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Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895.

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schied der Race, der Farbe und des Geschlechtes, gleiche politische
Rechte ... "

Die Berichte über die Folgen der Gleichberechtigung der
Frauen sind gleichlautend günstig. Jhre Anwesenheit trägt dazu
bei, daß die Wahlen in größerer Ruhe verlaufen, und daß
größere Unbestechlichkeit der Wahlen herbeigeführt wird. Von
dem gefürchteten Zwist in den Familien ist nichts zu bemerken
gewesen. Es besteht ja auch keine größere Veranlassung, daß
Ehegatten über Politik als z. B. über Religion streiten sollten,
in der selbst der deutsche Staat den Frauen bisher gestattet hat,
selbständige Überzeugungen zu haben. Den düsteren Prophe-
zeiungen der Gegner des Frauenstimmrechts zum Trotz hat das
neue Gesetz grade das Familienleben günstig beeinflußt. Die
Frauen nehmen lebhaften Anteil an allen Vorkommnissen des
öffentlichen Lebens, ihr Gesichtskreis hat sich erweitert, die kleinen
häuslichen Alltagssorgen, mit denen sie den Gatten nur zu oft
aus dem Hause hinaustrieben, treten vor den großen Sorgen
um das Allgemeinwohl, die sie mit ihm teilen, zurück.

Dem Beispiel Wyomings folgend, hat der Staat Colorado
am 2. Dezember 1893 die Frauen als gleichberechtigte
Bürger anerkannt. Davis Waite, der Gouverneur von Colorado,
äußerte sich in der "North American Review" darüber, indem
er hervorhob, daß die soziale Lage des größten Teiles der Be-
völkerung eine traurige sei: "Fleisch und Blut ist immer billiger
geworden, und Brot immer teurer. Über die Wohlfahrt des
Ziehpferdes wird sorgfältiger gewacht, als über die des Pferde-
knechts." Niemand, so sagte er, kann die Notwendigkeit ernster
Reformen ableugnen, und er citiert dabei den Ausspruch des
Bischofs Simpson: "Keine große moralische Reform wird jemals
durch Gesetze eingeschärft werden, bis nicht den Frauen das
Stimmrecht gegeben ist." Der Gouverneur hofft also wie der
Bischof auf die Mitarbeit der Frauen an der Lösung der in
allen civilisierten Staaten gleich brennenden sozialen Frage. Und
mit ihm hofft die Masse des Volkes darauf. Davis Waite
schließt seine Erklärung mit den Worten: "Das Prinzip gleicher
Rechte für Alle, gegen das die alten Parteien bisher unermüd-

schied der Race, der Farbe und des Geschlechtes, gleiche politische
Rechte … ‟

Die Berichte über die Folgen der Gleichberechtigung der
Frauen sind gleichlautend günstig. Jhre Anwesenheit trägt dazu
bei, daß die Wahlen in größerer Ruhe verlaufen, und daß
größere Unbestechlichkeit der Wahlen herbeigeführt wird. Von
dem gefürchteten Zwist in den Familien ist nichts zu bemerken
gewesen. Es besteht ja auch keine größere Veranlassung, daß
Ehegatten über Politik als z. B. über Religion streiten sollten,
in der selbst der deutsche Staat den Frauen bisher gestattet hat,
selbständige Überzeugungen zu haben. Den düsteren Prophe-
zeiungen der Gegner des Frauenstimmrechts zum Trotz hat das
neue Gesetz grade das Familienleben günstig beeinflußt. Die
Frauen nehmen lebhaften Anteil an allen Vorkommnissen des
öffentlichen Lebens, ihr Gesichtskreis hat sich erweitert, die kleinen
häuslichen Alltagssorgen, mit denen sie den Gatten nur zu oft
aus dem Hause hinaustrieben, treten vor den großen Sorgen
um das Allgemeinwohl, die sie mit ihm teilen, zurück.

Dem Beispiel Wyomings folgend, hat der Staat Colorado
am 2. Dezember 1893 die Frauen als gleichberechtigte
Bürger anerkannt. Davis Waite, der Gouverneur von Colorado,
äußerte sich in der „North American Review‟ darüber, indem
er hervorhob, daß die soziale Lage des größten Teiles der Be-
völkerung eine traurige sei: „Fleisch und Blut ist immer billiger
geworden, und Brot immer teurer. Über die Wohlfahrt des
Ziehpferdes wird sorgfältiger gewacht, als über die des Pferde-
knechts.‟ Niemand, so sagte er, kann die Notwendigkeit ernster
Reformen ableugnen, und er citiert dabei den Ausspruch des
Bischofs Simpson: „Keine große moralische Reform wird jemals
durch Gesetze eingeschärft werden, bis nicht den Frauen das
Stimmrecht gegeben ist.‟ Der Gouverneur hofft also wie der
Bischof auf die Mitarbeit der Frauen an der Lösung der in
allen civilisierten Staaten gleich brennenden sozialen Frage. Und
mit ihm hofft die Masse des Volkes darauf. Davis Waite
schließt seine Erklärung mit den Worten: „Das Prinzip gleicher
Rechte für Alle, gegen das die alten Parteien bisher unermüd-

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[10/0011] schied der Race, der Farbe und des Geschlechtes, gleiche politische Rechte … ‟ Die Berichte über die Folgen der Gleichberechtigung der Frauen sind gleichlautend günstig. Jhre Anwesenheit trägt dazu bei, daß die Wahlen in größerer Ruhe verlaufen, und daß größere Unbestechlichkeit der Wahlen herbeigeführt wird. Von dem gefürchteten Zwist in den Familien ist nichts zu bemerken gewesen. Es besteht ja auch keine größere Veranlassung, daß Ehegatten über Politik als z. B. über Religion streiten sollten, in der selbst der deutsche Staat den Frauen bisher gestattet hat, selbständige Überzeugungen zu haben. Den düsteren Prophe- zeiungen der Gegner des Frauenstimmrechts zum Trotz hat das neue Gesetz grade das Familienleben günstig beeinflußt. Die Frauen nehmen lebhaften Anteil an allen Vorkommnissen des öffentlichen Lebens, ihr Gesichtskreis hat sich erweitert, die kleinen häuslichen Alltagssorgen, mit denen sie den Gatten nur zu oft aus dem Hause hinaustrieben, treten vor den großen Sorgen um das Allgemeinwohl, die sie mit ihm teilen, zurück. Dem Beispiel Wyomings folgend, hat der Staat Colorado am 2. Dezember 1893 die Frauen als gleichberechtigte Bürger anerkannt. Davis Waite, der Gouverneur von Colorado, äußerte sich in der „North American Review‟ darüber, indem er hervorhob, daß die soziale Lage des größten Teiles der Be- völkerung eine traurige sei: „Fleisch und Blut ist immer billiger geworden, und Brot immer teurer. Über die Wohlfahrt des Ziehpferdes wird sorgfältiger gewacht, als über die des Pferde- knechts.‟ Niemand, so sagte er, kann die Notwendigkeit ernster Reformen ableugnen, und er citiert dabei den Ausspruch des Bischofs Simpson: „Keine große moralische Reform wird jemals durch Gesetze eingeschärft werden, bis nicht den Frauen das Stimmrecht gegeben ist.‟ Der Gouverneur hofft also wie der Bischof auf die Mitarbeit der Frauen an der Lösung der in allen civilisierten Staaten gleich brennenden sozialen Frage. Und mit ihm hofft die Masse des Volkes darauf. Davis Waite schließt seine Erklärung mit den Worten: „Das Prinzip gleicher Rechte für Alle, gegen das die alten Parteien bisher unermüd-

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Zitationshilfe: Gizycki, Lily von: Die Bürgerpflicht der Frau. Berlin, 1895, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gizycki_buergerpflicht_1895/11>, abgerufen am 24.04.2024.