Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

leute einnehmen und dadurch eine neue Be¬
quartierung gleichsam unmöglich machen. Der
Graf, der nach der Trennung von seinen
geliebten Gemälden kein besonderes Interesse
mehr am Hause fand, auch ohnehin bald
abgerufen und versetzt zu werden hoffte,
ließ es sich ohne Widerrede gefallen eine an¬
dere gute Wohnung zu beziehen, und schied
von uns in Frieden und gutem Willen. Auch
verließ er bald darauf die Stadt und erhielt
stufenweise noch verschiedene Chargen, doch,
wie man hörte, nicht zu seiner Zufriedenheit.
Er hatte indeß das Vergnügen, jene so emsig
von ihm besorgten Gemälde in dem Schlosse
seines Bruders glücklich angebracht zu sehen;
schrieb einige Male, sendete Maße und ließ
von den mehr genannten Künstlern verschie¬
denes nacharbeiten. Endlich vernahmen wir
nichts weiter von ihm, außer daß man uns
nach mehreren Jahren versichern wollte, er
sey in Westindien, auf einer der französischen
Colonieen, als Gouverneur gestorben.


leute einnehmen und dadurch eine neue Be¬
quartierung gleichſam unmoͤglich machen. Der
Graf, der nach der Trennung von ſeinen
geliebten Gemaͤlden kein beſonderes Intereſſe
mehr am Hauſe fand, auch ohnehin bald
abgerufen und verſetzt zu werden hoffte,
ließ es ſich ohne Widerrede gefallen eine an¬
dere gute Wohnung zu beziehen, und ſchied
von uns in Frieden und gutem Willen. Auch
verließ er bald darauf die Stadt und erhielt
ſtufenweiſe noch verſchiedene Chargen, doch,
wie man hoͤrte, nicht zu ſeiner Zufriedenheit.
Er hatte indeß das Vergnuͤgen, jene ſo emſig
von ihm beſorgten Gemaͤlde in dem Schloſſe
ſeines Bruders gluͤcklich angebracht zu ſehen;
ſchrieb einige Male, ſendete Maße und ließ
von den mehr genannten Kuͤnſtlern verſchie¬
denes nacharbeiten. Endlich vernahmen wir
nichts weiter von ihm, außer daß man uns
nach mehreren Jahren verſichern wollte, er
ſey in Weſtindien, auf einer der franzoͤſiſchen
Colonieen, als Gouverneur geſtorben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0276" n="260"/>
leute einnehmen und dadurch eine neue Be¬<lb/>
quartierung gleich&#x017F;am unmo&#x0364;glich machen. Der<lb/>
Graf, der nach der Trennung von &#x017F;einen<lb/>
geliebten Gema&#x0364;lden kein be&#x017F;onderes Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
mehr am Hau&#x017F;e fand, auch ohnehin bald<lb/>
abgerufen und ver&#x017F;etzt zu werden hoffte,<lb/>
ließ es &#x017F;ich ohne Widerrede gefallen eine an¬<lb/>
dere gute Wohnung zu beziehen, und &#x017F;chied<lb/>
von uns in Frieden und gutem Willen. Auch<lb/>
verließ er bald darauf die Stadt und erhielt<lb/>
&#x017F;tufenwei&#x017F;e noch ver&#x017F;chiedene Chargen, doch,<lb/>
wie man ho&#x0364;rte, nicht zu &#x017F;einer Zufriedenheit.<lb/>
Er hatte indeß das Vergnu&#x0364;gen, jene &#x017F;o em&#x017F;ig<lb/>
von ihm be&#x017F;orgten Gema&#x0364;lde in dem Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;eines Bruders glu&#x0364;cklich angebracht zu &#x017F;ehen;<lb/>
&#x017F;chrieb einige Male, &#x017F;endete Maße und ließ<lb/>
von den mehr genannten Ku&#x0364;n&#x017F;tlern ver&#x017F;chie¬<lb/>
denes nacharbeiten. Endlich vernahmen wir<lb/>
nichts weiter von ihm, außer daß man uns<lb/>
nach mehreren Jahren ver&#x017F;ichern wollte, er<lb/>
&#x017F;ey in We&#x017F;tindien, auf einer der franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Colonieen, als Gouverneur ge&#x017F;torben.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[260/0276] leute einnehmen und dadurch eine neue Be¬ quartierung gleichſam unmoͤglich machen. Der Graf, der nach der Trennung von ſeinen geliebten Gemaͤlden kein beſonderes Intereſſe mehr am Hauſe fand, auch ohnehin bald abgerufen und verſetzt zu werden hoffte, ließ es ſich ohne Widerrede gefallen eine an¬ dere gute Wohnung zu beziehen, und ſchied von uns in Frieden und gutem Willen. Auch verließ er bald darauf die Stadt und erhielt ſtufenweiſe noch verſchiedene Chargen, doch, wie man hoͤrte, nicht zu ſeiner Zufriedenheit. Er hatte indeß das Vergnuͤgen, jene ſo emſig von ihm beſorgten Gemaͤlde in dem Schloſſe ſeines Bruders gluͤcklich angebracht zu ſehen; ſchrieb einige Male, ſendete Maße und ließ von den mehr genannten Kuͤnſtlern verſchie¬ denes nacharbeiten. Endlich vernahmen wir nichts weiter von ihm, außer daß man uns nach mehreren Jahren verſichern wollte, er ſey in Weſtindien, auf einer der franzoͤſiſchen Colonieen, als Gouverneur geſtorben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/276
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/276>, abgerufen am 26.05.2024.