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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
zum Gegenstand haben, und daher Reichsprivatge-
setze
genennt werden. Reichsgesetze der erstern Art
können einzelne Reichsstände durch ihre Landesgesetze nicht
abändern; denn einmahl ist hier der Wille des Kay-
sers und Reichs durchaus und schlechterdings gebietend;
sodann aber bekömmt auch durch dergleichen Reichs-
grundgesetze ein Theil entweder der Kayser oder die
Stände, oder einzelne Corpora derselben vertragsweise
ein ius quaesitum, in welches durch besondere Landes-
verordnungen nicht eingegriffen werden kann. Insofern
jedoch eine dergleichen Reichsverordnung zum Vortheil
der Landesherrn, oder der Landstände und Unterthanen
gemacht worden ist, kann sie durch beiderseitige Einwil-
ligung abgeändert werden. Zum Beispiel dient der
§. 180. des J. R. A. und Art. V. §. 31. des Os-
nabr. Fried. Instr. Soviel hiernächst die Reichspri-
vatgesetze
anbetrifft, so kommt es in Ansehung der-
selben zuförderst darauf an, ob die Clausula salvato-
ria
denenselben beygefügt sey oder nicht. Ist das er-
ste, so ist keinem Zweifel unterworffen, daß einem
Reichsstande die Befugnis, solchen Reichsgesetzen durch
Landesgesetze zu derogiren, allerdings zustehe, denn dies
bringt die Natur der salvatorischen Clausel mit sich.
Hierdurch werden nicht allein zur Zeit des Reichsgese-
tzes vorhandene, sondern auch noch nachfolgende Gewohn-
heiten und Landesverordnungen, ob sie gleich dem Reichs-
gesetze widersprechen, selbst vom Reich genehmiget. Bei-
spiele liefern uns K. Carls V. Peinl. Gerichtsordnung
in der Vorrede, und der jüngste Reichsabschied §. 171.
und 176. desgleichen der Reichsschl. vom 4. Sept.
1731. art. 1. nach welchem jedem Reichsstande nach
Gelegenheit der Zeit und Umstände die Aenderung und
Verbesserung der Innungsbriefe vorbehalten worden ist.

Wenn
Glücks Erläut. d. Pand. 1. Th. L

de Iuſtitia et Iure.
zum Gegenſtand haben, und daher Reichsprivatge-
ſetze
genennt werden. Reichsgeſetze der erſtern Art
koͤnnen einzelne Reichsſtaͤnde durch ihre Landesgeſetze nicht
abaͤndern; denn einmahl iſt hier der Wille des Kay-
ſers und Reichs durchaus und ſchlechterdings gebietend;
ſodann aber bekoͤmmt auch durch dergleichen Reichs-
grundgeſetze ein Theil entweder der Kayſer oder die
Staͤnde, oder einzelne Corpora derſelben vertragsweiſe
ein ius quaeſitum, in welches durch beſondere Landes-
verordnungen nicht eingegriffen werden kann. Inſofern
jedoch eine dergleichen Reichsverordnung zum Vortheil
der Landesherrn, oder der Landſtaͤnde und Unterthanen
gemacht worden iſt, kann ſie durch beiderſeitige Einwil-
ligung abgeaͤndert werden. Zum Beiſpiel dient der
§. 180. des J. R. A. und Art. V. §. 31. des Os-
nabr. Fried. Inſtr. Soviel hiernaͤchſt die Reichspri-
vatgeſetze
anbetrifft, ſo kommt es in Anſehung der-
ſelben zufoͤrderſt darauf an, ob die Clauſula ſalvato-
ria
denenſelben beygefuͤgt ſey oder nicht. Iſt das er-
ſte, ſo iſt keinem Zweifel unterworffen, daß einem
Reichsſtande die Befugnis, ſolchen Reichsgeſetzen durch
Landesgeſetze zu derogiren, allerdings zuſtehe, denn dies
bringt die Natur der ſalvatoriſchen Clauſel mit ſich.
Hierdurch werden nicht allein zur Zeit des Reichsgeſe-
tzes vorhandene, ſondern auch noch nachfolgende Gewohn-
heiten und Landesverordnungen, ob ſie gleich dem Reichs-
geſetze widerſprechen, ſelbſt vom Reich genehmiget. Bei-
ſpiele liefern uns K. Carls V. Peinl. Gerichtsordnung
in der Vorrede, und der juͤngſte Reichsabſchied §. 171.
und 176. desgleichen der Reichsſchl. vom 4. Sept.
1731. art. 1. nach welchem jedem Reichsſtande nach
Gelegenheit der Zeit und Umſtaͤnde die Aenderung und
Verbeſſerung der Innungsbriefe vorbehalten worden iſt.

Wenn
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. L
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[161/0181] de Iuſtitia et Iure. zum Gegenſtand haben, und daher Reichsprivatge- ſetze genennt werden. Reichsgeſetze der erſtern Art koͤnnen einzelne Reichsſtaͤnde durch ihre Landesgeſetze nicht abaͤndern; denn einmahl iſt hier der Wille des Kay- ſers und Reichs durchaus und ſchlechterdings gebietend; ſodann aber bekoͤmmt auch durch dergleichen Reichs- grundgeſetze ein Theil entweder der Kayſer oder die Staͤnde, oder einzelne Corpora derſelben vertragsweiſe ein ius quaeſitum, in welches durch beſondere Landes- verordnungen nicht eingegriffen werden kann. Inſofern jedoch eine dergleichen Reichsverordnung zum Vortheil der Landesherrn, oder der Landſtaͤnde und Unterthanen gemacht worden iſt, kann ſie durch beiderſeitige Einwil- ligung abgeaͤndert werden. Zum Beiſpiel dient der §. 180. des J. R. A. und Art. V. §. 31. des Os- nabr. Fried. Inſtr. Soviel hiernaͤchſt die Reichspri- vatgeſetze anbetrifft, ſo kommt es in Anſehung der- ſelben zufoͤrderſt darauf an, ob die Clauſula ſalvato- ria denenſelben beygefuͤgt ſey oder nicht. Iſt das er- ſte, ſo iſt keinem Zweifel unterworffen, daß einem Reichsſtande die Befugnis, ſolchen Reichsgeſetzen durch Landesgeſetze zu derogiren, allerdings zuſtehe, denn dies bringt die Natur der ſalvatoriſchen Clauſel mit ſich. Hierdurch werden nicht allein zur Zeit des Reichsgeſe- tzes vorhandene, ſondern auch noch nachfolgende Gewohn- heiten und Landesverordnungen, ob ſie gleich dem Reichs- geſetze widerſprechen, ſelbſt vom Reich genehmiget. Bei- ſpiele liefern uns K. Carls V. Peinl. Gerichtsordnung in der Vorrede, und der juͤngſte Reichsabſchied §. 171. und 176. desgleichen der Reichsſchl. vom 4. Sept. 1731. art. 1. nach welchem jedem Reichsſtande nach Gelegenheit der Zeit und Umſtaͤnde die Aenderung und Verbeſſerung der Innungsbriefe vorbehalten worden iſt. Wenn Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. L

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/181>, abgerufen am 29.04.2024.