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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Origine Iuris.
aber sich auf einen besondern Ort und die daselbst übliche
besondere Rechte und Gewohnheiten, oder auf eine beson-
dere Classe von Persohnen sich beziehet, und von deren
Gerechtsamen oder Verbindlichkeiten disponirt, so wird
man in einer solchen Collision die gemeine und besonde-
re Verordnung nach eben dem Verhältnisse, wie Regel
und Ausnahme, beurtheilen, hingegen unter zwey ge-
meinen, oder zwey besondern Verordnungen derjenigen
den Vorzug geben müssen, welche die neuere ist, nach
der Regel: lex posterior derogat priori 28). Sind
sie gleichen oder ungewissen Alters, so muß der Gerichts-
gebrauch, oder, wenn auch dieser zweifelhaft seyn sollte,
die Rechtsanalogie den Vorzug der einen vor der an-
dern entscheiden 29).

Fast dieselbigen Grundsätze, nur mit einigem Un-
terschiede, sind anzuwenden, wenn unter mehreren
Gesetzen des Römischen Rechtskörpers ein
Widerspruch vorhanden ist?
Auch hier kommt

es
28) cap. 1. de constitut. in 6to. -- Licet Rom. Pontifex,
constitutionem condendo posteriorem, priorem, quam-
vis de ipsa mentionem non faciat, revocare noscatur:
Quia tamen locorum specialium et personarum singularium
consuetudines
et statuta, (cum sint facti, et in facto
consistant) potest probabiliter ignorare: ipsis, dum ta-
men sint rationabilia, per constitutionem a se noviter edi-
tam
(nisi expresse caveatur in ipsa) non intelligitur in
aliquo derogare.
29) In verschiedenen Canonen des Gratianischen Decrets,
als can. 28. Dist. L. und can. 11. Caus. XXXIII. qu. 2.
welche jedoch aus einerley Quelle geflossen, wird inson-
derheit bey vorkommender Uneinigkeit in den Concilien-
schlüssen noch die Regel gegeben: ut, quotiescunque in ge-
stis conciliorum discors sententia invenitur, illius concilii
magis teneatur sententia, cuius aut antiquior, aut potior

extat
C c 5

de Origine Iuris.
aber ſich auf einen beſondern Ort und die daſelbſt uͤbliche
beſondere Rechte und Gewohnheiten, oder auf eine beſon-
dere Claſſe von Perſohnen ſich beziehet, und von deren
Gerechtſamen oder Verbindlichkeiten disponirt, ſo wird
man in einer ſolchen Colliſion die gemeine und beſonde-
re Verordnung nach eben dem Verhaͤltniſſe, wie Regel
und Ausnahme, beurtheilen, hingegen unter zwey ge-
meinen, oder zwey beſondern Verordnungen derjenigen
den Vorzug geben muͤſſen, welche die neuere iſt, nach
der Regel: lex poſterior derogat priori 28). Sind
ſie gleichen oder ungewiſſen Alters, ſo muß der Gerichts-
gebrauch, oder, wenn auch dieſer zweifelhaft ſeyn ſollte,
die Rechtsanalogie den Vorzug der einen vor der an-
dern entſcheiden 29).

Faſt dieſelbigen Grundſaͤtze, nur mit einigem Un-
terſchiede, ſind anzuwenden, wenn unter mehreren
Geſetzen des Roͤmiſchen Rechtskoͤrpers ein
Widerſpruch vorhanden iſt?
Auch hier kommt

es
28) cap. 1. de conſtitut. in 6to. — Licet Rom. Pontifex,
conſtitutionem condendo poſteriorem, priorem, quam-
vis de ipſa mentionem non faciat, revocare noſcatur:
Quia tamen locorum ſpecialium et perſonarum ſingularium
conſuetudines
et ſtatuta, (cum ſint facti, et in facto
conſiſtant) poteſt probabiliter ignorare: ipſis, dum ta-
men ſint rationabilia, per conſtitutionem a ſe noviter edi-
tam
(niſi expreſſe caveatur in ipſa) non intelligitur in
aliquo derogare.
29) In verſchiedenen Canonen des Gratianiſchen Decrets,
als can. 28. Diſt. L. und can. 11. Cauſ. XXXIII. qu. 2.
welche jedoch aus einerley Quelle gefloſſen, wird inſon-
derheit bey vorkommender Uneinigkeit in den Concilien-
ſchluͤſſen noch die Regel gegeben: ut, quotiescunque in ge-
ſtis conciliorum diſcors ſententia invenitur, illius concilii
magis teneatur ſententia, cuius aut antiquior, aut potior

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[407/0427] de Origine Iuris. aber ſich auf einen beſondern Ort und die daſelbſt uͤbliche beſondere Rechte und Gewohnheiten, oder auf eine beſon- dere Claſſe von Perſohnen ſich beziehet, und von deren Gerechtſamen oder Verbindlichkeiten disponirt, ſo wird man in einer ſolchen Colliſion die gemeine und beſonde- re Verordnung nach eben dem Verhaͤltniſſe, wie Regel und Ausnahme, beurtheilen, hingegen unter zwey ge- meinen, oder zwey beſondern Verordnungen derjenigen den Vorzug geben muͤſſen, welche die neuere iſt, nach der Regel: lex poſterior derogat priori 28). Sind ſie gleichen oder ungewiſſen Alters, ſo muß der Gerichts- gebrauch, oder, wenn auch dieſer zweifelhaft ſeyn ſollte, die Rechtsanalogie den Vorzug der einen vor der an- dern entſcheiden 29). Faſt dieſelbigen Grundſaͤtze, nur mit einigem Un- terſchiede, ſind anzuwenden, wenn unter mehreren Geſetzen des Roͤmiſchen Rechtskoͤrpers ein Widerſpruch vorhanden iſt? Auch hier kommt es 28) cap. 1. de conſtitut. in 6to. — Licet Rom. Pontifex, conſtitutionem condendo poſteriorem, priorem, quam- vis de ipſa mentionem non faciat, revocare noſcatur: Quia tamen locorum ſpecialium et perſonarum ſingularium conſuetudines et ſtatuta, (cum ſint facti, et in facto conſiſtant) poteſt probabiliter ignorare: ipſis, dum ta- men ſint rationabilia, per conſtitutionem a ſe noviter edi- tam (niſi expreſſe caveatur in ipſa) non intelligitur in aliquo derogare. 29) In verſchiedenen Canonen des Gratianiſchen Decrets, als can. 28. Diſt. L. und can. 11. Cauſ. XXXIII. qu. 2. welche jedoch aus einerley Quelle gefloſſen, wird inſon- derheit bey vorkommender Uneinigkeit in den Concilien- ſchluͤſſen noch die Regel gegeben: ut, quotiescunque in ge- ſtis conciliorum diſcors ſententia invenitur, illius concilii magis teneatur ſententia, cuius aut antiquior, aut potior extat C c 5

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/427>, abgerufen am 30.04.2024.