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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 3. Tit.
est lex, plebiscitum, Senatusconsultum, Principum
placita, magistratuum edicta, responsa prudentum.

Prüfe man diese Gesezarten, so werde man finden, daß
sie alle die oben angeführte Kenntzeichen eines geschrie-
benen Rechts an sich trügen; denn leges wurden durch
die Stimmen des ganzen Röm. Volks auf den comi-
tiis centuriatis; plebiscita
aber zwar nur in den Ver-
sammlungen der Plebejer, und ohne Zustimmung des
Senats, gemacht, aber sie waren doch seit dem Gesez
des Hortensius 9) auch für die Patricier unläugbar
verbindlich; und beide wurden in ehernen Tafeln aufge-
gezeichnet. Eben dieses geschahe mit den Senatuscon-
sultis;
denn seit den Zeiten des K. Tibers vertrat der
Senat die Stelle des Volks, und der Kaiser, als
princeps Senatus, schlug den versammleten Vätern Ge-
setze ungefähr auf die Art vor, wie in den Zeiten der
Freyheit von einer Senatorischen oder Plebeiischen Ma-
gistratspersohn die rogatio (Vortrag) an das Volk ge-
schahe. Sogar die Rede des Kaisers an den Senat
pflegte man in Erz zu graben 10). Die constitutio-
nes Principum
wurden zwar ohne Solennität, blos
durch den Willen des Kaisers, aber doch schriftlich pu-
blicirt. Die Worte Justinians §. 6. Quodcumque
Imperator per epistolam constituit, vel cognoscens de-
crevit, vel edicto praecepit, legem esse constat: haec
sunt, quae Constitutiones appellantur
; gäben solches
selbst genugsam zu erkennen; womit auch Ulpian 11)
übereinstimme. Vielleicht sey auch manche kaiserliche
Verordnung in Erz gegraben worden. Die Edicte
der Prätoren
und der curulischen Aedilen wur-

den
9) §. 4. I. cod. L. 2. §. 8. D. de O. I.
10) plinius Panegyr. cap. 75. init.
11) L. 1. §. 1. D. de constitut. princip.

1. Buch. 3. Tit.
eſt lex, plebiſcitum, Senatusconſultum, Principum
placita, magiſtratuum edicta, reſponſa prudentum.

Pruͤfe man dieſe Geſezarten, ſo werde man finden, daß
ſie alle die oben angefuͤhrte Kenntzeichen eines geſchrie-
benen Rechts an ſich truͤgen; denn leges wurden durch
die Stimmen des ganzen Roͤm. Volks auf den comi-
tiis centuriatis; plebiſcita
aber zwar nur in den Ver-
ſammlungen der Plebejer, und ohne Zuſtimmung des
Senats, gemacht, aber ſie waren doch ſeit dem Geſez
des Hortenſius 9) auch fuͤr die Patricier unlaͤugbar
verbindlich; und beide wurden in ehernen Tafeln aufge-
gezeichnet. Eben dieſes geſchahe mit den Senatuscon-
ſultis;
denn ſeit den Zeiten des K. Tibers vertrat der
Senat die Stelle des Volks, und der Kaiſer, als
princeps Senatus, ſchlug den verſammleten Vaͤtern Ge-
ſetze ungefaͤhr auf die Art vor, wie in den Zeiten der
Freyheit von einer Senatoriſchen oder Plebeiiſchen Ma-
giſtratsperſohn die rogatio (Vortrag) an das Volk ge-
ſchahe. Sogar die Rede des Kaiſers an den Senat
pflegte man in Erz zu graben 10). Die conſtitutio-
nes Principum
wurden zwar ohne Solennitaͤt, blos
durch den Willen des Kaiſers, aber doch ſchriftlich pu-
blicirt. Die Worte Juſtinians §. 6. Quodcumque
Imperator per epiſtolam conſtituit, vel cognoſcens de-
crevit, vel edicto praecepit, legem eſſe conſtat: haec
ſunt, quae Conſtitutiones appellantur
; gaͤben ſolches
ſelbſt genugſam zu erkennen; womit auch Ulpian 11)
uͤbereinſtimme. Vielleicht ſey auch manche kaiſerliche
Verordnung in Erz gegraben worden. Die Edicte
der Praͤtoren
und der curuliſchen Aedilen wur-

den
9) §. 4. I. cod. L. 2. §. 8. D. de O. I.
10) plinius Panegyr. cap. 75. init.
11) L. 1. §. 1. D. de conſtitut. princip.
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[420/0440] 1. Buch. 3. Tit. eſt lex, plebiſcitum, Senatusconſultum, Principum placita, magiſtratuum edicta, reſponſa prudentum. Pruͤfe man dieſe Geſezarten, ſo werde man finden, daß ſie alle die oben angefuͤhrte Kenntzeichen eines geſchrie- benen Rechts an ſich truͤgen; denn leges wurden durch die Stimmen des ganzen Roͤm. Volks auf den comi- tiis centuriatis; plebiſcita aber zwar nur in den Ver- ſammlungen der Plebejer, und ohne Zuſtimmung des Senats, gemacht, aber ſie waren doch ſeit dem Geſez des Hortenſius 9) auch fuͤr die Patricier unlaͤugbar verbindlich; und beide wurden in ehernen Tafeln aufge- gezeichnet. Eben dieſes geſchahe mit den Senatuscon- ſultis; denn ſeit den Zeiten des K. Tibers vertrat der Senat die Stelle des Volks, und der Kaiſer, als princeps Senatus, ſchlug den verſammleten Vaͤtern Ge- ſetze ungefaͤhr auf die Art vor, wie in den Zeiten der Freyheit von einer Senatoriſchen oder Plebeiiſchen Ma- giſtratsperſohn die rogatio (Vortrag) an das Volk ge- ſchahe. Sogar die Rede des Kaiſers an den Senat pflegte man in Erz zu graben 10). Die conſtitutio- nes Principum wurden zwar ohne Solennitaͤt, blos durch den Willen des Kaiſers, aber doch ſchriftlich pu- blicirt. Die Worte Juſtinians §. 6. Quodcumque Imperator per epiſtolam conſtituit, vel cognoſcens de- crevit, vel edicto praecepit, legem eſſe conſtat: haec ſunt, quae Conſtitutiones appellantur; gaͤben ſolches ſelbſt genugſam zu erkennen; womit auch Ulpian 11) uͤbereinſtimme. Vielleicht ſey auch manche kaiſerliche Verordnung in Erz gegraben worden. Die Edicte der Praͤtoren und der curuliſchen Aedilen wur- den 9) §. 4. I. cod. L. 2. §. 8. D. de O. I. 10) plinius Panegyr. cap. 75. init. 11) L. 1. §. 1. D. de conſtitut. princip.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/440>, abgerufen am 29.03.2024.