſtruktion mit Torpedogeſchützen ausgerüſtet. Der Gedanke hat auch ſeine Berechtigung. Denn wenn namentlich die kleinen Marinen meinten, mit Hülfe der Torpedos die größten Flotten vernichten zu können, ſo kam es nur darauf an, an den Feind heran- zukommen, und dazu waren allenfalls auch alte Schiffe zu gebrauchen. Die Schnellladeartillerie und die erhöhte Geſchwindigkeit der Schiffe haben mit dieſen Anſichten aufgeräumt. Trotzdem iſt der Torpedo als Schiffsarmirung nicht verdrängt worden. Der Bugtorpedo erſpart den Rammſtoß, welcher in ſeiner Anlage, Ausführung und in ſeinen Folgen auch für das eigene Schiff ein gefährliches Unternehmen iſt und bleibt, und die Breitſeittorpedos ſind und bleiben eine vorzügliche Gelegenheitswaffe. Schon am Ende des dritten Kapitels war geſagt worden, daß die Chineſen vor der Schlacht am Yalu ihre Torpedos geborgen hätten. Der Gedanke, daß ein Torpedo durch einen Treffer zur Exploſion gebracht werden könne und damit die Wirkung einer feind- lichen Granate bis ins Ungeheure ſteigere, iſt verblüffend. In Wirk- lichkeit verhält es ſich damit nicht ſo ſchlimm, wie es ſcheint. Zunächſt würde eine Exploſion nur dann erfolgen, wenn die Piſtole getroffen würde, denn die naſſe Schießwolle des Kopfes explodirt nicht infolge des Treffens von Geſchoſſen; dann brauchte man die Piſtolen erſt kurz vor dem Lanziren einzuſetzen. Möglich, aber nicht unbedingte Nothwendigkeit iſt auch eine Exploſion des Luftkeſſels infolge unglück- licher Treffer. Bedenkt man aber, daß dieſes nur die Folge einer treffenden Granate von großem Kaliber oder ihrer Sprengſtücke ſein kann, ſo kann es füglich nicht ſo ſehr darauf ankommen, ob die Wirkung eines ſolchen Treffers durch einige umhergeſchleuderte Torpedotheile noch unweſentlich erhöht wird. Man brauchte alſo die Bedienungsmannſchaften bis zum Lanziren nur in Deckungsſtellung treten zu laſſen. Die Befürchtungen der Chineſen waren daher nicht ſo begründet, daß damit das Aufgeben aller Chancen hinſichtlich der Torpedos gerechtfertigt erſchiene.

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Zitationshilfe: Gercke, Hermann: Die Torpedowaffe. Berlin, 1898, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gercke_torpedowaffe_1898/74>, abgerufen am 24.04.2024.