Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

danken errathen hätte, machte das Zeichen
des heiligen Kreuzes, wodurch er mir zu
erkennen gab, daß er ein guter catholischer
Christ sey. -- "Junger Herr, wie kommt
Ihr hieher, und was macht Ihr da?" sagte
er mit freundlicher Stimme und Gebärde. --
Ich bewundre, versetzte ich, die Arbeit dieser
Pforte: denn ich habe dergleichen noch nie¬
mals gesehen; es müßte denn seyn auf klei¬
nen Stücken in den Kunstsammlungen der
Liebhaber. -- "Es freut mich, versetzte er
darauf daß Ihr solche Arbeit liebt. In¬
wendig ist die Pforte noch viel schöner: tre¬
tet herein, wenn es Euch gefällt." Mir
war bey der Sache nicht ganz wohl zu Mu¬
the. Die wunderliche Kleidung des Pfört¬
ners, die Abgelegenheit und ein sonst ich
weiß nicht was, das in der Luft zu liegen
schien, beklemmte mich. Ich verweilte daher,
unter dem Vorwande die Außenseite noch
länger zu betrachten, und blickte dabey ver¬
stohlen in den Garten: denn ein Garten war

danken errathen haͤtte, machte das Zeichen
des heiligen Kreuzes, wodurch er mir zu
erkennen gab, daß er ein guter catholiſcher
Chriſt ſey. — „Junger Herr, wie kommt
Ihr hieher, und was macht Ihr da?“ ſagte
er mit freundlicher Stimme und Gebaͤrde. —
Ich bewundre, verſetzte ich, die Arbeit dieſer
Pforte: denn ich habe dergleichen noch nie¬
mals geſehen; es muͤßte denn ſeyn auf klei¬
nen Stuͤcken in den Kunſtſammlungen der
Liebhaber. — „Es freut mich, verſetzte er
darauf daß Ihr ſolche Arbeit liebt. In¬
wendig iſt die Pforte noch viel ſchoͤner: tre¬
tet herein, wenn es Euch gefaͤllt.“ Mir
war bey der Sache nicht ganz wohl zu Mu¬
the. Die wunderliche Kleidung des Pfoͤrt¬
ners, die Abgelegenheit und ein ſonſt ich
weiß nicht was, das in der Luft zu liegen
ſchien, beklemmte mich. Ich verweilte daher,
unter dem Vorwande die Außenſeite noch
laͤnger zu betrachten, und blickte dabey ver¬
ſtohlen in den Garten: denn ein Garten war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0127" n="111"/>
danken errathen ha&#x0364;tte, machte das Zeichen<lb/>
des heiligen Kreuzes, wodurch er mir zu<lb/>
erkennen gab, daß er ein guter catholi&#x017F;cher<lb/>
Chri&#x017F;t &#x017F;ey. &#x2014; &#x201E;Junger Herr, wie kommt<lb/>
Ihr hieher, und was macht Ihr da?&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
er mit freundlicher Stimme und Geba&#x0364;rde. &#x2014;<lb/>
Ich bewundre, ver&#x017F;etzte ich, die Arbeit die&#x017F;er<lb/>
Pforte: denn ich habe dergleichen noch nie¬<lb/>
mals ge&#x017F;ehen; es mu&#x0364;ßte denn &#x017F;eyn auf klei¬<lb/>
nen Stu&#x0364;cken in den Kun&#x017F;t&#x017F;ammlungen der<lb/>
Liebhaber. &#x2014; &#x201E;Es freut mich, ver&#x017F;etzte er<lb/>
darauf daß Ihr &#x017F;olche Arbeit liebt. In¬<lb/>
wendig i&#x017F;t die Pforte noch viel &#x017F;cho&#x0364;ner: tre¬<lb/>
tet herein, wenn es Euch gefa&#x0364;llt.&#x201C; Mir<lb/>
war bey der Sache nicht ganz wohl zu Mu¬<lb/>
the. Die wunderliche Kleidung des Pfo&#x0364;rt¬<lb/>
ners, die Abgelegenheit und ein &#x017F;on&#x017F;t ich<lb/>
weiß nicht was, das in der Luft zu liegen<lb/>
&#x017F;chien, beklemmte mich. Ich verweilte daher,<lb/>
unter dem Vorwande die Außen&#x017F;eite noch<lb/>
la&#x0364;nger zu betrachten, und blickte dabey ver¬<lb/>
&#x017F;tohlen in den Garten: denn ein Garten war<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0127] danken errathen haͤtte, machte das Zeichen des heiligen Kreuzes, wodurch er mir zu erkennen gab, daß er ein guter catholiſcher Chriſt ſey. — „Junger Herr, wie kommt Ihr hieher, und was macht Ihr da?“ ſagte er mit freundlicher Stimme und Gebaͤrde. — Ich bewundre, verſetzte ich, die Arbeit dieſer Pforte: denn ich habe dergleichen noch nie¬ mals geſehen; es muͤßte denn ſeyn auf klei¬ nen Stuͤcken in den Kunſtſammlungen der Liebhaber. — „Es freut mich, verſetzte er darauf daß Ihr ſolche Arbeit liebt. In¬ wendig iſt die Pforte noch viel ſchoͤner: tre¬ tet herein, wenn es Euch gefaͤllt.“ Mir war bey der Sache nicht ganz wohl zu Mu¬ the. Die wunderliche Kleidung des Pfoͤrt¬ ners, die Abgelegenheit und ein ſonſt ich weiß nicht was, das in der Luft zu liegen ſchien, beklemmte mich. Ich verweilte daher, unter dem Vorwande die Außenſeite noch laͤnger zu betrachten, und blickte dabey ver¬ ſtohlen in den Garten: denn ein Garten war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/127
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/127>, abgerufen am 18.05.2024.