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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
pecunia potest. L. 108. D. de V. S. Das Wort
solvere wird übrigens in der Definition der Obligation
im weitläuftigen Verstande genommen, und begreift
dare, facere, praestare id, quod debeas, unter sich,
L. 3. D. de O. et A. Siehe auch L. 176. D. de
V. S.
Der Zusatz secundum nostrae civitatis iura
enthält eine Modification des rechtlichen Bandes, so
durch die Obligation geknüpft wird, und will, wie Hugo
Donellus
30) diese Worte erklärt, soviel sagen: ad-
stringimur vero non quibuslibet modis, non ut cui-
que visum est, non ut quis quid vi, aut turpiter
promisit; sed ut sunt adstringendi causae secundum
nostrae ciuitatis iura.
Iura civitatis Romanae

zeigen zwar vorzüglich die mancherley Gattungen des posi-
tiven Römischen Rechts an, und geben nicht undeutlich zu
erkennen, daß es nicht genug sey, wenn zwar die Ver-
bindlichkeit vom Civilrecht anerkannt, vom Prätor aber
entkräftet worden; denn nur eine bürgerlich würksame
Verbindlichkeit, die kein Gesetz entkräftet, verdient nach
jenem Röm. Begrif den eigentlichen Nahmen Obli-
gatio
31); inzwischen ist das natürliche Recht (ius gen-
tium)
nicht auszuschliessen. Nam Populus Romanus,
sagt Justiman §. 1. fin. I. de iure nat. gent. et civ.
partim suo proprio, partim communi omnium ho-
minum iure utitur.
Nach Justinians Begrif wäre
also Obligatio die von den bürgerlichen Gesetzen als
würksam anerkannte moralische Nothwendigkeit, jeman-
den ein gewisses bestimmtes Object zu leisten 32); und soll

also
30) in Commentar. de iure civ. Lib. XII. c. 1.
31) Man sehe Ian. a costa ad h. pr. I. de obligat.
und Ern. tentzel de definitione legali obli-
gationis Erf.
1737.
32) In einer noch eingeschränktern Bedeutung wird Obliga-
tio
in unsern Gesetzen auch für Verpfändung genom-
men;

1. Buch. 1. Tit.
pecunia poteſt. L. 108. D. de V. S. Das Wort
ſolvere wird uͤbrigens in der Definition der Obligation
im weitlaͤuftigen Verſtande genommen, und begreift
dare, facere, praeſtare id, quod debeas, unter ſich,
L. 3. D. de O. et A. Siehe auch L. 176. D. de
V. S.
Der Zuſatz ſecundum noſtrae civitatis iura
enthaͤlt eine Modification des rechtlichen Bandes, ſo
durch die Obligation geknuͤpft wird, und will, wie Hugo
Donellus
30) dieſe Worte erklaͤrt, ſoviel ſagen: ad-
ſtringimur vero non quibuslibet modis, non ut cui-
que viſum eſt, non ut quis quid vi, aut turpiter
promiſit; ſed ut ſunt adſtringendi cauſae ſecundum
noſtrae ciuitatis iura.
Iura civitatis Romanae

zeigen zwar vorzuͤglich die mancherley Gattungen des poſi-
tiven Roͤmiſchen Rechts an, und geben nicht undeutlich zu
erkennen, daß es nicht genug ſey, wenn zwar die Ver-
bindlichkeit vom Civilrecht anerkannt, vom Praͤtor aber
entkraͤftet worden; denn nur eine buͤrgerlich wuͤrkſame
Verbindlichkeit, die kein Geſetz entkraͤftet, verdient nach
jenem Roͤm. Begrif den eigentlichen Nahmen Obli-
gatio
31); inzwiſchen iſt das natuͤrliche Recht (ius gen-
tium)
nicht auszuſchlieſſen. Nam Populus Romanus,
ſagt Juſtiman §. 1. fin. I. de iure nat. gent. et civ.
partim ſuo proprio, partim communi omnium ho-
minum iure utitur.
Nach Juſtinians Begrif waͤre
alſo Obligatio die von den buͤrgerlichen Geſetzen als
wuͤrkſam anerkannte moraliſche Nothwendigkeit, jeman-
den ein gewiſſes beſtimmtes Object zu leiſten 32); und ſoll

alſo
30) in Commentar. de iure civ. Lib. XII. c. 1.
31) Man ſehe Ian. a costa ad h. pr. I. de obligat.
und Ern. tentzel de definitione legali obli-
gationis Erf.
1737.
32) In einer noch eingeſchraͤnktern Bedeutung wird Obliga-
tio
in unſern Geſetzen auch fuͤr Verpfaͤndung genom-
men;
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[22/0042] 1. Buch. 1. Tit. pecunia poteſt. L. 108. D. de V. S. Das Wort ſolvere wird uͤbrigens in der Definition der Obligation im weitlaͤuftigen Verſtande genommen, und begreift dare, facere, praeſtare id, quod debeas, unter ſich, L. 3. D. de O. et A. Siehe auch L. 176. D. de V. S. Der Zuſatz ſecundum noſtrae civitatis iura enthaͤlt eine Modification des rechtlichen Bandes, ſo durch die Obligation geknuͤpft wird, und will, wie Hugo Donellus 30) dieſe Worte erklaͤrt, ſoviel ſagen: ad- ſtringimur vero non quibuslibet modis, non ut cui- que viſum eſt, non ut quis quid vi, aut turpiter promiſit; ſed ut ſunt adſtringendi cauſae ſecundum noſtrae ciuitatis iura. Iura civitatis Romanae zeigen zwar vorzuͤglich die mancherley Gattungen des poſi- tiven Roͤmiſchen Rechts an, und geben nicht undeutlich zu erkennen, daß es nicht genug ſey, wenn zwar die Ver- bindlichkeit vom Civilrecht anerkannt, vom Praͤtor aber entkraͤftet worden; denn nur eine buͤrgerlich wuͤrkſame Verbindlichkeit, die kein Geſetz entkraͤftet, verdient nach jenem Roͤm. Begrif den eigentlichen Nahmen Obli- gatio 31); inzwiſchen iſt das natuͤrliche Recht (ius gen- tium) nicht auszuſchlieſſen. Nam Populus Romanus, ſagt Juſtiman §. 1. fin. I. de iure nat. gent. et civ. partim ſuo proprio, partim communi omnium ho- minum iure utitur. Nach Juſtinians Begrif waͤre alſo Obligatio die von den buͤrgerlichen Geſetzen als wuͤrkſam anerkannte moraliſche Nothwendigkeit, jeman- den ein gewiſſes beſtimmtes Object zu leiſten 32); und ſoll alſo 30) in Commentar. de iure civ. Lib. XII. c. 1. 31) Man ſehe Ian. a costa ad h. pr. I. de obligat. und Ern. tentzel de definitione legali obli- gationis Erf. 1737. 32) In einer noch eingeſchraͤnktern Bedeutung wird Obliga- tio in unſern Geſetzen auch fuͤr Verpfaͤndung genom- men;

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/42>, abgerufen am 28.03.2024.