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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
recht zu erläutern, so glaube ich, wird Niemand von
mir verlangen, daß ich mich hier in den Dispüt über
den eigentlichen Zweck der Strafen einmischen solle 87).
Nur das einzige kann ich hier nicht unbemerkt lassen, daß
man die Strafen in zwifacher Rücksicht betrachten kann,
einmahl, in sofern sie angedrohet, sodann, in sofern sie
zugefüget werden. Frägt man nun, in welcher Ab-
sicht der gerechte Oberherr die Strafen an-
drohe?
so kann der Zweck kein anderer seyn, als die-
ser, daß durch die in den Gemüthern der Unterthanen
erzeugte Furcht vor den angedroheren schmerzlichen Fol-
gen sein Gesez beobachtet, und hierdurch das Gute er-
halten werde, um dessentwillen das Gesez gegeben ist.
Frägt man aber, in welcher Absicht der Ober-
herr die angedrohete Strafe an dem Ueber-
treter seiner Gesetze vollstrecken lasse?
so ist
der Zweck der Strafen nur ein einziger, nehmlich
Sicherheit der Bürger, oder Ruhe des Staats. Und
da dieser Endzweck auf eine doppelte Art erreicht wer-
den kann, einmahl, wenn man die Missethäter da-
hin bringt, daß sie in Zukunft nicht mehr Verbrechen be-
gehen können oder begehen wollen, sie mögen nun entweder
gebessert, oder ihnen das Vermögen, Verbrechen wei-
ter zu begehen, genommen werden; zweitens, wenn
andere, durch das Beyspiel der Züchtigung abgeschreckt,
von
aus dem Französischen übersezt von Carl Adolph Cäsar. (Leip-
zig 1786.) sagt im 1. Buch 1. Cap. Seit. 2. Verbrechen
nenne ich eine böse, d. h. den Gesetzen zuwiderlau-
fende Handlung, deren Wirkung diese ist, daß sie Un-
ordnung unter den Menschen anrichtet.
87) Siehe des Herrn Prof. Cäsars Abhandlung von
dem Zwecke der Strafen
, hinter Valaze. S. 59.
und ff. und Herrn Prof. Püttmanns Progr. de poe-
nis exemplaribus
. Lipsiae
1787.
1. Buch. 1. Tit.
recht zu erlaͤutern, ſo glaube ich, wird Niemand von
mir verlangen, daß ich mich hier in den Dispuͤt uͤber
den eigentlichen Zweck der Strafen einmiſchen ſolle 87).
Nur das einzige kann ich hier nicht unbemerkt laſſen, daß
man die Strafen in zwifacher Ruͤckſicht betrachten kann,
einmahl, in ſofern ſie angedrohet, ſodann, in ſofern ſie
zugefuͤget werden. Fraͤgt man nun, in welcher Ab-
ſicht der gerechte Oberherr die Strafen an-
drohe?
ſo kann der Zweck kein anderer ſeyn, als die-
ſer, daß durch die in den Gemuͤthern der Unterthanen
erzeugte Furcht vor den angedroheren ſchmerzlichen Fol-
gen ſein Geſez beobachtet, und hierdurch das Gute er-
halten werde, um deſſentwillen das Geſez gegeben iſt.
Fraͤgt man aber, in welcher Abſicht der Ober-
herr die angedrohete Strafe an dem Ueber-
treter ſeiner Geſetze vollſtrecken laſſe?
ſo iſt
der Zweck der Strafen nur ein einziger, nehmlich
Sicherheit der Buͤrger, oder Ruhe des Staats. Und
da dieſer Endzweck auf eine doppelte Art erreicht wer-
den kann, einmahl, wenn man die Miſſethaͤter da-
hin bringt, daß ſie in Zukunft nicht mehr Verbrechen be-
gehen koͤnnen oder begehen wollen, ſie moͤgen nun entweder
gebeſſert, oder ihnen das Vermoͤgen, Verbrechen wei-
ter zu begehen, genommen werden; zweitens, wenn
andere, durch das Beyſpiel der Zuͤchtigung abgeſchreckt,
von
aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt von Carl Adolph Caͤſar. (Leip-
zig 1786.) ſagt im 1. Buch 1. Cap. Seit. 2. Verbrechen
nenne ich eine boͤſe, d. h. den Geſetzen zuwiderlau-
fende Handlung, deren Wirkung dieſe iſt, daß ſie Un-
ordnung unter den Menſchen anrichtet.
87) Siehe des Herrn Prof. Caͤſars Abhandlung von
dem Zwecke der Strafen
, hinter Valazê. S. 59.
und ff. und Herrn Prof. Puͤttmanns Progr. de poe-
nis exemplaribus
. Lipſiae
1787.
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[62/0082] 1. Buch. 1. Tit. recht zu erlaͤutern, ſo glaube ich, wird Niemand von mir verlangen, daß ich mich hier in den Dispuͤt uͤber den eigentlichen Zweck der Strafen einmiſchen ſolle 87). Nur das einzige kann ich hier nicht unbemerkt laſſen, daß man die Strafen in zwifacher Ruͤckſicht betrachten kann, einmahl, in ſofern ſie angedrohet, ſodann, in ſofern ſie zugefuͤget werden. Fraͤgt man nun, in welcher Ab- ſicht der gerechte Oberherr die Strafen an- drohe? ſo kann der Zweck kein anderer ſeyn, als die- ſer, daß durch die in den Gemuͤthern der Unterthanen erzeugte Furcht vor den angedroheren ſchmerzlichen Fol- gen ſein Geſez beobachtet, und hierdurch das Gute er- halten werde, um deſſentwillen das Geſez gegeben iſt. Fraͤgt man aber, in welcher Abſicht der Ober- herr die angedrohete Strafe an dem Ueber- treter ſeiner Geſetze vollſtrecken laſſe? ſo iſt der Zweck der Strafen nur ein einziger, nehmlich Sicherheit der Buͤrger, oder Ruhe des Staats. Und da dieſer Endzweck auf eine doppelte Art erreicht wer- den kann, einmahl, wenn man die Miſſethaͤter da- hin bringt, daß ſie in Zukunft nicht mehr Verbrechen be- gehen koͤnnen oder begehen wollen, ſie moͤgen nun entweder gebeſſert, oder ihnen das Vermoͤgen, Verbrechen wei- ter zu begehen, genommen werden; zweitens, wenn andere, durch das Beyſpiel der Zuͤchtigung abgeſchreckt, von 86) 87) Siehe des Herrn Prof. Caͤſars Abhandlung von dem Zwecke der Strafen, hinter Valazê. S. 59. und ff. und Herrn Prof. Puͤttmanns Progr. de poe- nis exemplaribus. Lipſiae 1787. 86) aus dem Franzoͤſiſchen uͤberſezt von Carl Adolph Caͤſar. (Leip- zig 1786.) ſagt im 1. Buch 1. Cap. Seit. 2. Verbrechen nenne ich eine boͤſe, d. h. den Geſetzen zuwiderlau- fende Handlung, deren Wirkung dieſe iſt, daß ſie Un- ordnung unter den Menſchen anrichtet.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/82>, abgerufen am 20.04.2024.