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Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Arnold horchte auf, und gar nicht weit entfernt konnte er das langsame Anschlagen einer Glocke hören; aber nicht voll und tief tönte es zu ihm herüber, sondern scharf und disharmonisch, und als er nach der Gegend dort hinschaute, war es fast, als ob ein dichter Höhenrauch über jenem Theile des Thales läge.

Eure Glocke hat einen Sprung, lachte er, die klingt bös.

Ja, ich weiß wohl, erwiderte gleichmüthig das Mädchen, hübsch klingt sie nicht, und wir hätten sie schon umgießen lassen, aber es fehlt immer an Geld und an Zeit dazu, denn hier herum sind keine Glockengießer. Doch was thut's; wir kennen sie einmal und wissen, was es bedeutet, wenn es anschlägt -- da verrichtet's auch die gesprungene.

Und wie heißt dein Dorf?

Germelshausen.

Und kann ich von dort nach Wichtelhausen kommen?

Recht leicht -- den Fußweg hinüber ist's kaum ein halbes Stündchen -- vielleicht nicht einmal so weit, wenn Ihr gut ausschreitet.

Dann geh ich mit durch dein Dorf, Schatz, und wenn ihr ein gut Wirthshaus im Orte habt, ess' ich dort auch zu Mittag.

Das Wirthshaus ist nur zu gut, sagte das Mädchen seufzend, indem sie einen Blick zurückwarf, ob der Erwartete denn noch nicht käme.

Und kann ein Wirthshaus je zu gut sein?

Arnold horchte auf, und gar nicht weit entfernt konnte er das langsame Anschlagen einer Glocke hören; aber nicht voll und tief tönte es zu ihm herüber, sondern scharf und disharmonisch, und als er nach der Gegend dort hinschaute, war es fast, als ob ein dichter Höhenrauch über jenem Theile des Thales läge.

Eure Glocke hat einen Sprung, lachte er, die klingt bös.

Ja, ich weiß wohl, erwiderte gleichmüthig das Mädchen, hübsch klingt sie nicht, und wir hätten sie schon umgießen lassen, aber es fehlt immer an Geld und an Zeit dazu, denn hier herum sind keine Glockengießer. Doch was thut's; wir kennen sie einmal und wissen, was es bedeutet, wenn es anschlägt — da verrichtet's auch die gesprungene.

Und wie heißt dein Dorf?

Germelshausen.

Und kann ich von dort nach Wichtelhausen kommen?

Recht leicht — den Fußweg hinüber ist's kaum ein halbes Stündchen — vielleicht nicht einmal so weit, wenn Ihr gut ausschreitet.

Dann geh ich mit durch dein Dorf, Schatz, und wenn ihr ein gut Wirthshaus im Orte habt, ess’ ich dort auch zu Mittag.

Das Wirthshaus ist nur zu gut, sagte das Mädchen seufzend, indem sie einen Blick zurückwarf, ob der Erwartete denn noch nicht käme.

Und kann ein Wirthshaus je zu gut sein?

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[0013] Arnold horchte auf, und gar nicht weit entfernt konnte er das langsame Anschlagen einer Glocke hören; aber nicht voll und tief tönte es zu ihm herüber, sondern scharf und disharmonisch, und als er nach der Gegend dort hinschaute, war es fast, als ob ein dichter Höhenrauch über jenem Theile des Thales läge. Eure Glocke hat einen Sprung, lachte er, die klingt bös. Ja, ich weiß wohl, erwiderte gleichmüthig das Mädchen, hübsch klingt sie nicht, und wir hätten sie schon umgießen lassen, aber es fehlt immer an Geld und an Zeit dazu, denn hier herum sind keine Glockengießer. Doch was thut's; wir kennen sie einmal und wissen, was es bedeutet, wenn es anschlägt — da verrichtet's auch die gesprungene. Und wie heißt dein Dorf? Germelshausen. Und kann ich von dort nach Wichtelhausen kommen? Recht leicht — den Fußweg hinüber ist's kaum ein halbes Stündchen — vielleicht nicht einmal so weit, wenn Ihr gut ausschreitet. Dann geh ich mit durch dein Dorf, Schatz, und wenn ihr ein gut Wirthshaus im Orte habt, ess’ ich dort auch zu Mittag. Das Wirthshaus ist nur zu gut, sagte das Mädchen seufzend, indem sie einen Blick zurückwarf, ob der Erwartete denn noch nicht käme. Und kann ein Wirthshaus je zu gut sein?

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:22:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:22:05Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gerstäcker, Friedrich: Germelshausen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 21–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerstaecker_germelshausen_1910/13>, abgerufen am 29.03.2024.