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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
Eintheilung der Correalobligation in die active und
passive hierbey nicht einfallen? so sind doch jene ge-
meine Begriffe viel zu wenig brauchbar, da es ihnen
nicht nur an gehöriger Deutlichkeit, sondern auch an
Richtigkeit ermangelt. Wenn da, wo Motiven an frem-
de Handlungen geknüpft werden, allemal auch eine Ver-
bindlichkeit vorhanden seyn soll, so wird auch der Stras-
senräuber mir eine Verbindlichkeit auflegen können, wenn
er mir den Tod drohet, und mich dadurch nöthigt, ihm
das Meinige hinzugeben. Ich weiß wenigstens nicht,
wie man dieser Folge ausweichen will, denn sind in
diesem Fall nicht Motive und Handlung connex? Mo-
tive können zwar die Erfüllung desienigen bewirken,
was eine schon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt;
allein der Begrif der Obligation selbst lässet sich daraus
nicht formiren; denn ein anders ist Verbindlichkeit
an sich; ein anders äussere Erfüllung derselben, wie
auch schon von andern längst bemerket worden 34). Der
richtige Begrif der Verbindlichkeit ist also vielmehr die-
ser. Sie ist überhaupt genommen nichts anders, als
eine durchs Gesetz jemanden auferlegte Noth-
wendigkeit, etwas zu thun oder zu unterlaf-
sen.
Wir bemerken dabey folgendes:

Erstlich: Daß die Verbindlichkeit der Regel nach
keine absolute, sondern nur eine moralische Nothwendig-
keit mit sich führt, welche also nicht alle Freyheit zu
handeln ausschließt, sondern unsere freye Handlungen
nur unter der Bedingung determinirt, wenn man ein

Uebel
34) S. Christoph. Frid. schott de notione obli-
gationis.
Tübing. 1754. inter eivsdem Dissert.
iur. naturalis. Tom. I. (Erlang. 1784 8.) Diss. III.
§. 19.
und Adolph Dietrich Webers systematische Ent-
wickelung der Lehre von der natürl. Verbind-
lichkeit
1. Abth. (Schwer. Wismar u. Bützov.) 1784. §. 1.

1. Buch. 1. Tit.
Eintheilung der Correalobligation in die active und
paſſive hierbey nicht einfallen? ſo ſind doch jene ge-
meine Begriffe viel zu wenig brauchbar, da es ihnen
nicht nur an gehoͤriger Deutlichkeit, ſondern auch an
Richtigkeit ermangelt. Wenn da, wo Motiven an frem-
de Handlungen geknuͤpft werden, allemal auch eine Ver-
bindlichkeit vorhanden ſeyn ſoll, ſo wird auch der Straſ-
ſenraͤuber mir eine Verbindlichkeit auflegen koͤnnen, wenn
er mir den Tod drohet, und mich dadurch noͤthigt, ihm
das Meinige hinzugeben. Ich weiß wenigſtens nicht,
wie man dieſer Folge ausweichen will, denn ſind in
dieſem Fall nicht Motive und Handlung connex? Mo-
tive koͤnnen zwar die Erfuͤllung desienigen bewirken,
was eine ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt;
allein der Begrif der Obligation ſelbſt laͤſſet ſich daraus
nicht formiren; denn ein anders iſt Verbindlichkeit
an ſich; ein anders aͤuſſere Erfuͤllung derſelben, wie
auch ſchon von andern laͤngſt bemerket worden 34). Der
richtige Begrif der Verbindlichkeit iſt alſo vielmehr die-
ſer. Sie iſt uͤberhaupt genommen nichts anders, als
eine durchs Geſetz jemanden auferlegte Noth-
wendigkeit, etwas zu thun oder zu unterlaf-
ſen.
Wir bemerken dabey folgendes:

Erſtlich: Daß die Verbindlichkeit der Regel nach
keine abſolute, ſondern nur eine moraliſche Nothwendig-
keit mit ſich fuͤhrt, welche alſo nicht alle Freyheit zu
handeln ausſchließt, ſondern unſere freye Handlungen
nur unter der Bedingung determinirt, wenn man ein

Uebel
34) S. Chriſtoph. Frid. schott de notione obli-
gationis.
Tübing. 1754. inter eivsdem Diſſert.
iur. naturalis. Tom. I. (Erlang. 1784 8.) Diſſ. III.
§. 19.
und Adolph Dietrich Webers ſyſtematiſche Ent-
wickelung der Lehre von der natuͤrl. Verbind-
lichkeit
1. Abth. (Schwer. Wismar u. Buͤtzov.) 1784. §. 1.
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[24/0044] 1. Buch. 1. Tit. Eintheilung der Correalobligation in die active und paſſive hierbey nicht einfallen? ſo ſind doch jene ge- meine Begriffe viel zu wenig brauchbar, da es ihnen nicht nur an gehoͤriger Deutlichkeit, ſondern auch an Richtigkeit ermangelt. Wenn da, wo Motiven an frem- de Handlungen geknuͤpft werden, allemal auch eine Ver- bindlichkeit vorhanden ſeyn ſoll, ſo wird auch der Straſ- ſenraͤuber mir eine Verbindlichkeit auflegen koͤnnen, wenn er mir den Tod drohet, und mich dadurch noͤthigt, ihm das Meinige hinzugeben. Ich weiß wenigſtens nicht, wie man dieſer Folge ausweichen will, denn ſind in dieſem Fall nicht Motive und Handlung connex? Mo- tive koͤnnen zwar die Erfuͤllung desienigen bewirken, was eine ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt; allein der Begrif der Obligation ſelbſt laͤſſet ſich daraus nicht formiren; denn ein anders iſt Verbindlichkeit an ſich; ein anders aͤuſſere Erfuͤllung derſelben, wie auch ſchon von andern laͤngſt bemerket worden 34). Der richtige Begrif der Verbindlichkeit iſt alſo vielmehr die- ſer. Sie iſt uͤberhaupt genommen nichts anders, als eine durchs Geſetz jemanden auferlegte Noth- wendigkeit, etwas zu thun oder zu unterlaf- ſen. Wir bemerken dabey folgendes: Erſtlich: Daß die Verbindlichkeit der Regel nach keine abſolute, ſondern nur eine moraliſche Nothwendig- keit mit ſich fuͤhrt, welche alſo nicht alle Freyheit zu handeln ausſchließt, ſondern unſere freye Handlungen nur unter der Bedingung determinirt, wenn man ein Uebel 34) S. Chriſtoph. Frid. schott de notione obli- gationis. Tübing. 1754. inter eivsdem Diſſert. iur. naturalis. Tom. I. (Erlang. 1784 8.) Diſſ. III. §. 19. und Adolph Dietrich Webers ſyſtematiſche Ent- wickelung der Lehre von der natuͤrl. Verbind- lichkeit 1. Abth. (Schwer. Wismar u. Buͤtzov.) 1784. §. 1.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/44>, abgerufen am 29.03.2024.