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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
sich nur erst seit kurzer Zeit aufhalten, wenn sie
dagegen gehandelt, nicht gekannt haben. Inzwischen
verdient der von einem Fremden angeführte Irrthum
der Landes- und Stadtgesetze sodann in keinen Be-
tracht gezogen zu werden, wenn etwa der besondere
Zustand des Fremden, oder auch das Gewerbe, wel-
ches er trieb, ihn schon an sich verpflichteten, sich ei-
ne Kenntnis der Landes - oder Stadtgesetze zu er-
werben 34). Ich werde davon an einem andern Ort
umständlicher handeln. Alles, was ich inzwischen
hier schon gesagt habe, sezt den Fall zum voraus,
daß die geschehene Bekanntmachung eines Gesetzes
an sich keinem Zweifel unterworfen sey. Wie nun
aber, wenn diese selbst von einem Unterthan geläug-
net würde, und also die Publication des Gesetzes
selbst noch streitig wäre, ob sie nehmlich gehöriger
Art geschehen sey oder nicht? Wem würde in ei-
nem solchen Fall wohl die Last des Beweises oblie-
gen? Die Frage ist unter den Rechtsgelehrten strei-
tig. Leyser 35) behauptet, daß derjenige, welcher
ein vorhandenes Gesez für sich anführt, desselben
Publication zu erweisen nicht nöthig habe, sondern
diese vermuthet werde. Allein diese Meinung hat
wenig Beifall gefunden, und Leyser selbst hat sie
in der Folge geändert und mehr eingeschränkt 36).
Die meisten Rechtsgelehrten nehmen die Regel an,
daß die Bekanntmachung eines Gesetzes von demje-
nigen, der sich darauf gründet, bewiesen werden
müs-
34) Quistorp in den Grundsätzen des peinlichen
Rechts
1. Th. 2. Abschn. 2. Cap. §. 48.
35) Meditat. ad Pand. Spec. VII. m. 1.
36) Vol. XII. Suppl. 1. Spec. 7. med. 16.
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de Iuſtitia et Iure.
ſich nur erſt ſeit kurzer Zeit aufhalten, wenn ſie
dagegen gehandelt, nicht gekannt haben. Inzwiſchen
verdient der von einem Fremden angefuͤhrte Irrthum
der Landes- und Stadtgeſetze ſodann in keinen Be-
tracht gezogen zu werden, wenn etwa der beſondere
Zuſtand des Fremden, oder auch das Gewerbe, wel-
ches er trieb, ihn ſchon an ſich verpflichteten, ſich ei-
ne Kenntnis der Landes - oder Stadtgeſetze zu er-
werben 34). Ich werde davon an einem andern Ort
umſtaͤndlicher handeln. Alles, was ich inzwiſchen
hier ſchon geſagt habe, ſezt den Fall zum voraus,
daß die geſchehene Bekanntmachung eines Geſetzes
an ſich keinem Zweifel unterworfen ſey. Wie nun
aber, wenn dieſe ſelbſt von einem Unterthan gelaͤug-
net wuͤrde, und alſo die Publication des Geſetzes
ſelbſt noch ſtreitig waͤre, ob ſie nehmlich gehoͤriger
Art geſchehen ſey oder nicht? Wem wuͤrde in ei-
nem ſolchen Fall wohl die Laſt des Beweiſes oblie-
gen? Die Frage iſt unter den Rechtsgelehrten ſtrei-
tig. Leyſer 35) behauptet, daß derjenige, welcher
ein vorhandenes Geſez fuͤr ſich anfuͤhrt, deſſelben
Publication zu erweiſen nicht noͤthig habe, ſondern
dieſe vermuthet werde. Allein dieſe Meinung hat
wenig Beifall gefunden, und Leyſer ſelbſt hat ſie
in der Folge geaͤndert und mehr eingeſchraͤnkt 36).
Die meiſten Rechtsgelehrten nehmen die Regel an,
daß die Bekanntmachung eines Geſetzes von demje-
nigen, der ſich darauf gruͤndet, bewieſen werden
muͤſ-
34) Quiſtorp in den Grundſaͤtzen des peinlichen
Rechts
1. Th. 2. Abſchn. 2. Cap. §. 48.
35) Meditat. ad Pand. Spec. VII. m. 1.
36) Vol. XII. Suppl. 1. Spec. 7. med. 16.
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[137/0157] de Iuſtitia et Iure. ſich nur erſt ſeit kurzer Zeit aufhalten, wenn ſie dagegen gehandelt, nicht gekannt haben. Inzwiſchen verdient der von einem Fremden angefuͤhrte Irrthum der Landes- und Stadtgeſetze ſodann in keinen Be- tracht gezogen zu werden, wenn etwa der beſondere Zuſtand des Fremden, oder auch das Gewerbe, wel- ches er trieb, ihn ſchon an ſich verpflichteten, ſich ei- ne Kenntnis der Landes - oder Stadtgeſetze zu er- werben 34). Ich werde davon an einem andern Ort umſtaͤndlicher handeln. Alles, was ich inzwiſchen hier ſchon geſagt habe, ſezt den Fall zum voraus, daß die geſchehene Bekanntmachung eines Geſetzes an ſich keinem Zweifel unterworfen ſey. Wie nun aber, wenn dieſe ſelbſt von einem Unterthan gelaͤug- net wuͤrde, und alſo die Publication des Geſetzes ſelbſt noch ſtreitig waͤre, ob ſie nehmlich gehoͤriger Art geſchehen ſey oder nicht? Wem wuͤrde in ei- nem ſolchen Fall wohl die Laſt des Beweiſes oblie- gen? Die Frage iſt unter den Rechtsgelehrten ſtrei- tig. Leyſer 35) behauptet, daß derjenige, welcher ein vorhandenes Geſez fuͤr ſich anfuͤhrt, deſſelben Publication zu erweiſen nicht noͤthig habe, ſondern dieſe vermuthet werde. Allein dieſe Meinung hat wenig Beifall gefunden, und Leyſer ſelbſt hat ſie in der Folge geaͤndert und mehr eingeſchraͤnkt 36). Die meiſten Rechtsgelehrten nehmen die Regel an, daß die Bekanntmachung eines Geſetzes von demje- nigen, der ſich darauf gruͤndet, bewieſen werden muͤſ- 34) Quiſtorp in den Grundſaͤtzen des peinlichen Rechts 1. Th. 2. Abſchn. 2. Cap. §. 48. 35) Meditat. ad Pand. Spec. VII. m. 1. 36) Vol. XII. Suppl. 1. Spec. 7. med. 16. J 5

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/157>, abgerufen am 29.04.2024.