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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 3. Tit.
in dem Orte, wo davon die Frage ist, allgemein bekannt,
oder wenigstens vom Gegentheil selbst eingestanden seyn
sollte 15), in welchen Fällen Gewohnheiten keines weitern
Beweißes bedürfen 16), wenn auch gleich in dem erstern
Falle der Gegner vorgeschützet hätte, daß ihm solche un-
bekannt sey 17). Soviel nun den Beweiß eines streitigen
Gewohnheitsrechts selbst anbetrift, so ist zwar nicht zu
läugnen, daß derselbe insgemein mit vielen Schwierig-

keiten
15) S. I. H. boehmer Iur. Eccles. Protest. T. I. L. I. Tit. IV.
§. 45. S. 242. verb. Dieweil aber dennoch Leute-
raten gerichtlich
Fol. Act. II. eingestanden, daß
in die
30 Jahre her ein Halbspänner ratione der
Kirchen
praestandorum so viel, als ein Vollspän-
ner, prästiret, -- woraus denn eine
observantia
constans
,
welche in dergleichen Kirchen praestandis
pro norma
beobachtet werden muß, von selbst er-
folget, und keines fernern Beweises bedarf,
nachdem sie
per confessionem adversariorum
gleichsam pro notoria zu halten. -- Daß auch ein
aussergerichtliches, aber wiederholtes, Geständ-
niß einer rechtlichen Gewohnheit die Kraft eines völligen Be-
weises habe, behaupten Fratr. becmanni in Consil. et De-
cision. P. I. Decis. XI. n.
8. S. 202 u. f.
16) cap. 3. X. de testib. cog. mynsinger lib. V. Obs. 96 n. 6.
reinharth ad Christinaeum. Vol. IV. Obs.
66. S. 97.
17) Denn historische Unwissenheit desjenigen, was in einem
Orte alle wissen, wird in der L. 9. §. 2. D. de iur. et facti
ignor.
für nie verzeihliche Sorglosigkeit gehalten, und findet
kein rechtliches Gehör. Das Bestreiten solcher ganz notori-
scher Gewohnheiten, die der verlierende Theil füglich hätte
wissen können und müssen, ziehet daher auch billig die Ver-
[u]rtheilung in die Proceßkosten nach sich. S. Weber über
die Proceßkosten, deren Vergütung und Compensation. §. 7.
am Ende.

1. Buch. 3. Tit.
in dem Orte, wo davon die Frage iſt, allgemein bekannt,
oder wenigſtens vom Gegentheil ſelbſt eingeſtanden ſeyn
ſollte 15), in welchen Faͤllen Gewohnheiten keines weitern
Beweißes beduͤrfen 16), wenn auch gleich in dem erſtern
Falle der Gegner vorgeſchuͤtzet haͤtte, daß ihm ſolche un-
bekannt ſey 17). Soviel nun den Beweiß eines ſtreitigen
Gewohnheitsrechts ſelbſt anbetrift, ſo iſt zwar nicht zu
laͤugnen, daß derſelbe insgemein mit vielen Schwierig-

keiten
15) S. I. H. boehmer Iur. Eccleſ. Proteſt. T. I. L. I. Tit. IV.
§. 45. S. 242. verb. Dieweil aber dennoch Leute-
raten gerichtlich
Fol. Act. II. eingeſtanden, daß
in die
30 Jahre her ein Halbſpaͤnner ratione der
Kirchen
praeſtandorum ſo viel, als ein Vollſpaͤn-
ner, praͤſtiret, — woraus denn eine
obſervantia
conſtans
,
welche in dergleichen Kirchen praeſtandis
pro norma
beobachtet werden muß, von ſelbſt er-
folget, und keines fernern Beweiſes bedarf,
nachdem ſie
per confeſſionem adverſariorum
gleichſam pro notoria zu halten. — Daß auch ein
auſſergerichtliches, aber wiederholtes, Geſtaͤnd-
niß einer rechtlichen Gewohnheit die Kraft eines voͤlligen Be-
weiſes habe, behaupten Fratr. becmanni in Conſil. et De-
ciſion. P. I. Deciſ. XI. n.
8. S. 202 u. f.
16) cap. 3. X. de teſtib. cog. mynsinger lib. V. Obſ. 96 n. 6.
reinharth ad Chriſtinaeum. Vol. IV. Obſ.
66. S. 97.
17) Denn hiſtoriſche Unwiſſenheit desjenigen, was in einem
Orte alle wiſſen, wird in der L. 9. §. 2. D. de iur. et facti
ignor.
fuͤr nie verzeihliche Sorgloſigkeit gehalten, und findet
kein rechtliches Gehoͤr. Das Beſtreiten ſolcher ganz notori-
ſcher Gewohnheiten, die der verlierende Theil fuͤglich haͤtte
wiſſen koͤnnen und muͤſſen, ziehet daher auch billig die Ver-
[u]rtheilung in die Proceßkoſten nach ſich. S. Weber uͤber
die Proceßkoſten, deren Verguͤtung und Compenſation. §. 7.
am Ende.
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[464/0484] 1. Buch. 3. Tit. in dem Orte, wo davon die Frage iſt, allgemein bekannt, oder wenigſtens vom Gegentheil ſelbſt eingeſtanden ſeyn ſollte 15), in welchen Faͤllen Gewohnheiten keines weitern Beweißes beduͤrfen 16), wenn auch gleich in dem erſtern Falle der Gegner vorgeſchuͤtzet haͤtte, daß ihm ſolche un- bekannt ſey 17). Soviel nun den Beweiß eines ſtreitigen Gewohnheitsrechts ſelbſt anbetrift, ſo iſt zwar nicht zu laͤugnen, daß derſelbe insgemein mit vielen Schwierig- keiten 15) S. I. H. boehmer Iur. Eccleſ. Proteſt. T. I. L. I. Tit. IV. §. 45. S. 242. verb. Dieweil aber dennoch Leute- raten gerichtlich Fol. Act. II. eingeſtanden, daß in die 30 Jahre her ein Halbſpaͤnner ratione der Kirchen praeſtandorum ſo viel, als ein Vollſpaͤn- ner, praͤſtiret, — woraus denn eine obſervantia conſtans, welche in dergleichen Kirchen praeſtandis pro norma beobachtet werden muß, von ſelbſt er- folget, und keines fernern Beweiſes bedarf, nachdem ſie per confeſſionem adverſariorum gleichſam pro notoria zu halten. — Daß auch ein auſſergerichtliches, aber wiederholtes, Geſtaͤnd- niß einer rechtlichen Gewohnheit die Kraft eines voͤlligen Be- weiſes habe, behaupten Fratr. becmanni in Conſil. et De- ciſion. P. I. Deciſ. XI. n. 8. S. 202 u. f. 16) cap. 3. X. de teſtib. cog. mynsinger lib. V. Obſ. 96 n. 6. reinharth ad Chriſtinaeum. Vol. IV. Obſ. 66. S. 97. 17) Denn hiſtoriſche Unwiſſenheit desjenigen, was in einem Orte alle wiſſen, wird in der L. 9. §. 2. D. de iur. et facti ignor. fuͤr nie verzeihliche Sorgloſigkeit gehalten, und findet kein rechtliches Gehoͤr. Das Beſtreiten ſolcher ganz notori- ſcher Gewohnheiten, die der verlierende Theil fuͤglich haͤtte wiſſen koͤnnen und muͤſſen, ziehet daher auch billig die Ver- urtheilung in die Proceßkoſten nach ſich. S. Weber uͤber die Proceßkoſten, deren Verguͤtung und Compenſation. §. 7. am Ende.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/484>, abgerufen am 19.04.2024.