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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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Freybillet, als aus den Händen des Schult¬
heißen, den Weg zu allen Plätzen eröffnete,
und also auch zu den Sitzen im Proscenium.
Dieses war nach französischer Art sehr tief
und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt,
die durch eine niedrige Barriere beschränkt,
sich in mehreren Reihen hinter einander auf¬
bauten und zwar dergestalt, daß die ersten
Sitze nur wenig über die Bühne erhoben
waren. Das Ganze galt für einen beson¬
dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten sich
gewöhnlich desselben, obgleich die Nähe der
Schauspieler, ich will nicht sagen jede Illu¬
sion, sondern gewissermaßen jedes Gefallen
aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬
brauch, über den sich Voltaire so sehr be¬
schwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬
gen gesehen. Wenn bey sehr vollem Hause,
und etwa zur Zeit von Durchmärschen ange¬
sehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz streb¬
ten, der aber gewöhnlich schon besetzt war;
so stellte man noch einige Reihen Bänke und

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Freybillet, als aus den Haͤnden des Schult¬
heißen, den Weg zu allen Plaͤtzen eroͤffnete,
und alſo auch zu den Sitzen im Proſcenium.
Dieſes war nach franzoͤſiſcher Art ſehr tief
und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt,
die durch eine niedrige Barriere beſchraͤnkt,
ſich in mehreren Reihen hinter einander auf¬
bauten und zwar dergeſtalt, daß die erſten
Sitze nur wenig uͤber die Buͤhne erhoben
waren. Das Ganze galt fuͤr einen beſon¬
dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten ſich
gewoͤhnlich deſſelben, obgleich die Naͤhe der
Schauſpieler, ich will nicht ſagen jede Illu¬
ſion, ſondern gewiſſermaßen jedes Gefallen
aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬
brauch, uͤber den ſich Voltaire ſo ſehr be¬
ſchwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬
gen geſehen. Wenn bey ſehr vollem Hauſe,
und etwa zur Zeit von Durchmaͤrſchen ange¬
ſehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz ſtreb¬
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ſo ſtellte man noch einige Reihen Baͤnke und

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[211/0227] Freybillet, als aus den Haͤnden des Schult¬ heißen, den Weg zu allen Plaͤtzen eroͤffnete, und alſo auch zu den Sitzen im Proſcenium. Dieſes war nach franzoͤſiſcher Art ſehr tief und an beyden Seiten mit Sitzen eingefaßt, die durch eine niedrige Barriere beſchraͤnkt, ſich in mehreren Reihen hinter einander auf¬ bauten und zwar dergeſtalt, daß die erſten Sitze nur wenig uͤber die Buͤhne erhoben waren. Das Ganze galt fuͤr einen beſon¬ dern Ehrenplatz; nur Offiziere bedienten ſich gewoͤhnlich deſſelben, obgleich die Naͤhe der Schauſpieler, ich will nicht ſagen jede Illu¬ ſion, ſondern gewiſſermaßen jedes Gefallen aufhob. Sogar jenen Gebrauch oder Mis¬ brauch, uͤber den ſich Voltaire ſo ſehr be¬ ſchwert, habe ich noch erlebt und mit Au¬ gen geſehen. Wenn bey ſehr vollem Hauſe, und etwa zur Zeit von Durchmaͤrſchen ange¬ ſehene Offiziere nach jenem Ehrenplatz ſtreb¬ ten, der aber gewoͤhnlich ſchon beſetzt war; ſo ſtellte man noch einige Reihen Baͤnke und 14 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/227>, abgerufen am 18.05.2024.