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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

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Glänze der Dauerstern
Ewiger Liebe Kern.

Pater profundus
(tiefe Region).
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums der Fluth,
Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,
Der Stamm sich in die Lüfte trägt:
So ist es die allmächtige Liebe
Die alles bildet, alles hegt.

Ist um mich her ein wildes Brausen
Als wogte Wald und Felsengrund!
Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen gleich das Thal zu wässern;
Der Blitz, der flammend niederschlug
Die Atmosphäre zu verbessern,
Die Gift und Dunst im Busen trug,
Sind Liebesboten, sie verkünden
Was ewig schaffend uns umwallt.
Mein Innres mög' es auch entzünden
Wo sich der Geist, verworren, kalt,
Verquält in stumpfer Sinne Schranken,
Scharfangeschloss'nem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken,
Erleuchte mein bedürftig Herz.
Glänze der Dauerstern
Ewiger Liebe Kern.

Pater profundus
(tiefe Region).
Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
Wie tausend Bäche strahlend fließen
Zum grausen Sturz des Schaums der Fluth,
Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe,
Der Stamm sich in die Lüfte trägt:
So ist es die allmächtige Liebe
Die alles bildet, alles hegt.

Ist um mich her ein wildes Brausen
Als wogte Wald und Felsengrund!
Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
Die Wasserfülle sich zum Schlund,
Berufen gleich das Thal zu wässern;
Der Blitz, der flammend niederschlug
Die Atmosphäre zu verbessern,
Die Gift und Dunst im Busen trug,
Sind Liebesboten, sie verkünden
Was ewig schaffend uns umwallt.
Mein Innres mög’ es auch entzünden
Wo sich der Geist, verworren, kalt,
Verquält in stumpfer Sinne Schranken,
Scharfangeschloss’nem Kettenschmerz.
O Gott! beschwichtige die Gedanken,
Erleuchte mein bedürftig Herz.
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[334/0346] Glänze der Dauerstern Ewiger Liebe Kern. Pater profundus (tiefe Region). Wie Felsenabgrund mir zu Füßen Auf tiefem Abgrund lastend ruht, Wie tausend Bäche strahlend fließen Zum grausen Sturz des Schaums der Fluth, Wie strack, mit eignem kräftigen Triebe, Der Stamm sich in die Lüfte trägt: So ist es die allmächtige Liebe Die alles bildet, alles hegt. Ist um mich her ein wildes Brausen Als wogte Wald und Felsengrund! Und doch stürzt, liebevoll im Sausen, Die Wasserfülle sich zum Schlund, Berufen gleich das Thal zu wässern; Der Blitz, der flammend niederschlug Die Atmosphäre zu verbessern, Die Gift und Dunst im Busen trug, Sind Liebesboten, sie verkünden Was ewig schaffend uns umwallt. Mein Innres mög’ es auch entzünden Wo sich der Geist, verworren, kalt, Verquält in stumpfer Sinne Schranken, Scharfangeschloss’nem Kettenschmerz. O Gott! beschwichtige die Gedanken, Erleuchte mein bedürftig Herz.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/346>, abgerufen am 28.03.2024.