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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
verwerfen wollen 57). Ja sie ist selbst in denen Ge-
setzen gegründet; denn so sagt Modestinus in L. 7.
D. de Legib.
ausdrücklich: Legis virtus haec est:
imperare, vetare, permittere, punire.
Zwangsge-
setze hingegen schliessen allen Willkühr zu handeln aus,
und legen allen und jeden die vollkommene Verbindlich-
keit auf, dasjenige, so dieselben befohlen, zu thun,
und was sie verbothen haben, zu unterlassen, wenn
man sich nicht die auf dem entgegengesezten Fall be-
stimmte Uebel zuziehen will. Daher wird das ius co-
gens
wieder in ein gebietendes (ius praecepti-
vum
) und verbietendes Recht, (ius prohibitivum)
eingetheilet, nachdem es entweder etwas zu thun
oder etwas zu unterlassen anbefiehlt. Das verbie-
tende Recht
kann wieder sehr verschieden seyn. Man-
che Handlungen verbiethet schon das Naturrecht (ius
prohibitivum naturale);
manche Handlungen hingegen
sind natürlich erlaubt und verbindlich, aber die bürger-
lichen Gesetze verbieten sie (ius prohibitivum positivum).
Da die Gründe, wodurch der bürgerliche Gesezgeber
bewogen wird, eine natürlich erlaubte Handlung zu
verbieten, mancherley seyn können, so lassen sich hier-
aus wieder verschiedene Classen des verbietenden Posi-
tivrechts formiren. Der Grund des bürgerlichen Ver-
bots ist entweder aus der Handlung an sich, ohne
Rücksicht auf die Persohn der Contrahenten, oder aus
dem persöhnlichen Verhältniß derselben herzuleiten. Im
erstern Fall entstehet ein allgemein verbietendes
Positivrecht
(ius prohibitivum positivum obiecti-
ve tale
), welches diejenigen Fälle in sich begreift,

wo
57) grotius de I. B. et P. Lib. I. c. l. §. 9. puffen-
dorf
de Iur. Nat. et Gent. L. I. c.
6. §. 15. Allein
man sehe nach Frid. Lud. doering Diss. de quadru-
plici Legis virtute
. Erford.
1776. §. 5.
G 2

de Iuſtitia et Iure.
verwerfen wollen 57). Ja ſie iſt ſelbſt in denen Ge-
ſetzen gegruͤndet; denn ſo ſagt Modeſtinus in L. 7.
D. de Legib.
ausdruͤcklich: Legis virtus haec eſt:
imperare, vetare, permittere, punire.
Zwangsge-
ſetze hingegen ſchlieſſen allen Willkuͤhr zu handeln aus,
und legen allen und jeden die vollkommene Verbindlich-
keit auf, dasjenige, ſo dieſelben befohlen, zu thun,
und was ſie verbothen haben, zu unterlaſſen, wenn
man ſich nicht die auf dem entgegengeſezten Fall be-
ſtimmte Uebel zuziehen will. Daher wird das ius co-
gens
wieder in ein gebietendes (ius praecepti-
vum
) und verbietendes Recht, (ius prohibitivum)
eingetheilet, nachdem es entweder etwas zu thun
oder etwas zu unterlaſſen anbefiehlt. Das verbie-
tende Recht
kann wieder ſehr verſchieden ſeyn. Man-
che Handlungen verbiethet ſchon das Naturrecht (ius
prohibitivum naturale);
manche Handlungen hingegen
ſind natuͤrlich erlaubt und verbindlich, aber die buͤrger-
lichen Geſetze verbieten ſie (ius prohibitivum poſitivum).
Da die Gruͤnde, wodurch der buͤrgerliche Geſezgeber
bewogen wird, eine natuͤrlich erlaubte Handlung zu
verbieten, mancherley ſeyn koͤnnen, ſo laſſen ſich hier-
aus wieder verſchiedene Claſſen des verbietenden Poſi-
tivrechts formiren. Der Grund des buͤrgerlichen Ver-
bots iſt entweder aus der Handlung an ſich, ohne
Ruͤckſicht auf die Perſohn der Contrahenten, oder aus
dem perſoͤhnlichen Verhaͤltniß derſelben herzuleiten. Im
erſtern Fall entſtehet ein allgemein verbietendes
Poſitivrecht
(ius prohibitivum poſitivum obiecti-
ve tale
), welches diejenigen Faͤlle in ſich begreift,

wo
57) grotius de I. B. et P. Lib. I. c. l. §. 9. puffen-
dorf
de Iur. Nat. et Gent. L. I. c.
6. §. 15. Allein
man ſehe nach Frid. Lud. doering Diſſ. de quadru-
plici Legis virtute
. Erford.
1776. §. 5.
G 2
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[99/0119] de Iuſtitia et Iure. verwerfen wollen 57). Ja ſie iſt ſelbſt in denen Ge- ſetzen gegruͤndet; denn ſo ſagt Modeſtinus in L. 7. D. de Legib. ausdruͤcklich: Legis virtus haec eſt: imperare, vetare, permittere, punire. Zwangsge- ſetze hingegen ſchlieſſen allen Willkuͤhr zu handeln aus, und legen allen und jeden die vollkommene Verbindlich- keit auf, dasjenige, ſo dieſelben befohlen, zu thun, und was ſie verbothen haben, zu unterlaſſen, wenn man ſich nicht die auf dem entgegengeſezten Fall be- ſtimmte Uebel zuziehen will. Daher wird das ius co- gens wieder in ein gebietendes (ius praecepti- vum) und verbietendes Recht, (ius prohibitivum) eingetheilet, nachdem es entweder etwas zu thun oder etwas zu unterlaſſen anbefiehlt. Das verbie- tende Recht kann wieder ſehr verſchieden ſeyn. Man- che Handlungen verbiethet ſchon das Naturrecht (ius prohibitivum naturale); manche Handlungen hingegen ſind natuͤrlich erlaubt und verbindlich, aber die buͤrger- lichen Geſetze verbieten ſie (ius prohibitivum poſitivum). Da die Gruͤnde, wodurch der buͤrgerliche Geſezgeber bewogen wird, eine natuͤrlich erlaubte Handlung zu verbieten, mancherley ſeyn koͤnnen, ſo laſſen ſich hier- aus wieder verſchiedene Claſſen des verbietenden Poſi- tivrechts formiren. Der Grund des buͤrgerlichen Ver- bots iſt entweder aus der Handlung an ſich, ohne Ruͤckſicht auf die Perſohn der Contrahenten, oder aus dem perſoͤhnlichen Verhaͤltniß derſelben herzuleiten. Im erſtern Fall entſtehet ein allgemein verbietendes Poſitivrecht (ius prohibitivum poſitivum obiecti- ve tale), welches diejenigen Faͤlle in ſich begreift, wo 57) grotius de I. B. et P. Lib. I. c. l. §. 9. puffen- dorf de Iur. Nat. et Gent. L. I. c. 6. §. 15. Allein man ſehe nach Frid. Lud. doering Diſſ. de quadru- plici Legis virtute. Erford. 1776. §. 5. G 2

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/119>, abgerufen am 29.04.2024.