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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
eigentlich verwirkt, nicht aber diejenige, so erst nachher
durch ein neueres Gesez, wenn auch noch vor geendigter
Untersuchung, ist eingeführet worden 46). Jedoch sind
folgende Ausnahmen von unserer Regel zu bemerken:

1) wenn der Gesezgeber ausdrücklich erklärt hat, daß sich
das Gesez auch auf vergangene Fälle zurückerstrecken
solle. Wir finden davon verschiedene merkwürdige
Beispiele in dem Römischen Gesezbuche. Hierher ge-
hört die Verordnung K. Constantins, worinn der
kommissorische Vertrag in Rücksicht auf Pfän-
der und Hypotheken in seinem ganzen Umfange als
unerlaubt und unverbindlich verworffen wird L. 3.
C. de pactis pignor
.
Auch in der Verordnung Ju-
stinians
, welche L. 3. C. de quadrienn. prae-
script
.
enthält, findet sich am Ende die Clausul:
daß dieses Gesez bis auf den Anfang der Regierung
Justinians (ex eo tempore valitura, quo motu
divino imperiales suscepimus infulas
) zurückwirken
solle 47). Da inzwischen eine Ausnahme von der
Regel immer stricte zu nehmen, so kann eine solche
Verordnung, die sich zugleich auf casus praeteri-
tos
ausdrücklich beziehet, doch nur von solchen ver-
gangenen Handlungen verstanden werden, die noch
nicht durch rechtskräftige Urtheile, oder Vergleich,
oder auf eine andere Art entschieden, oder durch Zah-
lung und Uebergabe, oder sonst ohne Streit bereits
vollzogen, und also schon ante Legem novam völlig
beendiget sind, sondern annoch rechtshängig, oder
zwar beurtheilet, aber doch per Remedia appella-
tio-
46) L. 1. pr. de poenis. L. 21. D. de iniuriis. koch In-
stitut. iur. crim
. §. 39. d.
47) Mehrere Beispiele geben L. 22. §. 1. Cod. de SS. Ec-
cles
.
und L. un. §. 4. C. de contractib. iudicum.

1. Buch. 1. Tit.
eigentlich verwirkt, nicht aber diejenige, ſo erſt nachher
durch ein neueres Geſez, wenn auch noch vor geendigter
Unterſuchung, iſt eingefuͤhret worden 46). Jedoch ſind
folgende Ausnahmen von unſerer Regel zu bemerken:

1) wenn der Geſezgeber ausdruͤcklich erklaͤrt hat, daß ſich
das Geſez auch auf vergangene Faͤlle zuruͤckerſtrecken
ſolle. Wir finden davon verſchiedene merkwuͤrdige
Beiſpiele in dem Roͤmiſchen Geſezbuche. Hierher ge-
hoͤrt die Verordnung K. Conſtantins, worinn der
kommiſſoriſche Vertrag in Ruͤckſicht auf Pfaͤn-
der und Hypotheken in ſeinem ganzen Umfange als
unerlaubt und unverbindlich verworffen wird L. 3.
C. de pactis pignor
.
Auch in der Verordnung Ju-
ſtinians
, welche L. 3. C. de quadrienn. prae-
ſcript
.
enthaͤlt, findet ſich am Ende die Clauſul:
daß dieſes Geſez bis auf den Anfang der Regierung
Juſtinians (ex eo tempore valitura, quo motu
divino imperiales ſuſcepimus infulas
) zuruͤckwirken
ſolle 47). Da inzwiſchen eine Ausnahme von der
Regel immer ſtricte zu nehmen, ſo kann eine ſolche
Verordnung, die ſich zugleich auf caſus praeteri-
tos
ausdruͤcklich beziehet, doch nur von ſolchen ver-
gangenen Handlungen verſtanden werden, die noch
nicht durch rechtskraͤftige Urtheile, oder Vergleich,
oder auf eine andere Art entſchieden, oder durch Zah-
lung und Uebergabe, oder ſonſt ohne Streit bereits
vollzogen, und alſo ſchon ante Legem novam voͤllig
beendiget ſind, ſondern annoch rechtshaͤngig, oder
zwar beurtheilet, aber doch per Remedia appella-
tio-
46) L. 1. pr. de poenis. L. 21. D. de iniuriis. koch In-
ſtitut. iur. crim
. §. 39. d.
47) Mehrere Beiſpiele geben L. 22. §. 1. Cod. de SS. Ec-
cleſ
.
und L. un. §. 4. C. de contractib. iudicum.
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[144/0164] 1. Buch. 1. Tit. eigentlich verwirkt, nicht aber diejenige, ſo erſt nachher durch ein neueres Geſez, wenn auch noch vor geendigter Unterſuchung, iſt eingefuͤhret worden 46). Jedoch ſind folgende Ausnahmen von unſerer Regel zu bemerken: 1) wenn der Geſezgeber ausdruͤcklich erklaͤrt hat, daß ſich das Geſez auch auf vergangene Faͤlle zuruͤckerſtrecken ſolle. Wir finden davon verſchiedene merkwuͤrdige Beiſpiele in dem Roͤmiſchen Geſezbuche. Hierher ge- hoͤrt die Verordnung K. Conſtantins, worinn der kommiſſoriſche Vertrag in Ruͤckſicht auf Pfaͤn- der und Hypotheken in ſeinem ganzen Umfange als unerlaubt und unverbindlich verworffen wird L. 3. C. de pactis pignor. Auch in der Verordnung Ju- ſtinians, welche L. 3. C. de quadrienn. prae- ſcript. enthaͤlt, findet ſich am Ende die Clauſul: daß dieſes Geſez bis auf den Anfang der Regierung Juſtinians (ex eo tempore valitura, quo motu divino imperiales ſuſcepimus infulas) zuruͤckwirken ſolle 47). Da inzwiſchen eine Ausnahme von der Regel immer ſtricte zu nehmen, ſo kann eine ſolche Verordnung, die ſich zugleich auf caſus praeteri- tos ausdruͤcklich beziehet, doch nur von ſolchen ver- gangenen Handlungen verſtanden werden, die noch nicht durch rechtskraͤftige Urtheile, oder Vergleich, oder auf eine andere Art entſchieden, oder durch Zah- lung und Uebergabe, oder ſonſt ohne Streit bereits vollzogen, und alſo ſchon ante Legem novam voͤllig beendiget ſind, ſondern annoch rechtshaͤngig, oder zwar beurtheilet, aber doch per Remedia appella- tio- 46) L. 1. pr. de poenis. L. 21. D. de iniuriis. koch In- ſtitut. iur. crim. §. 39. d. 47) Mehrere Beiſpiele geben L. 22. §. 1. Cod. de SS. Ec- cleſ. und L. un. §. 4. C. de contractib. iudicum.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/164>, abgerufen am 23.04.2024.