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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
der Rechtsgelehrten, oder sogenannte praeiudicia, d. i.
Entscheidungen und Urtheile eines oder verschiedener
Rechtsstühle, die in einem ähnlichen streitigen Fall er-
theilet worden sind, für sich hätte 80). Bey der gros-
sen Anzahl von Rechtsgelehrten, die ausser unsern Au-
ctor (Not. o.) dieser Lehre zugethan sind, scheint es bey-
nahe eine Verwegenheit zu seyn, dagegen Zweifel zu er-
regen. Allein erwägt man, was schon ein berühmter
Rechtsgelehrter des vorigen Jahrhunderts 81) mit eben
soviel Wahrheit als Freymüthigkeit sagte, daß gemeine
Meinungen der Rechtsgelehrten nicht selten gemeine Ir-
thümer sind, und daß sich bey dem grossen Vorrath iu-
ristischer Schriften schwer bestimmen lasse, welche Mei-
nung für eine allgemeine zu halten sey; daß es ferner
bey den Meinungen der Rechtsgelehrten nicht darauf an-
komme, was sie behaupten, oder wie viele unter ihnen
einen Saz annehmen, sondern ob und in wiefern Ge-
seze und Rechtsgründe ihren Lehren beystim-
men
82); so ist in keinem Betrachte abzusehen, wie
das blose Ansehen der Rechtsgelehrten den verlieh-
renden Theil gegen die Vergütung der Unkosten schützen
könne, da er weiß, daß der Richter nicht nach Meinun-
gen der Rechtsgelehrten, sondern nur nach Gesetzen und
deren Analogie urtheilen dürfe. Bedenkt man ferner,
daß, wenn die Entscheidung des Richters gegen die an-
geführten praeiudicia iuris ausfällt, sodann vermöge
des Urtheils der verliehrende Theil als derjenige zu be-

han-
80) brunnemann Proc. civ. Cap. 27. n. 78. reinharth
de errorib. Pragmaticor. in doctrina de compensat. ex-
pensar. §. 30. lauterbach de expensis victoriae th.
44. leyser Spec. LXXXVIII. m. 1
. Hoffmann teutsche
Reichspraxis §. 797. und andere mehr.
81) Casp. ziegler Dicastic. Concl. 39. §. 30.
82) L. un. §. 6. Cod. de vet, iure enucl.

de Iuſtitia et Iure.
der Rechtsgelehrten, oder ſogenannte praeiudicia, d. i.
Entſcheidungen und Urtheile eines oder verſchiedener
Rechtsſtuͤhle, die in einem aͤhnlichen ſtreitigen Fall er-
theilet worden ſind, fuͤr ſich haͤtte 80). Bey der groſ-
ſen Anzahl von Rechtsgelehrten, die auſſer unſern Au-
ctor (Not. o.) dieſer Lehre zugethan ſind, ſcheint es bey-
nahe eine Verwegenheit zu ſeyn, dagegen Zweifel zu er-
regen. Allein erwaͤgt man, was ſchon ein beruͤhmter
Rechtsgelehrter des vorigen Jahrhunderts 81) mit eben
ſoviel Wahrheit als Freymuͤthigkeit ſagte, daß gemeine
Meinungen der Rechtsgelehrten nicht ſelten gemeine Ir-
thuͤmer ſind, und daß ſich bey dem groſſen Vorrath iu-
riſtiſcher Schriften ſchwer beſtimmen laſſe, welche Mei-
nung fuͤr eine allgemeine zu halten ſey; daß es ferner
bey den Meinungen der Rechtsgelehrten nicht darauf an-
komme, was ſie behaupten, oder wie viele unter ihnen
einen Saz annehmen, ſondern ob und in wiefern Ge-
ſeze und Rechtsgruͤnde ihren Lehren beyſtim-
men
82); ſo iſt in keinem Betrachte abzuſehen, wie
das bloſe Anſehen der Rechtsgelehrten den verlieh-
renden Theil gegen die Verguͤtung der Unkoſten ſchuͤtzen
koͤnne, da er weiß, daß der Richter nicht nach Meinun-
gen der Rechtsgelehrten, ſondern nur nach Geſetzen und
deren Analogie urtheilen duͤrfe. Bedenkt man ferner,
daß, wenn die Entſcheidung des Richters gegen die an-
gefuͤhrten praeiudicia iuris ausfaͤllt, ſodann vermoͤge
des Urtheils der verliehrende Theil als derjenige zu be-

han-
80) brunnemann Proc. civ. Cap. 27. n. 78. reinharth
de errorib. Pragmaticor. in doctrina de compenſat. ex-
penſar. §. 30. lauterbach de expenſis victoriae th.
44. leyser Spec. LXXXVIII. m. 1
. Hoffmann teutſche
Reichspraxis §. 797. und andere mehr.
81) Casp. ziegler Dicaſtic. Concl. 39. §. 30.
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[219/0239] de Iuſtitia et Iure. der Rechtsgelehrten, oder ſogenannte praeiudicia, d. i. Entſcheidungen und Urtheile eines oder verſchiedener Rechtsſtuͤhle, die in einem aͤhnlichen ſtreitigen Fall er- theilet worden ſind, fuͤr ſich haͤtte 80). Bey der groſ- ſen Anzahl von Rechtsgelehrten, die auſſer unſern Au- ctor (Not. o.) dieſer Lehre zugethan ſind, ſcheint es bey- nahe eine Verwegenheit zu ſeyn, dagegen Zweifel zu er- regen. Allein erwaͤgt man, was ſchon ein beruͤhmter Rechtsgelehrter des vorigen Jahrhunderts 81) mit eben ſoviel Wahrheit als Freymuͤthigkeit ſagte, daß gemeine Meinungen der Rechtsgelehrten nicht ſelten gemeine Ir- thuͤmer ſind, und daß ſich bey dem groſſen Vorrath iu- riſtiſcher Schriften ſchwer beſtimmen laſſe, welche Mei- nung fuͤr eine allgemeine zu halten ſey; daß es ferner bey den Meinungen der Rechtsgelehrten nicht darauf an- komme, was ſie behaupten, oder wie viele unter ihnen einen Saz annehmen, ſondern ob und in wiefern Ge- ſeze und Rechtsgruͤnde ihren Lehren beyſtim- men 82); ſo iſt in keinem Betrachte abzuſehen, wie das bloſe Anſehen der Rechtsgelehrten den verlieh- renden Theil gegen die Verguͤtung der Unkoſten ſchuͤtzen koͤnne, da er weiß, daß der Richter nicht nach Meinun- gen der Rechtsgelehrten, ſondern nur nach Geſetzen und deren Analogie urtheilen duͤrfe. Bedenkt man ferner, daß, wenn die Entſcheidung des Richters gegen die an- gefuͤhrten praeiudicia iuris ausfaͤllt, ſodann vermoͤge des Urtheils der verliehrende Theil als derjenige zu be- han- 80) brunnemann Proc. civ. Cap. 27. n. 78. reinharth de errorib. Pragmaticor. in doctrina de compenſat. ex- penſar. §. 30. lauterbach de expenſis victoriae th. 44. leyser Spec. LXXXVIII. m. 1. Hoffmann teutſche Reichspraxis §. 797. und andere mehr. 81) Casp. ziegler Dicaſtic. Concl. 39. §. 30. 82) L. un. §. 6. Cod. de vet, iure enucl.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/239>, abgerufen am 28.03.2024.