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Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.

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dem Kayser unterthan, und du schmiegst dich unter
Vasallen. Was hast du von dem Bischoff? Weil
er dein Nachbar ist? Dich necken könnte? Hast du
nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken?
Verkennst den Werth eines freyen Rittersmanns,
der nur abhängt von Gott, seinem Kayser und sich
selbst, verkriechst dich zum ersten Hofschranzen eines
eigensinnigen neidischen Pfaffen.
Weislingen. Laßt mich reden.
Götz. Was hast du zu sagen?
Weislingen. Du siehst die Fürsten an, wie
der Wolf den Hirten. Und doch, darfst du sie
schelten, daß sie ihrer Leut und Länder Bestes wah-
ren? Sind sie denn einen Augenblick vor den unge-
rechten Rittern sicher, die ihre Unterthanen auf al-
len Straßen anfallen, ihre Dörfer und Schlösser
verheeren? Wenn nun auf der andern Seite un-
sers theuren Kaysers Länder der Gewalt des Erb-
feindes ausgesetzt sind, er von den Ständen Hülfe
begehrt, und sie sich kaum ihres Lebens erwehren;
ist's nicht ein guter Geist der ihnen einräth auf Mit-
tel zu denken Teutschland zu beruhigen, die Staats-
verhältnisse näher zu bestimmen, um einem jeden,
Großen
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dem Kayſer unterthan, und du ſchmiegſt dich unter
Vaſallen. Was haſt du von dem Biſchoff? Weil
er dein Nachbar iſt? Dich necken koͤnnte? Haſt du
nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken?
Verkennſt den Werth eines freyen Rittersmanns,
der nur abhaͤngt von Gott, ſeinem Kayſer und ſich
ſelbſt, verkriechſt dich zum erſten Hofſchranzen eines
eigenſinnigen neidiſchen Pfaffen.
Weislingen. Laßt mich reden.
Goͤtz. Was haſt du zu ſagen?
Weislingen. Du ſiehſt die Fuͤrſten an, wie
der Wolf den Hirten. Und doch, darfſt du ſie
ſchelten, daß ſie ihrer Leut und Laͤnder Beſtes wah-
ren? Sind ſie denn einen Augenblick vor den unge-
rechten Rittern ſicher, die ihre Unterthanen auf al-
len Straßen anfallen, ihre Doͤrfer und Schloͤſſer
verheeren? Wenn nun auf der andern Seite un-
ſers theuren Kayſers Laͤnder der Gewalt des Erb-
feindes ausgeſetzt ſind, er von den Staͤnden Huͤlfe
begehrt, und ſie ſich kaum ihres Lebens erwehren;
iſt’s nicht ein guter Geiſt der ihnen einraͤth auf Mit-
tel zu denken Teutſchland zu beruhigen, die Staats-
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Großen
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[35/0039] dem Kayſer unterthan, und du ſchmiegſt dich unter Vaſallen. Was haſt du von dem Biſchoff? Weil er dein Nachbar iſt? Dich necken koͤnnte? Haſt du nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken? Verkennſt den Werth eines freyen Rittersmanns, der nur abhaͤngt von Gott, ſeinem Kayſer und ſich ſelbſt, verkriechſt dich zum erſten Hofſchranzen eines eigenſinnigen neidiſchen Pfaffen. Weislingen. Laßt mich reden. Goͤtz. Was haſt du zu ſagen? Weislingen. Du ſiehſt die Fuͤrſten an, wie der Wolf den Hirten. Und doch, darfſt du ſie ſchelten, daß ſie ihrer Leut und Laͤnder Beſtes wah- ren? Sind ſie denn einen Augenblick vor den unge- rechten Rittern ſicher, die ihre Unterthanen auf al- len Straßen anfallen, ihre Doͤrfer und Schloͤſſer verheeren? Wenn nun auf der andern Seite un- ſers theuren Kayſers Laͤnder der Gewalt des Erb- feindes ausgeſetzt ſind, er von den Staͤnden Huͤlfe begehrt, und ſie ſich kaum ihres Lebens erwehren; iſt’s nicht ein guter Geiſt der ihnen einraͤth auf Mit- tel zu denken Teutſchland zu beruhigen, die Staats- verhaͤltniſſe naͤher zu beſtimmen, um einem jeden, Großen C 2

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/39>, abgerufen am 19.04.2024.