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Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868.

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Wunder ists nur, dass sie trotz aller dieser Leiden bis auf den heutigen Tag nicht ausgerottet sind.

Nicht anders hausten die Spanier in Guatemala (4, 268), in Nikaragua (280) und noch ärger auf den Antillen und Lukayen (Bahamainseln), deren Einwohner, mehrere 100,000 an der Zahl innerhalb weniger Jahrzehnte gänzlich vernichtet sind, wozu die eingeschleppten Krankheiten, die Minenarbeiten, die nichtswürdigen Knechtungen und oft ganz zwecklose Menschenmetzeleien das Meiste beitrugen. Massenweise tödteten die Eingeborenen sich selbst. Columbus selbst hatte ganz dieselbe Gesinnung wie seine Landsleute: Menschenraub, Sklaverei, grausame Verstümmelungen geschahen auf seinen Befehl und die spanische Regierung war, obwohl Isabella diese Behandlung der Eingeborenen im höchsten Grade missbilligte, viel zu schwach, irgend etwas Bleibendes zu Gunsten der Indianer zu erreichen (Waitz 4, 331. 334).

Ebenso ging es in Darien (4, 351) und Neu-Granada (377) und dass es in Peru eher schlimmer als besser war, dafür bürgt schon der Name Pizarro. Das beliebte Mittel der Portugiesen, Bluthunde, die auf Indianer dressirt waren, gegen diese loszuhetzen, wurde hier namentlich angewandt. Wir erinnern hier an die schon erwähnte Bitte des gefangenen Fürsten, ihn nicht verbrennen, nicht den Hunden vorwerfen, sondern einfach erhängen zu lassen (1, 478 ff.). Nach Gomara sind in den Kriegen unmittelbar nach der Eroberung etwa anderthalb Millionen Eingeborene aufgerieben; die übrigen litten unter dem Druck der Encomiendas und Mitas (zwangsweise Vermiethung der Eingeborenen an Privatleute, von der Mestizen, Mulatten, Zambos frei waren) so unerträglich, dass sie durch das Uebermass von Arbeit schaarenweis aufgerieben wurden. Dazu kam noch der furchtbare Steuerdruck unter den habgierigen Spaniern, an welchem sich übrigens die Geistlichkeit ohne die geringste Scheu aufs lebhafteste mit betheiligte. Nimmt man dies leibliche Leiden zusammen, und dazu das Bewusstsein der gänzlichen Ohnmacht gegen diesen Gegner, so wird man sich die psychischen Leiden dieser Menschen denken können; diese fallen aber mit dem grössten Gewicht in unsere Wagschale, da ihnen gewiss grosse Mengen erlegen sind, wie vielfach bezeugt ist. Gewiss, wenn man die Amerikaner in Nord und Süd betrachtet, deren Bedrückung noch nirgends ganz aufgehört hat, so ist das das allein Wunderbare, dass jetzt, nach 300 oder 200 Jahren eines solchen Druckes, noch irgend etwas von der Urbevölkerung existirt.

Wunder ists nur, dass sie trotz aller dieser Leiden bis auf den heutigen Tag nicht ausgerottet sind.

Nicht anders hausten die Spanier in Guatemala (4, 268), in Nikaragua (280) und noch ärger auf den Antillen und Lukayen (Bahamainseln), deren Einwohner, mehrere 100,000 an der Zahl innerhalb weniger Jahrzehnte gänzlich vernichtet sind, wozu die eingeschleppten Krankheiten, die Minenarbeiten, die nichtswürdigen Knechtungen und oft ganz zwecklose Menschenmetzeleien das Meiste beitrugen. Massenweise tödteten die Eingeborenen sich selbst. Columbus selbst hatte ganz dieselbe Gesinnung wie seine Landsleute: Menschenraub, Sklaverei, grausame Verstümmelungen geschahen auf seinen Befehl und die spanische Regierung war, obwohl Isabella diese Behandlung der Eingeborenen im höchsten Grade missbilligte, viel zu schwach, irgend etwas Bleibendes zu Gunsten der Indianer zu erreichen (Waitz 4, 331. 334).

Ebenso ging es in Darien (4, 351) und Neu-Granada (377) und dass es in Peru eher schlimmer als besser war, dafür bürgt schon der Name Pizarro. Das beliebte Mittel der Portugiesen, Bluthunde, die auf Indianer dressirt waren, gegen diese loszuhetzen, wurde hier namentlich angewandt. Wir erinnern hier an die schon erwähnte Bitte des gefangenen Fürsten, ihn nicht verbrennen, nicht den Hunden vorwerfen, sondern einfach erhängen zu lassen (1, 478 ff.). Nach Gomara sind in den Kriegen unmittelbar nach der Eroberung etwa anderthalb Millionen Eingeborene aufgerieben; die übrigen litten unter dem Druck der Encomiendas und Mitas (zwangsweise Vermiethung der Eingeborenen an Privatleute, von der Mestizen, Mulatten, Zambos frei waren) so unerträglich, dass sie durch das Uebermass von Arbeit schaarenweis aufgerieben wurden. Dazu kam noch der furchtbare Steuerdruck unter den habgierigen Spaniern, an welchem sich übrigens die Geistlichkeit ohne die geringste Scheu aufs lebhafteste mit betheiligte. Nimmt man dies leibliche Leiden zusammen, und dazu das Bewusstsein der gänzlichen Ohnmacht gegen diesen Gegner, so wird man sich die psychischen Leiden dieser Menschen denken können; diese fallen aber mit dem grössten Gewicht in unsere Wagschale, da ihnen gewiss grosse Mengen erlegen sind, wie vielfach bezeugt ist. Gewiss, wenn man die Amerikaner in Nord und Süd betrachtet, deren Bedrückung noch nirgends ganz aufgehört hat, so ist das das allein Wunderbare, dass jetzt, nach 300 oder 200 Jahren eines solchen Druckes, noch irgend etwas von der Urbevölkerung existirt.

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 (Bahamainseln), deren Einwohner, mehrere 100,000 an der Zahl
 innerhalb weniger Jahrzehnte gänzlich vernichtet sind, wozu
 die eingeschleppten Krankheiten, die Minenarbeiten, die
 nichtswürdigen Knechtungen und oft ganz zwecklose
 Menschenmetzeleien das Meiste beitrugen. Massenweise tödteten
 die Eingeborenen sich selbst. Columbus selbst hatte ganz dieselbe
 Gesinnung wie seine Landsleute: Menschenraub, Sklaverei, grausame
 Verstümmelungen geschahen auf seinen Befehl und die spanische
 Regierung war, obwohl Isabella diese Behandlung der Eingeborenen im
 höchsten Grade missbilligte, viel zu schwach, irgend etwas
 Bleibendes zu Gunsten der Indianer zu erreichen (Waitz 4, 331.
 334).</p>
        <p>Ebenso ging es in Darien (4, 351) und Neu-Granada (377) und dass
 es in Peru eher schlimmer als besser war, dafür bürgt
 schon der Name Pizarro. Das beliebte Mittel der Portugiesen,
 Bluthunde, die auf Indianer dressirt waren, gegen diese
 loszuhetzen, wurde hier namentlich angewandt. Wir erinnern hier an
 die schon erwähnte Bitte des gefangenen Fürsten, ihn
 nicht verbrennen, nicht den Hunden vorwerfen, sondern einfach
 erhängen zu lassen (1, 478 ff.). Nach Gomara sind in den
 Kriegen unmittelbar nach der Eroberung etwa anderthalb Millionen
 Eingeborene aufgerieben; die übrigen litten unter dem Druck
 der Encomiendas und Mitas (zwangsweise Vermiethung der Eingeborenen
 an Privatleute, von der Mestizen, Mulatten, Zambos frei waren) so
 unerträglich, dass sie durch das Uebermass von Arbeit
 schaarenweis aufgerieben wurden. Dazu kam noch der furchtbare
 Steuerdruck unter den habgierigen Spaniern, an welchem sich
 übrigens die Geistlichkeit ohne die geringste Scheu aufs
 lebhafteste mit betheiligte. Nimmt man dies leibliche Leiden
 zusammen, und dazu das Bewusstsein der gänzlichen Ohnmacht
 gegen diesen Gegner, so wird man sich die psychischen Leiden dieser
 Menschen denken können; diese fallen aber mit dem
 grössten Gewicht in unsere Wagschale, da ihnen gewiss grosse
 Mengen erlegen sind, wie vielfach bezeugt ist. Gewiss, wenn man die
 Amerikaner in Nord und Süd betrachtet, deren Bedrückung
 noch nirgends ganz aufgehört hat, so ist das das allein
 Wunderbare, dass jetzt, nach 300 oder 200 Jahren eines solchen
 Druckes, noch irgend etwas von der Urbevölkerung existirt.</p>
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[0119] Wunder ists nur, dass sie trotz aller dieser Leiden bis auf den heutigen Tag nicht ausgerottet sind. Nicht anders hausten die Spanier in Guatemala (4, 268), in Nikaragua (280) und noch ärger auf den Antillen und Lukayen (Bahamainseln), deren Einwohner, mehrere 100,000 an der Zahl innerhalb weniger Jahrzehnte gänzlich vernichtet sind, wozu die eingeschleppten Krankheiten, die Minenarbeiten, die nichtswürdigen Knechtungen und oft ganz zwecklose Menschenmetzeleien das Meiste beitrugen. Massenweise tödteten die Eingeborenen sich selbst. Columbus selbst hatte ganz dieselbe Gesinnung wie seine Landsleute: Menschenraub, Sklaverei, grausame Verstümmelungen geschahen auf seinen Befehl und die spanische Regierung war, obwohl Isabella diese Behandlung der Eingeborenen im höchsten Grade missbilligte, viel zu schwach, irgend etwas Bleibendes zu Gunsten der Indianer zu erreichen (Waitz 4, 331. 334). Ebenso ging es in Darien (4, 351) und Neu-Granada (377) und dass es in Peru eher schlimmer als besser war, dafür bürgt schon der Name Pizarro. Das beliebte Mittel der Portugiesen, Bluthunde, die auf Indianer dressirt waren, gegen diese loszuhetzen, wurde hier namentlich angewandt. Wir erinnern hier an die schon erwähnte Bitte des gefangenen Fürsten, ihn nicht verbrennen, nicht den Hunden vorwerfen, sondern einfach erhängen zu lassen (1, 478 ff.). Nach Gomara sind in den Kriegen unmittelbar nach der Eroberung etwa anderthalb Millionen Eingeborene aufgerieben; die übrigen litten unter dem Druck der Encomiendas und Mitas (zwangsweise Vermiethung der Eingeborenen an Privatleute, von der Mestizen, Mulatten, Zambos frei waren) so unerträglich, dass sie durch das Uebermass von Arbeit schaarenweis aufgerieben wurden. Dazu kam noch der furchtbare Steuerdruck unter den habgierigen Spaniern, an welchem sich übrigens die Geistlichkeit ohne die geringste Scheu aufs lebhafteste mit betheiligte. Nimmt man dies leibliche Leiden zusammen, und dazu das Bewusstsein der gänzlichen Ohnmacht gegen diesen Gegner, so wird man sich die psychischen Leiden dieser Menschen denken können; diese fallen aber mit dem grössten Gewicht in unsere Wagschale, da ihnen gewiss grosse Mengen erlegen sind, wie vielfach bezeugt ist. Gewiss, wenn man die Amerikaner in Nord und Süd betrachtet, deren Bedrückung noch nirgends ganz aufgehört hat, so ist das das allein Wunderbare, dass jetzt, nach 300 oder 200 Jahren eines solchen Druckes, noch irgend etwas von der Urbevölkerung existirt.

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Zitationshilfe: Gerland, Georg: Über das Aussterben der Naturvölker. Leipzig, 1868, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerland_naturvoelker_1868/119>, abgerufen am 19.04.2024.