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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.

Der andern Stelle, nehmlich des Paulus, wird
hiernächst folgender Sinn beygelegt 16): Stipulationen,
als Contracte, sind die Quelle gesetzlicher und eigentli-
cher Rechte und Verbindlichkeiten; (in stipulationibus
ius continetur)
simple Verträge hingegen erzeugen blos
natürliche Verbindlichkeiten, welche, wenn sie in das
Licht der Römischen Gesetzgebung gestellet werden, ver-
schwinden. Daher kömmt dabey nur das Facrum oder
der Vertrag selbst in Betrachtung (in pactis factum
versatur)
17). Oder, wie sich ein neuerer Schriftstel-
ler 18 ausdruckt: die Stipulationen sind schon nach den
Civilgesetzen gültig, den pactis aber sind nur vom Prä-
tor, der natürlichen Billigkeit wegen, einige Wirkungen
beygelegt worden. Die pacta werden als etwas blos
factisches angesehen, das eigentliche Recht nimmt sie gar
nicht an.

Eben so erklärt man die obige Stelle Ulpians 19).
Der Knecht, welcher nach dem Römischen Recht gar
keine Person hatte, sondern als blose Sache, die zum
Vermögen des Privatmannes gehörte, behandelt wur-
de, war keiner Rechte und Verbindlichkeiten, das ist,
solcher, die das Gesetz dafür anerkannt hatte, fähig.

Dero-
pracstationem habere intelliguntur, palam et capitis de-
minutione non perire; quia civilis ratio naturalia iura
corrumpere non potest.
16) Gmelin a. a. O. §. 58.
17) charondas in Verisimil. Lib. I. c. 4. n. 2. hat dieses
Fragment eben so ausgelegt. S. ottonis Thes. Iur. Rom.
T. 1. p.
692.
18 S. Sammlung der röm. Geseze auf Befehl
Kr. Justinians verfertiget, ins Teutsche mit
erläuternden Anmerkungen übersetzt.
1. Theil
Pandekten. Frankf. u. Leipz. 1785. S. 54. Anmerk. d.
19) L. 41. D. de pecutio.
de Iuſtitia et Iure.

Der andern Stelle, nehmlich des Paulus, wird
hiernaͤchſt folgender Sinn beygelegt 16): Stipulationen,
als Contracte, ſind die Quelle geſetzlicher und eigentli-
cher Rechte und Verbindlichkeiten; (in ſtipulationibus
ius continetur)
ſimple Vertraͤge hingegen erzeugen blos
natuͤrliche Verbindlichkeiten, welche, wenn ſie in das
Licht der Roͤmiſchen Geſetzgebung geſtellet werden, ver-
ſchwinden. Daher koͤmmt dabey nur das Facrum oder
der Vertrag ſelbſt in Betrachtung (in pactis factum
verſatur)
17). Oder, wie ſich ein neuerer Schriftſtel-
ler 18 ausdruckt: die Stipulationen ſind ſchon nach den
Civilgeſetzen guͤltig, den pactis aber ſind nur vom Praͤ-
tor, der natuͤrlichen Billigkeit wegen, einige Wirkungen
beygelegt worden. Die pacta werden als etwas blos
factiſches angeſehen, das eigentliche Recht nimmt ſie gar
nicht an.

Eben ſo erklaͤrt man die obige Stelle Ulpians 19).
Der Knecht, welcher nach dem Roͤmiſchen Recht gar
keine Perſon hatte, ſondern als bloſe Sache, die zum
Vermoͤgen des Privatmannes gehoͤrte, behandelt wur-
de, war keiner Rechte und Verbindlichkeiten, das iſt,
ſolcher, die das Geſetz dafuͤr anerkannt hatte, faͤhig.

Dero-
pracſtationem habere intelliguntur, palam et capitis de-
minutione non perire; quia civilis ratio naturalia iura
corrumpere non poteſt.
16) Gmelin a. a. O. §. 58.
17) charondas in Veriſimil. Lib. I. c. 4. n. 2. hat dieſes
Fragment eben ſo ausgelegt. S. ottonis Theſ. Iur. Rom.
T. 1. p.
692.
18 S. Sammlung der roͤm. Geſeze auf Befehl
Kr. Juſtinians verfertiget, ins Teutſche mit
erlaͤuternden Anmerkungen uͤberſetzt.
1. Theil
Pandekten. Frankf. u. Leipz. 1785. S. 54. Anmerk. d.
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[15/0035] de Iuſtitia et Iure. Der andern Stelle, nehmlich des Paulus, wird hiernaͤchſt folgender Sinn beygelegt 16): Stipulationen, als Contracte, ſind die Quelle geſetzlicher und eigentli- cher Rechte und Verbindlichkeiten; (in ſtipulationibus ius continetur) ſimple Vertraͤge hingegen erzeugen blos natuͤrliche Verbindlichkeiten, welche, wenn ſie in das Licht der Roͤmiſchen Geſetzgebung geſtellet werden, ver- ſchwinden. Daher koͤmmt dabey nur das Facrum oder der Vertrag ſelbſt in Betrachtung (in pactis factum verſatur) 17). Oder, wie ſich ein neuerer Schriftſtel- ler 18 ausdruckt: die Stipulationen ſind ſchon nach den Civilgeſetzen guͤltig, den pactis aber ſind nur vom Praͤ- tor, der natuͤrlichen Billigkeit wegen, einige Wirkungen beygelegt worden. Die pacta werden als etwas blos factiſches angeſehen, das eigentliche Recht nimmt ſie gar nicht an. Eben ſo erklaͤrt man die obige Stelle Ulpians 19). Der Knecht, welcher nach dem Roͤmiſchen Recht gar keine Perſon hatte, ſondern als bloſe Sache, die zum Vermoͤgen des Privatmannes gehoͤrte, behandelt wur- de, war keiner Rechte und Verbindlichkeiten, das iſt, ſolcher, die das Geſetz dafuͤr anerkannt hatte, faͤhig. Dero- 15) 16) Gmelin a. a. O. §. 58. 17) charondas in Veriſimil. Lib. I. c. 4. n. 2. hat dieſes Fragment eben ſo ausgelegt. S. ottonis Theſ. Iur. Rom. T. 1. p. 692. 18 S. Sammlung der roͤm. Geſeze auf Befehl Kr. Juſtinians verfertiget, ins Teutſche mit erlaͤuternden Anmerkungen uͤberſetzt. 1. Theil Pandekten. Frankf. u. Leipz. 1785. S. 54. Anmerk. d. 19) L. 41. D. de pecutio. 15) pracſtationem habere intelliguntur, palam et capitis de- minutione non perire; quia civilis ratio naturalia iura corrumpere non poteſt.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/35>, abgerufen am 26.04.2024.