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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.
daß er solches schon seit langer Zeit aus ge-
übt habe, gegen die Angriffe anderer sicher
stellen kann; so kann man doch einer Ge-
wohnheit keine solche Kraft zuschreiben, daß
sich ein Unterthan mittelst derselben allein
von der allgemeinen Verbindlichkeit der po-
sitiven Gesetze loßmachen, oder sich ein Recht
anmassen dürfte, welches ihm die positiven
Gesetze absprechen, ausser wenn dieses Recht
ihm aus einer besondern Ursach der gesetz-
lichen Sanction ohngeachtet in dem Falle
zugestanden wird, da es auf eine rechtmä-
sige Verjährung gebaut ist.
Diese Gewohnheit
hebt das positive Gesetz nicht auf, sondern wirkt nur ei-
ne Ausnahme von der allgemeinen Regel bey gewissen
Personen, wie die Beyspiele lehren, die uns die cap. 13.
X. de offic. iud. ord. C. 26. X. de V. S. cap. 13. de
Elect. in 6to
und C. 1. de offic. ord. in 6to hierzu
liefern.

Da also, wie hieraus erhellet, die Länge der
Zeit,
welche zur Einführung eines Gewohnheitsrechts
erforderlich ist, weder durch die römischen noch canoni-
schen Rechte bestimmt worden ist, so verdient wohl die
Meinung derjenigen Rechtsgelehrten den meisten Bey-
fall, welche diese Bestimmung lediglich dem Guthefinden
des Richters überlassen 5), der alsdann, so oft darüber

ein
5) Arg. L. 1. §. 2. D. de iure delib. Siehe G. noodt Com-
mentar. ad Dig. h. t.
S. 15. Ant. schulting Enarrat. Part. I.
Digestor. h. t. §. 17. lauterbach Coll. Theor. Pr. Pan-
dectar. h. t. §. 35. stryck Us. Mod. Pand. h. t. §. 12.
cocceii Iur. Civ. Controv. h. t. Quaest. XI. gundling

in

de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
daß er ſolches ſchon ſeit langer Zeit aus ge-
uͤbt habe, gegen die Angriffe anderer ſicher
ſtellen kann; ſo kann man doch einer Ge-
wohnheit keine ſolche Kraft zuſchreiben, daß
ſich ein Unterthan mittelſt derſelben allein
von der allgemeinen Verbindlichkeit der po-
ſitiven Geſetze loßmachen, oder ſich ein Recht
anmaſſen duͤrfte, welches ihm die poſitiven
Geſetze abſprechen, auſſer wenn dieſes Recht
ihm aus einer beſondern Urſach der geſetz-
lichen Sanction ohngeachtet in dem Falle
zugeſtanden wird, da es auf eine rechtmaͤ-
ſige Verjaͤhrung gebaut iſt.
Dieſe Gewohnheit
hebt das poſitive Geſetz nicht auf, ſondern wirkt nur ei-
ne Ausnahme von der allgemeinen Regel bey gewiſſen
Perſonen, wie die Beyſpiele lehren, die uns die cap. 13.
X. de offic. iud. ord. C. 26. X. de V. S. cap. 13. de
Elect. in 6to
und C. 1. de offic. ord. in 6to hierzu
liefern.

Da alſo, wie hieraus erhellet, die Laͤnge der
Zeit,
welche zur Einfuͤhrung eines Gewohnheitsrechts
erforderlich iſt, weder durch die roͤmiſchen noch canoni-
ſchen Rechte beſtimmt worden iſt, ſo verdient wohl die
Meinung derjenigen Rechtsgelehrten den meiſten Bey-
fall, welche dieſe Beſtimmung lediglich dem Guthefinden
des Richters uͤberlaſſen 5), der alsdann, ſo oft daruͤber

ein
5) Arg. L. 1. §. 2. D. de iure delib. Siehe G. noodt Com-
mentar. ad Dig. h. t.
S. 15. Ant. schulting Enarrat. Part. I.
Digeſtor. h. t. §. 17. lauterbach Coll. Theor. Pr. Pan-
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[457/0477] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. daß er ſolches ſchon ſeit langer Zeit aus ge- uͤbt habe, gegen die Angriffe anderer ſicher ſtellen kann; ſo kann man doch einer Ge- wohnheit keine ſolche Kraft zuſchreiben, daß ſich ein Unterthan mittelſt derſelben allein von der allgemeinen Verbindlichkeit der po- ſitiven Geſetze loßmachen, oder ſich ein Recht anmaſſen duͤrfte, welches ihm die poſitiven Geſetze abſprechen, auſſer wenn dieſes Recht ihm aus einer beſondern Urſach der geſetz- lichen Sanction ohngeachtet in dem Falle zugeſtanden wird, da es auf eine rechtmaͤ- ſige Verjaͤhrung gebaut iſt. Dieſe Gewohnheit hebt das poſitive Geſetz nicht auf, ſondern wirkt nur ei- ne Ausnahme von der allgemeinen Regel bey gewiſſen Perſonen, wie die Beyſpiele lehren, die uns die cap. 13. X. de offic. iud. ord. C. 26. X. de V. S. cap. 13. de Elect. in 6to und C. 1. de offic. ord. in 6to hierzu liefern. Da alſo, wie hieraus erhellet, die Laͤnge der Zeit, welche zur Einfuͤhrung eines Gewohnheitsrechts erforderlich iſt, weder durch die roͤmiſchen noch canoni- ſchen Rechte beſtimmt worden iſt, ſo verdient wohl die Meinung derjenigen Rechtsgelehrten den meiſten Bey- fall, welche dieſe Beſtimmung lediglich dem Guthefinden des Richters uͤberlaſſen 5), der alsdann, ſo oft daruͤber ein 5) Arg. L. 1. §. 2. D. de iure delib. Siehe G. noodt Com- mentar. ad Dig. h. t. S. 15. Ant. schulting Enarrat. Part. I. Digeſtor. h. t. §. 17. lauterbach Coll. Theor. Pr. Pan- dectar. h. t. §. 35. stryck Uſ. Mod. Pand. h. t. §. 12. cocceii Iur. Civ. Controv. h. t. Quaeſt. XI. gundling in

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/477>, abgerufen am 22.05.2024.