Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Sein Herz schlug, seine Schläfen pochten, es braus'te ihm vor den Ohren, der Boden unter seinen Füßen schien zu schwanken -- aber jetzt klang mitleidslos aus dem Chaos von Tönen die Tanzmelodie hervor. Jeder Tänzer erfaßte die Hand seiner Tänzerin, um mit ihr anzutreten; auch Henriot that es . . . aber plötzlich verlor er das Gleichgewicht, stolperte, ein Krach, ein Schrei, ein lautes, vielstimmiges Auflachen . . . und als er sich auf sich selbst besann, lag er am Boden. Claudine wurde von ein paar jungen Mädchen umfaßt, und ihr schönes, dunkelblaues Tibetkleid hing in Fetzen an ihr nieder.

Der Henriot war mit beiden Füßen hineingetreten und hatte sich dann beim Fallen noch daran halten wollen. Allerlei schmeichelhafte Bezeichnungen, wie Tolpatsch, Esel, Meister Ungeschickt, schlugen an sein Ohr, während er sich aufraffte, -- und so groß war seine Verwirrung, daß er, statt sich bei Claudine zu entschuldigen, die mit einem Trostwort auf ihn zutrat, wie toll und blind davonlief.

Der Bardet, der Alles mit angesehen hatte, eilte ihm nach, Claudine aber bat die Umstehenden, sich nicht länger im Tanzen stören zu lassen, nahm ihr zerrissenes Kleid zusammen und ging mit der ruhigsten Miene von der Welt dem Bardet'schen Hause zu.

Die Gevatterinnen steckten die Köpfe zusammen.

Den ungeschickten Menschen will sie heirathen? sagte die Eine. -- Das sollte mir passirt sein, ich

Sein Herz schlug, seine Schläfen pochten, es braus'te ihm vor den Ohren, der Boden unter seinen Füßen schien zu schwanken — aber jetzt klang mitleidslos aus dem Chaos von Tönen die Tanzmelodie hervor. Jeder Tänzer erfaßte die Hand seiner Tänzerin, um mit ihr anzutreten; auch Henriot that es . . . aber plötzlich verlor er das Gleichgewicht, stolperte, ein Krach, ein Schrei, ein lautes, vielstimmiges Auflachen . . . und als er sich auf sich selbst besann, lag er am Boden. Claudine wurde von ein paar jungen Mädchen umfaßt, und ihr schönes, dunkelblaues Tibetkleid hing in Fetzen an ihr nieder.

Der Henriot war mit beiden Füßen hineingetreten und hatte sich dann beim Fallen noch daran halten wollen. Allerlei schmeichelhafte Bezeichnungen, wie Tolpatsch, Esel, Meister Ungeschickt, schlugen an sein Ohr, während er sich aufraffte, — und so groß war seine Verwirrung, daß er, statt sich bei Claudine zu entschuldigen, die mit einem Trostwort auf ihn zutrat, wie toll und blind davonlief.

Der Bardet, der Alles mit angesehen hatte, eilte ihm nach, Claudine aber bat die Umstehenden, sich nicht länger im Tanzen stören zu lassen, nahm ihr zerrissenes Kleid zusammen und ging mit der ruhigsten Miene von der Welt dem Bardet'schen Hause zu.

Die Gevatterinnen steckten die Köpfe zusammen.

Den ungeschickten Menschen will sie heirathen? sagte die Eine. — Das sollte mir passirt sein, ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0041"/>
Sein Herz schlug, seine Schläfen pochten,                es braus'te ihm vor den Ohren, der Boden unter seinen Füßen schien zu schwanken &#x2014;                aber jetzt klang mitleidslos aus dem Chaos von Tönen die Tanzmelodie hervor. Jeder                Tänzer erfaßte die Hand seiner Tänzerin, um mit ihr anzutreten; auch Henriot that es                . . . aber plötzlich verlor er das Gleichgewicht, stolperte, ein Krach, ein Schrei,                ein lautes, vielstimmiges Auflachen . . . und als er sich auf sich selbst besann, lag                er am Boden. Claudine wurde von ein paar jungen Mädchen umfaßt, und ihr schönes,                dunkelblaues Tibetkleid hing in Fetzen an ihr nieder.</p><lb/>
        <p>Der Henriot war mit beiden Füßen hineingetreten und hatte sich dann beim Fallen noch                daran halten wollen. Allerlei schmeichelhafte Bezeichnungen, wie Tolpatsch, Esel,                Meister Ungeschickt, schlugen an sein Ohr, während er sich aufraffte, &#x2014; und so groß                war seine Verwirrung, daß er, statt sich bei Claudine zu entschuldigen, die mit einem                Trostwort auf ihn zutrat, wie toll und blind davonlief.</p><lb/>
        <p>Der Bardet, der Alles mit angesehen hatte, eilte ihm nach, Claudine aber bat die                Umstehenden, sich nicht länger im Tanzen stören zu lassen, nahm ihr zerrissenes Kleid                zusammen und ging mit der ruhigsten Miene von der Welt dem Bardet'schen Hause zu.</p><lb/>
        <p>Die Gevatterinnen steckten die Köpfe zusammen.</p><lb/>
        <p>Den ungeschickten Menschen will sie heirathen? sagte die Eine. &#x2014; Das sollte mir                passirt sein, ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0041] Sein Herz schlug, seine Schläfen pochten, es braus'te ihm vor den Ohren, der Boden unter seinen Füßen schien zu schwanken — aber jetzt klang mitleidslos aus dem Chaos von Tönen die Tanzmelodie hervor. Jeder Tänzer erfaßte die Hand seiner Tänzerin, um mit ihr anzutreten; auch Henriot that es . . . aber plötzlich verlor er das Gleichgewicht, stolperte, ein Krach, ein Schrei, ein lautes, vielstimmiges Auflachen . . . und als er sich auf sich selbst besann, lag er am Boden. Claudine wurde von ein paar jungen Mädchen umfaßt, und ihr schönes, dunkelblaues Tibetkleid hing in Fetzen an ihr nieder. Der Henriot war mit beiden Füßen hineingetreten und hatte sich dann beim Fallen noch daran halten wollen. Allerlei schmeichelhafte Bezeichnungen, wie Tolpatsch, Esel, Meister Ungeschickt, schlugen an sein Ohr, während er sich aufraffte, — und so groß war seine Verwirrung, daß er, statt sich bei Claudine zu entschuldigen, die mit einem Trostwort auf ihn zutrat, wie toll und blind davonlief. Der Bardet, der Alles mit angesehen hatte, eilte ihm nach, Claudine aber bat die Umstehenden, sich nicht länger im Tanzen stören zu lassen, nahm ihr zerrissenes Kleid zusammen und ging mit der ruhigsten Miene von der Welt dem Bardet'schen Hause zu. Die Gevatterinnen steckten die Köpfe zusammen. Den ungeschickten Menschen will sie heirathen? sagte die Eine. — Das sollte mir passirt sein, ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:29:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:29:37Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/41
Zitationshilfe: Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/41>, abgerufen am 25.04.2024.