Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

unter die Soldaten . . . was weiß ich! aber fort! fort! Hier bleiben darf ich nicht.

Sie starrte ihn an. Was war mit ihm vorgegangen? Sein langes, dunkles Haar hing wirr um das bleiche Gesicht, seine Augen glühten. Schärpe und Halstuch waren verschoben; in solchem Zustand hatte sie ihn nie gesehen.

Du willst fort? fing sie an, ohne recht zu wissen, was sie sagte. Was soll denn aus dem Henriot werden ohne dich?

Francois lachte bitter auf.

So weit bist du schon gekommen, daß du zuerst an den Henriot denkst! rief er aus. Beruhige dich . . . bis du ins Haus kommst, bleib' ich bei ihm . . . nachher bin ich ja nicht mehr nöthig; dann wirst du nach dem Rechten sehen. Wenn ich bliebe, ging's doch nur, wie es im Sprüchwort heißt:

Junge Frau und alter Knecht,
Keines macht's dem Andern recht.

Er hatte das mit erzwungener Lustigkeit gesagt; aber seine Augen wurden immer wilder. Claudinen schlug das Herz.

Das ist nicht dein Ernst, antwortete sie mit mühsam behaupteter Fassung. Kenne ich dich nicht so gut, als der Henriot? Weiß ich nicht so gut als er, was du werth bist? . . . Und magst du bei ihm nicht Knecht bleiben -- gut, das kann ich verstehen . . . aber brauchst du darum weit fortzugehen oder gar Soldat zu werden?

unter die Soldaten . . . was weiß ich! aber fort! fort! Hier bleiben darf ich nicht.

Sie starrte ihn an. Was war mit ihm vorgegangen? Sein langes, dunkles Haar hing wirr um das bleiche Gesicht, seine Augen glühten. Schärpe und Halstuch waren verschoben; in solchem Zustand hatte sie ihn nie gesehen.

Du willst fort? fing sie an, ohne recht zu wissen, was sie sagte. Was soll denn aus dem Henriot werden ohne dich?

François lachte bitter auf.

So weit bist du schon gekommen, daß du zuerst an den Henriot denkst! rief er aus. Beruhige dich . . . bis du ins Haus kommst, bleib' ich bei ihm . . . nachher bin ich ja nicht mehr nöthig; dann wirst du nach dem Rechten sehen. Wenn ich bliebe, ging's doch nur, wie es im Sprüchwort heißt:

Junge Frau und alter Knecht,
Keines macht's dem Andern recht.

Er hatte das mit erzwungener Lustigkeit gesagt; aber seine Augen wurden immer wilder. Claudinen schlug das Herz.

Das ist nicht dein Ernst, antwortete sie mit mühsam behaupteter Fassung. Kenne ich dich nicht so gut, als der Henriot? Weiß ich nicht so gut als er, was du werth bist? . . . Und magst du bei ihm nicht Knecht bleiben — gut, das kann ich verstehen . . . aber brauchst du darum weit fortzugehen oder gar Soldat zu werden?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0044"/>
unter die Soldaten . . . was                weiß ich! aber fort! fort! Hier bleiben darf ich nicht.</p><lb/>
        <p>Sie starrte ihn an. Was war mit ihm vorgegangen? Sein langes, dunkles Haar hing wirr                um das bleiche Gesicht, seine Augen glühten. Schärpe und Halstuch waren verschoben;                in solchem Zustand hatte sie ihn nie gesehen.</p><lb/>
        <p>Du willst fort? fing sie an, ohne recht zu wissen, was sie sagte. Was soll denn aus                dem Henriot werden ohne dich?</p><lb/>
        <p>François lachte bitter auf.</p><lb/>
        <p>So weit bist du schon gekommen, daß du zuerst an den Henriot denkst! rief er aus.                Beruhige dich . . . bis du ins Haus kommst, bleib' ich bei ihm . . . nachher bin ich                ja nicht mehr nöthig; dann wirst du nach dem Rechten sehen. Wenn ich bliebe, ging's                doch nur, wie es im Sprüchwort heißt:</p><lb/>
        <lg>
          <l>Junge Frau und alter Knecht,</l><lb/>
          <l>Keines macht's dem Andern recht.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Er hatte das mit erzwungener Lustigkeit gesagt; aber seine Augen wurden immer wilder.                Claudinen schlug das Herz.</p><lb/>
        <p>Das ist nicht dein Ernst, antwortete sie mit mühsam behaupteter Fassung. Kenne ich                dich nicht so gut, als der Henriot? Weiß ich nicht so gut als er, was du werth bist?                . . . Und magst du bei ihm nicht Knecht bleiben &#x2014; gut, das kann ich verstehen . . .                aber brauchst du darum weit fortzugehen oder gar Soldat zu werden?</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] unter die Soldaten . . . was weiß ich! aber fort! fort! Hier bleiben darf ich nicht. Sie starrte ihn an. Was war mit ihm vorgegangen? Sein langes, dunkles Haar hing wirr um das bleiche Gesicht, seine Augen glühten. Schärpe und Halstuch waren verschoben; in solchem Zustand hatte sie ihn nie gesehen. Du willst fort? fing sie an, ohne recht zu wissen, was sie sagte. Was soll denn aus dem Henriot werden ohne dich? François lachte bitter auf. So weit bist du schon gekommen, daß du zuerst an den Henriot denkst! rief er aus. Beruhige dich . . . bis du ins Haus kommst, bleib' ich bei ihm . . . nachher bin ich ja nicht mehr nöthig; dann wirst du nach dem Rechten sehen. Wenn ich bliebe, ging's doch nur, wie es im Sprüchwort heißt: Junge Frau und alter Knecht, Keines macht's dem Andern recht. Er hatte das mit erzwungener Lustigkeit gesagt; aber seine Augen wurden immer wilder. Claudinen schlug das Herz. Das ist nicht dein Ernst, antwortete sie mit mühsam behaupteter Fassung. Kenne ich dich nicht so gut, als der Henriot? Weiß ich nicht so gut als er, was du werth bist? . . . Und magst du bei ihm nicht Knecht bleiben — gut, das kann ich verstehen . . . aber brauchst du darum weit fortzugehen oder gar Soldat zu werden?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:29:37Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:29:37Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/44
Zitationshilfe: Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/44>, abgerufen am 25.04.2024.