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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
werden, nur in so weit in Betrachtung kommen, als
sie die Erfüllung desjenigen bewürken können, was eine
schon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt.

Drittens: alle Verbindlichkeit sezt ein bestimm-
tes Subject voraus; dieses kann zwifach seyn, einmal
dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das
vermöge derselben etwas zu leisten schuldig ist, zweitens
dasjenige, welches berechtiget ist, die Erfüllung derselben
von jenem zu fordern. Ersteres wird das Subjectum
passivum obligationis
oder debitor in weitläuftigem
Verstande L. 108. D. de V. S. letzteres aber subie-
ctum activum obligationis,
oder creditor im allge-
meinen Verstande genennt L. 11. D. de V. S. Eine
Verbindlichkeit kann also sowohl auf Seiten des Credi-
toris,
welcher vermöge derselben etwas zu fordern be-
rechtiget ist, als auf Seiten des Debitoris, welcher
vermöge derselben etwas zu leisten schuldig ist, betrach-
tet werden. Ist nun der Creditor das Subject der
Verbindlichkeit, so wird sie obligatio activa 38), ist es
aber der Debitor, eine obligatio passiva genennt.

Viertens: alle Verbindlichkeit entspringt aus den
Gesetzen. Frägt man nun, wie sie daraus entsteht, so
lassen sich zwey Fälle gedenken, nehmlich eine Verbind-
lichkeit entspringt entweder unmittelbar aus den Gese-
zen, ohne daß derjenige, welchem sie obliegt, sich erst
durch eine besondere Handlung solche zugezogen hätte,
oder sie entstehet nicht unmittelbar aus den Gesetzen,
sondern setzt eine moralische Handlung desjenigen, dem
sie obliegt, zum voraus, welche den nächsten Grund ih-
rer Würklichkeit enthält. Eine Verbindlichkeit der er-

stern
38) daß sich vom Creditor active eine Obligation prädiciren
lasse, beweißt auch Ulrich Huber in Digressionib.
Iustinian.
pag. 318. sqq.

1. Buch. 1. Tit.
werden, nur in ſo weit in Betrachtung kommen, als
ſie die Erfuͤllung desjenigen bewuͤrken koͤnnen, was eine
ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt.

Drittens: alle Verbindlichkeit ſezt ein beſtimm-
tes Subject voraus; dieſes kann zwifach ſeyn, einmal
dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das
vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, zweitens
dasjenige, welches berechtiget iſt, die Erfuͤllung derſelben
von jenem zu fordern. Erſteres wird das Subjectum
paſſivum obligationis
oder debitor in weitlaͤuftigem
Verſtande L. 108. D. de V. S. letzteres aber ſubie-
ctum activum obligationis,
oder creditor im allge-
meinen Verſtande genennt L. 11. D. de V. S. Eine
Verbindlichkeit kann alſo ſowohl auf Seiten des Credi-
toris,
welcher vermoͤge derſelben etwas zu fordern be-
rechtiget iſt, als auf Seiten des Debitoris, welcher
vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, betrach-
tet werden. Iſt nun der Creditor das Subject der
Verbindlichkeit, ſo wird ſie obligatio activa 38), iſt es
aber der Debitor, eine obligatio paſſiva genennt.

Viertens: alle Verbindlichkeit entſpringt aus den
Geſetzen. Fraͤgt man nun, wie ſie daraus entſteht, ſo
laſſen ſich zwey Faͤlle gedenken, nehmlich eine Verbind-
lichkeit entſpringt entweder unmittelbar aus den Geſe-
zen, ohne daß derjenige, welchem ſie obliegt, ſich erſt
durch eine beſondere Handlung ſolche zugezogen haͤtte,
oder ſie entſtehet nicht unmittelbar aus den Geſetzen,
ſondern ſetzt eine moraliſche Handlung desjenigen, dem
ſie obliegt, zum voraus, welche den naͤchſten Grund ih-
rer Wuͤrklichkeit enthaͤlt. Eine Verbindlichkeit der er-

ſtern
38) daß ſich vom Creditor active eine Obligation praͤdiciren
laſſe, beweißt auch Ulrich Huber in Digreſſionib.
Iuſtinian.
pag. 318. ſqq.
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[26/0046] 1. Buch. 1. Tit. werden, nur in ſo weit in Betrachtung kommen, als ſie die Erfuͤllung desjenigen bewuͤrken koͤnnen, was eine ſchon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt. Drittens: alle Verbindlichkeit ſezt ein beſtimm- tes Subject voraus; dieſes kann zwifach ſeyn, einmal dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, zweitens dasjenige, welches berechtiget iſt, die Erfuͤllung derſelben von jenem zu fordern. Erſteres wird das Subjectum paſſivum obligationis oder debitor in weitlaͤuftigem Verſtande L. 108. D. de V. S. letzteres aber ſubie- ctum activum obligationis, oder creditor im allge- meinen Verſtande genennt L. 11. D. de V. S. Eine Verbindlichkeit kann alſo ſowohl auf Seiten des Credi- toris, welcher vermoͤge derſelben etwas zu fordern be- rechtiget iſt, als auf Seiten des Debitoris, welcher vermoͤge derſelben etwas zu leiſten ſchuldig iſt, betrach- tet werden. Iſt nun der Creditor das Subject der Verbindlichkeit, ſo wird ſie obligatio activa 38), iſt es aber der Debitor, eine obligatio paſſiva genennt. Viertens: alle Verbindlichkeit entſpringt aus den Geſetzen. Fraͤgt man nun, wie ſie daraus entſteht, ſo laſſen ſich zwey Faͤlle gedenken, nehmlich eine Verbind- lichkeit entſpringt entweder unmittelbar aus den Geſe- zen, ohne daß derjenige, welchem ſie obliegt, ſich erſt durch eine beſondere Handlung ſolche zugezogen haͤtte, oder ſie entſtehet nicht unmittelbar aus den Geſetzen, ſondern ſetzt eine moraliſche Handlung desjenigen, dem ſie obliegt, zum voraus, welche den naͤchſten Grund ih- rer Wuͤrklichkeit enthaͤlt. Eine Verbindlichkeit der er- ſtern 38) daß ſich vom Creditor active eine Obligation praͤdiciren laſſe, beweißt auch Ulrich Huber in Digreſſionib. Iuſtinian. pag. 318. ſqq.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/46>, abgerufen am 25.04.2024.