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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
Seit dieser Zeit ist also die Regel festgestellet worden,
daß Reichsgesetze vom Kayser mit Einwilligung der
Stände des Reichs oder wenigstens des mehrern
Theils derselben
gemacht werden müssen, wenn sie
das ganze Reich verbinden sollen. Jedoch giebt es
Ausnahmen von dieser Regel, wo noch jezt diejenigen,
welche nicht mit eingewilliget haben, an die mehrere
Stimmen nicht gebunden sind; diese Fälle sind im os-
nabrükischen Frieden
Art. V. §. 2. bestimmt. Es
giebt auch Fälle, wo der Kayser oder gewisse Stände
vor sich etwas thun können, so daß gleichwohl das gan-
ze Reich sich darnach richten muß. Hierher gehört,
a) wenn die Stände dem Kayser etwas zu freyer Dis-
position heimstellen, wovon der Speyerische Reichsab-
schied von 1544. §. 82. ein Beispiel giebt; b) wenn
der Kayser und gesammte Stände gewissen Ständen
einen Auftrag thun, den diese vor sich und gesammte
übrige Stände vollziehen, daher z. E. die Reichsdepu-
tationsabschiede. In seiner Art kann man c) auch die
kayserliche Wahlcapitulationen, die von den Churfürsten
allein gemacht werden, hierher rechnen 72). In Anse-
hung der einzelnen teutschen Reichslande stehet einem
jeden Landesherrn das Recht zu, Gesetze zu geben, und
zwar ist dieses ein eigenes Recht der Landesho-
heit
, zu dessen Ausübung weder eine Concession noch
Bestättigung vom Kayser verlangt wird. Ob aber un-
sere teutsche Landesherrn nicht wenigstens die Einwilli-
gung der Landstände nöthig haben, wenn sie Gesetze ge-
ben wollen, ist eine Frage, bey deren Beantwortung
die Meinungen der Staatsrechtsgeleheten getheilt sind,

indem
72) Carl Friedr. Gerstlachers Corpus iuris germa-
nici publici et privati.
1. Band von Reichsgese-
tzen und Reichsordnungen (Frankf. 1786.) 1. Cap. S. 15
u. folg.

1. Buch. 1. Tit.
Seit dieſer Zeit iſt alſo die Regel feſtgeſtellet worden,
daß Reichsgeſetze vom Kayſer mit Einwilligung der
Staͤnde des Reichs oder wenigſtens des mehrern
Theils derſelben
gemacht werden muͤſſen, wenn ſie
das ganze Reich verbinden ſollen. Jedoch giebt es
Ausnahmen von dieſer Regel, wo noch jezt diejenigen,
welche nicht mit eingewilliget haben, an die mehrere
Stimmen nicht gebunden ſind; dieſe Faͤlle ſind im os-
nabruͤkiſchen Frieden
Art. V. §. 2. beſtimmt. Es
giebt auch Faͤlle, wo der Kayſer oder gewiſſe Staͤnde
vor ſich etwas thun koͤnnen, ſo daß gleichwohl das gan-
ze Reich ſich darnach richten muß. Hierher gehoͤrt,
a) wenn die Staͤnde dem Kayſer etwas zu freyer Dis-
poſition heimſtellen, wovon der Speyeriſche Reichsab-
ſchied von 1544. §. 82. ein Beiſpiel giebt; b) wenn
der Kayſer und geſammte Staͤnde gewiſſen Staͤnden
einen Auftrag thun, den dieſe vor ſich und geſammte
uͤbrige Staͤnde vollziehen, daher z. E. die Reichsdepu-
tationsabſchiede. In ſeiner Art kann man c) auch die
kayſerliche Wahlcapitulationen, die von den Churfuͤrſten
allein gemacht werden, hierher rechnen 72). In Anſe-
hung der einzelnen teutſchen Reichslande ſtehet einem
jeden Landesherrn das Recht zu, Geſetze zu geben, und
zwar iſt dieſes ein eigenes Recht der Landesho-
heit
, zu deſſen Ausuͤbung weder eine Conceſſion noch
Beſtaͤttigung vom Kayſer verlangt wird. Ob aber un-
ſere teutſche Landesherrn nicht wenigſtens die Einwilli-
gung der Landſtaͤnde noͤthig haben, wenn ſie Geſetze ge-
ben wollen, iſt eine Frage, bey deren Beantwortung
die Meinungen der Staatsrechtsgeleheten getheilt ſind,

indem
72) Carl Friedr. Gerſtlachers Corpus iuris germa-
nici publici et privati.
1. Band von Reichsgeſe-
tzen und Reichsordnungen (Frankf. 1786.) 1. Cap. S. 15
u. folg.
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[158/0178] 1. Buch. 1. Tit. Seit dieſer Zeit iſt alſo die Regel feſtgeſtellet worden, daß Reichsgeſetze vom Kayſer mit Einwilligung der Staͤnde des Reichs oder wenigſtens des mehrern Theils derſelben gemacht werden muͤſſen, wenn ſie das ganze Reich verbinden ſollen. Jedoch giebt es Ausnahmen von dieſer Regel, wo noch jezt diejenigen, welche nicht mit eingewilliget haben, an die mehrere Stimmen nicht gebunden ſind; dieſe Faͤlle ſind im os- nabruͤkiſchen Frieden Art. V. §. 2. beſtimmt. Es giebt auch Faͤlle, wo der Kayſer oder gewiſſe Staͤnde vor ſich etwas thun koͤnnen, ſo daß gleichwohl das gan- ze Reich ſich darnach richten muß. Hierher gehoͤrt, a) wenn die Staͤnde dem Kayſer etwas zu freyer Dis- poſition heimſtellen, wovon der Speyeriſche Reichsab- ſchied von 1544. §. 82. ein Beiſpiel giebt; b) wenn der Kayſer und geſammte Staͤnde gewiſſen Staͤnden einen Auftrag thun, den dieſe vor ſich und geſammte uͤbrige Staͤnde vollziehen, daher z. E. die Reichsdepu- tationsabſchiede. In ſeiner Art kann man c) auch die kayſerliche Wahlcapitulationen, die von den Churfuͤrſten allein gemacht werden, hierher rechnen 72). In Anſe- hung der einzelnen teutſchen Reichslande ſtehet einem jeden Landesherrn das Recht zu, Geſetze zu geben, und zwar iſt dieſes ein eigenes Recht der Landesho- heit, zu deſſen Ausuͤbung weder eine Conceſſion noch Beſtaͤttigung vom Kayſer verlangt wird. Ob aber un- ſere teutſche Landesherrn nicht wenigſtens die Einwilli- gung der Landſtaͤnde noͤthig haben, wenn ſie Geſetze ge- ben wollen, iſt eine Frage, bey deren Beantwortung die Meinungen der Staatsrechtsgeleheten getheilt ſind, indem 72) Carl Friedr. Gerſtlachers Corpus iuris germa- nici publici et privati. 1. Band von Reichsgeſe- tzen und Reichsordnungen (Frankf. 1786.) 1. Cap. S. 15 u. folg.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/178>, abgerufen am 29.03.2024.