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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
leant, ex quo in commune manifestae factae sunt.
Justinian will nur, daß sich nach zwey Monathen
niemand weiter mit der Unwissenheit entschuldigen
solle. (Ita enim nemo plane excusationem habe-
bit, quare legem nostram non observet
). Doch
leidet unsere Regel alsdann ohnstreitig eine Ausnah-
me, wenn der Gesezgeber bey der Bekanntmachung
eines Gesetzes eine gewisse Zeit bestimmt hat (va-
catio
), nach deren Verlauf erst dasselbe verbindli-
che Kraft erlangen solle, wovon uns Lex Iulia et
Papia Poppaea
29), desgleichen Nov. 58. Nov 116.
Cap. 32. de praebendis in 6to,
andere zu geschwei-
gen, genug Beispiele liefern.
2) Eine andere Wirkung ist, daß die Gültigkeit eines
gehörig promulgirten Gesetzes so lang vermuthet wer-
de, bis das Gegentheil erwiesen 30); nach der be-
kannten Regel: quod lex semper loqui praesu-
matur
31).
3) Eine dritte Wirkung ist, daß die vorgeschüzte Un-
wissenheit eines Gesetzes nicht vermuthet wird, wenn
desselben Bekanntmachung ausser allen Zweifel ist.
Es ist iedoch, in sofern etwa von particulären Lan-
desgesetzen oder Statuten die Rede seyn solte, noch
ein Unterschied zu machen, ob eigentliche Untertha-
nen, oder ob Fremde, die sich nur ihrer Geschäfte
wegen in einem Lande oder in einer Stadt aufhal-
ten, aus Unwissenheit dagegen gehandelt haben Im
ersten Fall verdient die zur Entschuldigung angezo-
gene
29) heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap
Poppaeam
Lib. I. c. 3. pag.
48.
30) L. 22. D. de probat.
31) Io. Tob. richter Progr. de eo, an lex semper
loqui praesumatur
. Lips.
1747.
J 4
de Iuſtitia et Iure.
leant, ex quo in commune manifeſtae factae ſunt.
Juſtinian will nur, daß ſich nach zwey Monathen
niemand weiter mit der Unwiſſenheit entſchuldigen
ſolle. (Ita enim nemo plane excuſationem habe-
bit, quare legem noſtram non obſervet
). Doch
leidet unſere Regel alsdann ohnſtreitig eine Ausnah-
me, wenn der Geſezgeber bey der Bekanntmachung
eines Geſetzes eine gewiſſe Zeit beſtimmt hat (va-
catio
), nach deren Verlauf erſt daſſelbe verbindli-
che Kraft erlangen ſolle, wovon uns Lex Iulia et
Papia Poppaea
29), desgleichen Nov. 58. Nov 116.
Cap. 32. de praebendis in 6to,
andere zu geſchwei-
gen, genug Beiſpiele liefern.
2) Eine andere Wirkung iſt, daß die Guͤltigkeit eines
gehoͤrig promulgirten Geſetzes ſo lang vermuthet wer-
de, bis das Gegentheil erwieſen 30); nach der be-
kannten Regel: quod lex ſemper loqui praeſu-
matur
31).
3) Eine dritte Wirkung iſt, daß die vorgeſchuͤzte Un-
wiſſenheit eines Geſetzes nicht vermuthet wird, wenn
deſſelben Bekanntmachung auſſer allen Zweifel iſt.
Es iſt iedoch, in ſofern etwa von particulaͤren Lan-
desgeſetzen oder Statuten die Rede ſeyn ſolte, noch
ein Unterſchied zu machen, ob eigentliche Untertha-
nen, oder ob Fremde, die ſich nur ihrer Geſchaͤfte
wegen in einem Lande oder in einer Stadt aufhal-
ten, aus Unwiſſenheit dagegen gehandelt haben Im
erſten Fall verdient die zur Entſchuldigung angezo-
gene
29) heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap
Poppaeam
Lib. I. c. 3. pag.
48.
30) L. 22. D. de probat.
31) Io. Tob. richter Progr. de eo, an lex ſemper
loqui praeſumatur
. Lipſ.
1747.
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[135/0155] de Iuſtitia et Iure. leant, ex quo in commune manifeſtae factae ſunt. Juſtinian will nur, daß ſich nach zwey Monathen niemand weiter mit der Unwiſſenheit entſchuldigen ſolle. (Ita enim nemo plane excuſationem habe- bit, quare legem noſtram non obſervet). Doch leidet unſere Regel alsdann ohnſtreitig eine Ausnah- me, wenn der Geſezgeber bey der Bekanntmachung eines Geſetzes eine gewiſſe Zeit beſtimmt hat (va- catio), nach deren Verlauf erſt daſſelbe verbindli- che Kraft erlangen ſolle, wovon uns Lex Iulia et Papia Poppaea 29), desgleichen Nov. 58. Nov 116. Cap. 32. de praebendis in 6to, andere zu geſchwei- gen, genug Beiſpiele liefern. 2) Eine andere Wirkung iſt, daß die Guͤltigkeit eines gehoͤrig promulgirten Geſetzes ſo lang vermuthet wer- de, bis das Gegentheil erwieſen 30); nach der be- kannten Regel: quod lex ſemper loqui praeſu- matur 31). 3) Eine dritte Wirkung iſt, daß die vorgeſchuͤzte Un- wiſſenheit eines Geſetzes nicht vermuthet wird, wenn deſſelben Bekanntmachung auſſer allen Zweifel iſt. Es iſt iedoch, in ſofern etwa von particulaͤren Lan- desgeſetzen oder Statuten die Rede ſeyn ſolte, noch ein Unterſchied zu machen, ob eigentliche Untertha- nen, oder ob Fremde, die ſich nur ihrer Geſchaͤfte wegen in einem Lande oder in einer Stadt aufhal- ten, aus Unwiſſenheit dagegen gehandelt haben Im erſten Fall verdient die zur Entſchuldigung angezo- gene 29) heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap Poppaeam Lib. I. c. 3. pag. 48. 30) L. 22. D. de probat. 31) Io. Tob. richter Progr. de eo, an lex ſemper loqui praeſumatur. Lipſ. 1747. J 4

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/155>, abgerufen am 29.04.2024.