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Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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er, und hätte er mit dem rechten Muth und dem rechten Zutrauen sie und sich selbst erlösen können? Wenn er es noch versuchte! Wie ein Fieber kam es über ihn -- er hätte die Geliebte gleich jetzt vor Aller Augen an sich reißen mögen!

In diesem Moment stieß ihn Jemand in die Seite, und die wohlbekannte Stimme des alten Hausirers Cadet Caduchon raunte ihm zu:

He, Francois, weißt wohl nicht, wo der Henriot steckt?

Francois fuhr auf.

Ich habe ihn seit der Kirche nicht gesehen, gab er zur Antwort. Wenn Ihr ihn sprechen wollt, kann ich ihn suchen . . .

Nein, mein Junge, habe nichts Besonderes mit ihm zu thun, sagte der Alte. Ich war nur der Meinung, es müßte ihn freuen, wenn er sähe, daß seine Braut -- denn das ist doch die Claudine -- von anderen Leuten mit den Augen fast verschlungen wird.

Francois erschrak . . . Den Henriot hatte er vergessen; den armen, guten Henriot, der ihn für seinen besten Freund hielt . . . und der Caduchon hatte ihn daran mahnen müssen! Es war ihm lieb, daß der spöttische Alte nichts mehr sagen konnte; eben erreichte die Procession den Stationsaltar unter den Eichen, der Pfarrer erhob das Allerheiligste, das Glöckchen ertönte, die Anwesenden knieten nieder und beugten das Haupt.

Als das Gebet vorüber war, trat die Procession

er, und hätte er mit dem rechten Muth und dem rechten Zutrauen sie und sich selbst erlösen können? Wenn er es noch versuchte! Wie ein Fieber kam es über ihn — er hätte die Geliebte gleich jetzt vor Aller Augen an sich reißen mögen!

In diesem Moment stieß ihn Jemand in die Seite, und die wohlbekannte Stimme des alten Hausirers Cadet Caduchon raunte ihm zu:

He, François, weißt wohl nicht, wo der Henriot steckt?

François fuhr auf.

Ich habe ihn seit der Kirche nicht gesehen, gab er zur Antwort. Wenn Ihr ihn sprechen wollt, kann ich ihn suchen . . .

Nein, mein Junge, habe nichts Besonderes mit ihm zu thun, sagte der Alte. Ich war nur der Meinung, es müßte ihn freuen, wenn er sähe, daß seine Braut — denn das ist doch die Claudine — von anderen Leuten mit den Augen fast verschlungen wird.

François erschrak . . . Den Henriot hatte er vergessen; den armen, guten Henriot, der ihn für seinen besten Freund hielt . . . und der Caduchon hatte ihn daran mahnen müssen! Es war ihm lieb, daß der spöttische Alte nichts mehr sagen konnte; eben erreichte die Procession den Stationsaltar unter den Eichen, der Pfarrer erhob das Allerheiligste, das Glöckchen ertönte, die Anwesenden knieten nieder und beugten das Haupt.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:29:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:29:37Z)

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Zitationshilfe: Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/33>, abgerufen am 24.04.2024.