Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 1. Tit.
ten Willen einzig und allein bestimmt werden muste 13).
Hieraus lasse sich nun begreifen, warum die Habitation
durch die Kapitisdeminution nicht aufgehoben worden 14).
Denn die Kapitisdeminution vertilge zwar gesetzliche
Rechte, aber da sie auf den natürlichen Zustand des
Bürgers gar keine Beziehung hatte, so ließ sie die na-
türliche Rechte unangetastet 15).


Der
13) Daß die römischen Juristen hierüber mit einander unei-
nig gewesen, lässet sich aus den §. 5. I. de usu et habitat.
und L. 13. C. de usufr. erkennen.
14) L. 10. pr. D. de usu et hab. Beym Usufructu war es
anders, dieser gieng durch erlittene Kapitisdeminution
verlohren. paulus lib. III. Sentent. Recept. tit. 6. §. 29.
Daher war es eine Cautel der Römischen Testatoren, den
Ususfructus entweder unter der Formel: Titio usumfru-
ctum fundi lego; et quotiensque capite minutus erit, eun-
dem usumfructum ei do lego,
welche wir beym Gajus
in L. 8. D. de annuis legat. finden; oder selbigen den Lega-
tarius ausdrücklich auf seine ganze Lebenszeit zu vermachen,
L. 3. pr. D. quib. mod. usufr. oder Tag- Monath- oder
Jahrweise (in singulos dies, menses, annosve) zu legiren.
L. 2. §. 1. D. quib. mod. usufr. amitt. Auf solche Art
wurde das Legat vervielfältiget; und der Legatar war nun
auf jeden Unfall gedeckt. Gieng daher auch das Legat für
ein oder mehrere Jahre wegen erlittener Kapitisdeminu-
tion des Legatars verlohren, so konnte er doch, sobald
die Ursach des Verlusts gehoben, für die künftige Zeit gleich-
sam aus einem neuen Vermächtniß (ex repetitione) die
Nutzniessung behaupten, weil auf jeden Fall einer etwa
erlittenen Kapitisdeminution, auf jedes einzelne Lebensjahr
des Legatarius, ja auf ieden Monath, oder Tag demsel-
ben gleichsam ein besonderer und wiederholter Ususfructus
vermacht worden, welchen derselbe nach jeder erlittenen
Veränderung immer wieder von neuen anfangen konnte. v.
L. 3. § 1. L. 5. D. quib. mod. ususfr. amit. L. 3. §. 2.
D. Usufr. quemadm. cav. L. 23. D. de usu et usufr.
15) L. 8. D. de cap. minut. Eas obligationes, quae naturalem
praesta-

1. Buch. 1. Tit.
ten Willen einzig und allein beſtimmt werden muſte 13).
Hieraus laſſe ſich nun begreifen, warum die Habitation
durch die Kapitisdeminution nicht aufgehoben worden 14).
Denn die Kapitisdeminution vertilge zwar geſetzliche
Rechte, aber da ſie auf den natuͤrlichen Zuſtand des
Buͤrgers gar keine Beziehung hatte, ſo ließ ſie die na-
tuͤrliche Rechte unangetaſtet 15).


Der
13) Daß die roͤmiſchen Juriſten hieruͤber mit einander unei-
nig geweſen, laͤſſet ſich aus den §. 5. I. de uſu et habitat.
und L. 13. C. de uſufr. erkennen.
14) L. 10. pr. D. de uſu et hab. Beym Uſufructu war es
anders, dieſer gieng durch erlittene Kapitisdeminution
verlohren. paulus lib. III. Sentent. Recept. tit. 6. §. 29.
Daher war es eine Cautel der Roͤmiſchen Teſtatoren, den
Uſusfructus entweder unter der Formel: Titio uſumfru-
ctum fundi lego; et quotiensque capite minutus erit, eun-
dem uſumfructum ei do lego,
welche wir beym Gajus
in L. 8. D. de annuis legat. finden; oder ſelbigen den Lega-
tarius ausdruͤcklich auf ſeine ganze Lebenszeit zu vermachen,
L. 3. pr. D. quib. mod. uſufr. oder Tag- Monath- oder
Jahrweiſe (in ſingulos dies, menſes, annosve) zu legiren.
L. 2. §. 1. D. quib. mod. uſufr. amitt. Auf ſolche Art
wurde das Legat vervielfaͤltiget; und der Legatar war nun
auf jeden Unfall gedeckt. Gieng daher auch das Legat fuͤr
ein oder mehrere Jahre wegen erlittener Kapitisdeminu-
tion des Legatars verlohren, ſo konnte er doch, ſobald
die Urſach des Verluſts gehoben, fuͤr die kuͤnftige Zeit gleich-
ſam aus einem neuen Vermaͤchtniß (ex repetitione) die
Nutznieſſung behaupten, weil auf jeden Fall einer etwa
erlittenen Kapitisdeminution, auf jedes einzelne Lebensjahr
des Legatarius, ja auf ieden Monath, oder Tag demſel-
ben gleichſam ein beſonderer und wiederholter Uſusfructus
vermacht worden, welchen derſelbe nach jeder erlittenen
Veraͤnderung immer wieder von neuen anfangen konnte. v.
L. 3. § 1. L. 5. D. quib. mod. uſusfr. amit. L. 3. §. 2.
D. Uſufr. quemadm. cav. L. 23. D. de uſu et uſufr.
15) L. 8. D. de cap. minut. Eas obligationes, quae naturalem
praeſta-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0034" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
ten Willen einzig und allein be&#x017F;timmt werden mu&#x017F;te <note place="foot" n="13)">Daß die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten hieru&#x0364;ber mit einander unei-<lb/>
nig gewe&#x017F;en, la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich aus den §. 5. <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">I. de u&#x017F;u et habitat.</hi></hi><lb/>
und <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 13. C. de u&#x017F;ufr.</hi></hi> erkennen.</note>.<lb/>
Hieraus la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich nun begreifen, warum die Habitation<lb/>
durch die Kapitisdeminution nicht aufgehoben worden <note place="foot" n="14)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 10. pr. D. de u&#x017F;u et hab.</hi></hi> Beym <hi rendition="#aq">U&#x017F;ufructu</hi> war es<lb/>
anders, die&#x017F;er gieng durch erlittene Kapitisdeminution<lb/>
verlohren. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">paulus</hi><hi rendition="#i">lib. III. Sentent. Recept.</hi> tit.</hi> 6. §. 29.<lb/>
Daher war es eine Cautel der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Te&#x017F;tatoren, den<lb/><hi rendition="#aq">U&#x017F;usfructus</hi> entweder unter der Formel: <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Titio u&#x017F;umfru-<lb/>
ctum fundi lego; et quotiensque capite minutus erit, eun-<lb/>
dem u&#x017F;umfructum ei do lego,</hi></hi> welche wir beym Gajus<lb/>
in <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 8. D. de annuis legat.</hi></hi> finden; oder &#x017F;elbigen den Lega-<lb/>
tarius ausdru&#x0364;cklich auf &#x017F;eine ganze Lebenszeit zu vermachen,<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 3. pr. D. quib. mod. u&#x017F;ufr.</hi></hi> oder Tag- Monath- oder<lb/>
Jahrwei&#x017F;e (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">in &#x017F;ingulos dies, men&#x017F;es, annosve</hi></hi>) zu legiren.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2. §. 1. <hi rendition="#i">D. quib. mod. u&#x017F;ufr. amitt.</hi></hi> Auf &#x017F;olche Art<lb/>
wurde das Legat vervielfa&#x0364;ltiget; und der Legatar war nun<lb/>
auf jeden Unfall gedeckt. Gieng daher auch das Legat fu&#x0364;r<lb/>
ein oder mehrere Jahre wegen erlittener Kapitisdeminu-<lb/>
tion des Legatars verlohren, &#x017F;o konnte er doch, &#x017F;obald<lb/>
die Ur&#x017F;ach des Verlu&#x017F;ts gehoben, fu&#x0364;r die ku&#x0364;nftige Zeit gleich-<lb/>
&#x017F;am aus einem neuen Verma&#x0364;chtniß (<hi rendition="#aq">ex repetitione</hi>) die<lb/>
Nutznie&#x017F;&#x017F;ung behaupten, weil auf jeden Fall einer etwa<lb/>
erlittenen Kapitisdeminution, auf jedes einzelne Lebensjahr<lb/>
des Legatarius, ja auf ieden Monath, oder Tag dem&#x017F;el-<lb/>
ben gleich&#x017F;am ein be&#x017F;onderer und wiederholter <hi rendition="#aq">U&#x017F;usfructus</hi><lb/>
vermacht worden, welchen der&#x017F;elbe nach jeder erlittenen<lb/>
Vera&#x0364;nderung immer wieder von neuen anfangen konnte. <hi rendition="#aq">v.<lb/><hi rendition="#i">L. 3. § 1. L. 5. D. quib. mod. u&#x017F;usfr. amit. L. 3.</hi> §. <hi rendition="#i">2.<lb/>
D. U&#x017F;ufr. quemadm. cav. L. 23. D. de u&#x017F;u et u&#x017F;ufr.</hi></hi></note>.<lb/>
Denn die Kapitisdeminution vertilge zwar ge&#x017F;etzliche<lb/>
Rechte, aber da &#x017F;ie auf den natu&#x0364;rlichen Zu&#x017F;tand des<lb/>
Bu&#x0364;rgers gar keine Beziehung hatte, &#x017F;o ließ &#x017F;ie die na-<lb/>
tu&#x0364;rliche Rechte unangeta&#x017F;tet <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="15)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 8. D. de cap. minut.</hi> Eas obligationes, quae naturalem</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">prae&#x017F;ta-</hi></fw></note>.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0034] 1. Buch. 1. Tit. ten Willen einzig und allein beſtimmt werden muſte 13). Hieraus laſſe ſich nun begreifen, warum die Habitation durch die Kapitisdeminution nicht aufgehoben worden 14). Denn die Kapitisdeminution vertilge zwar geſetzliche Rechte, aber da ſie auf den natuͤrlichen Zuſtand des Buͤrgers gar keine Beziehung hatte, ſo ließ ſie die na- tuͤrliche Rechte unangetaſtet 15). Der 13) Daß die roͤmiſchen Juriſten hieruͤber mit einander unei- nig geweſen, laͤſſet ſich aus den §. 5. I. de uſu et habitat. und L. 13. C. de uſufr. erkennen. 14) L. 10. pr. D. de uſu et hab. Beym Uſufructu war es anders, dieſer gieng durch erlittene Kapitisdeminution verlohren. paulus lib. III. Sentent. Recept. tit. 6. §. 29. Daher war es eine Cautel der Roͤmiſchen Teſtatoren, den Uſusfructus entweder unter der Formel: Titio uſumfru- ctum fundi lego; et quotiensque capite minutus erit, eun- dem uſumfructum ei do lego, welche wir beym Gajus in L. 8. D. de annuis legat. finden; oder ſelbigen den Lega- tarius ausdruͤcklich auf ſeine ganze Lebenszeit zu vermachen, L. 3. pr. D. quib. mod. uſufr. oder Tag- Monath- oder Jahrweiſe (in ſingulos dies, menſes, annosve) zu legiren. L. 2. §. 1. D. quib. mod. uſufr. amitt. Auf ſolche Art wurde das Legat vervielfaͤltiget; und der Legatar war nun auf jeden Unfall gedeckt. Gieng daher auch das Legat fuͤr ein oder mehrere Jahre wegen erlittener Kapitisdeminu- tion des Legatars verlohren, ſo konnte er doch, ſobald die Urſach des Verluſts gehoben, fuͤr die kuͤnftige Zeit gleich- ſam aus einem neuen Vermaͤchtniß (ex repetitione) die Nutznieſſung behaupten, weil auf jeden Fall einer etwa erlittenen Kapitisdeminution, auf jedes einzelne Lebensjahr des Legatarius, ja auf ieden Monath, oder Tag demſel- ben gleichſam ein beſonderer und wiederholter Uſusfructus vermacht worden, welchen derſelbe nach jeder erlittenen Veraͤnderung immer wieder von neuen anfangen konnte. v. L. 3. § 1. L. 5. D. quib. mod. uſusfr. amit. L. 3. §. 2. D. Uſufr. quemadm. cav. L. 23. D. de uſu et uſufr. 15) L. 8. D. de cap. minut. Eas obligationes, quae naturalem praeſta-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/34
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/34>, abgerufen am 15.10.2024.