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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
seyn solte, natürliche Verbindlichkeiten, deren das
bürgerliche Recht nicht gedenket,
in foro civi-
li
geltend zu machen 93)? Wer hieran zweifelt, lese
nur, was Papinian sagt in L. 1. D. de praescr.
verb.
Nonnunquam euenit, ut cessantibus iudiciis
proditis et vulgaribus actionibus, cum proprium no-
men invenire non possumus, facile descendamus ad
eas, quae in factum appellantur;
und Pompon er-
kennt bey dem Mangel, der in den bürgerlichen Gese-
tzen selbst bestimmten Klagen die Nothwendigkeit der
actionum in factum in folgenden Worten der L. 11.
D. eodem: Quia actionum non plenus numerus esset,
ideo plerumque actiones in factum desiderantur.
Eben
dieses bestärkt auch der Imperator selbst §. ult. I. de
lege Aquilia.
durch folgendes Beispiel: Cum non suffi-
ciat neque directa neque utilis legis Aquiliae actio,
placuit eum, qui obnoxius fuerit, in factum actio-
ne
teneri.
Der Grund hiervon ist kein anderer, als
welchen Paulus an einem andern Ort L. 2. §. 5. D.
de aqua et aquae pluviae
mit folgenden Worten an-
führt: boc aequitas suggerit, etsi iure deficiamur 94).
Wer nun bey so klar redenden Gesetzen noch einen Au-
genblick daran zweifeln wolte, ob eine aus der blosen
natürlichen Billigkeit erhobene Klage nach dem römi-
schen Rechte zulässig sey, der müßte mit Vorsaz der

Wahr-
93) Chr. Frid Ge. meister Diss. de in factum actio-
nibus
Goettingae 1748. in Syllog. I. Opuscul. N. VII.
94) Mit Recht sagt daher J. L. Schmidt im praktischen
Lehrbuch von gerichtl. Klagen u. Einreden

(Jena 1786.) §. 26. S. 24." Sonst bedeutet actio in
factum
diejenige Klage, welche weder aus den Worten
noch aus dem Sinn der Gesetze, sondern aus der Bil-
ligkeit entspringet.

de Iuſtitia et Iure.
ſeyn ſolte, natuͤrliche Verbindlichkeiten, deren das
buͤrgerliche Recht nicht gedenket,
in foro civi-
li
geltend zu machen 93)? Wer hieran zweifelt, leſe
nur, was Papinian ſagt in L. 1. D. de praeſcr.
verb.
Nonnunquam euenit, ut ceſſantibus iudiciis
proditis et vulgaribus actionibus, cum proprium no-
men invenire non poſſumus, facile deſcendamus ad
eas, quae in factum appellantur;
und Pompon er-
kennt bey dem Mangel, der in den buͤrgerlichen Geſe-
tzen ſelbſt beſtimmten Klagen die Nothwendigkeit der
actionum in factum in folgenden Worten der L. 11.
D. eodem: Quia actionum non plenus numerus eſſet,
ideo plerumque actiones in factum deſiderantur.
Eben
dieſes beſtaͤrkt auch der Imperator ſelbſt §. ult. I. de
lege Aquilia.
durch folgendes Beiſpiel: Cum non ſuffi-
ciat neque directa neque utilis legis Aquiliae actio,
placuit eum, qui obnoxius fuerit, in factum actio-
ne
teneri.
Der Grund hiervon iſt kein anderer, als
welchen Paulus an einem andern Ort L. 2. §. 5. D.
de aqua et aquae pluviae
mit folgenden Worten an-
fuͤhrt: boc aequitas ſuggerit, etſi iure deficiamur 94).
Wer nun bey ſo klar redenden Geſetzen noch einen Au-
genblick daran zweifeln wolte, ob eine aus der bloſen
natuͤrlichen Billigkeit erhobene Klage nach dem roͤmi-
ſchen Rechte zulaͤſſig ſey, der muͤßte mit Vorſaz der

Wahr-
93) Chr. Frid Ge. meister Diſſ. de in factum actio-
nibus
Goettingae 1748. in Syllog. I. Opuſcul. N. VII.
94) Mit Recht ſagt daher J. L. Schmidt im praktiſchen
Lehrbuch von gerichtl. Klagen u. Einreden

(Jena 1786.) §. 26. S. 24.„ Sonſt bedeutet actio in
factum
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[175/0195] de Iuſtitia et Iure. ſeyn ſolte, natuͤrliche Verbindlichkeiten, deren das buͤrgerliche Recht nicht gedenket, in foro civi- li geltend zu machen 93)? Wer hieran zweifelt, leſe nur, was Papinian ſagt in L. 1. D. de praeſcr. verb. Nonnunquam euenit, ut ceſſantibus iudiciis proditis et vulgaribus actionibus, cum proprium no- men invenire non poſſumus, facile deſcendamus ad eas, quae in factum appellantur; und Pompon er- kennt bey dem Mangel, der in den buͤrgerlichen Geſe- tzen ſelbſt beſtimmten Klagen die Nothwendigkeit der actionum in factum in folgenden Worten der L. 11. D. eodem: Quia actionum non plenus numerus eſſet, ideo plerumque actiones in factum deſiderantur. Eben dieſes beſtaͤrkt auch der Imperator ſelbſt §. ult. I. de lege Aquilia. durch folgendes Beiſpiel: Cum non ſuffi- ciat neque directa neque utilis legis Aquiliae actio, placuit eum, qui obnoxius fuerit, in factum actio- ne teneri. Der Grund hiervon iſt kein anderer, als welchen Paulus an einem andern Ort L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluviae mit folgenden Worten an- fuͤhrt: boc aequitas ſuggerit, etſi iure deficiamur 94). Wer nun bey ſo klar redenden Geſetzen noch einen Au- genblick daran zweifeln wolte, ob eine aus der bloſen natuͤrlichen Billigkeit erhobene Klage nach dem roͤmi- ſchen Rechte zulaͤſſig ſey, der muͤßte mit Vorſaz der Wahr- 93) Chr. Frid Ge. meister Diſſ. de in factum actio- nibus Goettingae 1748. in Syllog. I. Opuſcul. N. VII. 94) Mit Recht ſagt daher J. L. Schmidt im praktiſchen Lehrbuch von gerichtl. Klagen u. Einreden (Jena 1786.) §. 26. S. 24.„ Sonſt bedeutet actio in factum diejenige Klage, welche weder aus den Worten noch aus dem Sinn der Geſetze, ſondern aus der Bil- ligkeit entſpringet.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/195>, abgerufen am 28.04.2024.