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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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Indessen hatten die Frauen angefangen,
Erdäpfel zu sieden, und die mitgebrachten
Speisen auszupacken und zu bereiten. Eini¬
ge Töpfe standen beym Feuer, gruppenweise
lagerte sich die Gesellschaft unter den Bäu¬
men und Büschen. Ihre seltsame Kleidun¬
gen und die mancherley Waffen gaben ihr
ein fremdes Ansehen. Die Pferde wurden
bey Seite gefüttert, und wenn man die Kut¬
schen hätte verstecken wollen, so wäre der
Anblick dieser kleinen Horde bis zur Illusion
romantisch gewesen.

Wilhelm genoß ein nie gefühltes Ver¬
gnügen. Er konnte hier eine wandernde
Colonie und sich als Anführer derselben den¬
ken. In diesem Sinne unterhielt er sich mit
einem jeden, und bildete den Wahn des
Moments so poetisch als möglich aus. Die
Gefühle der Gesellschaft erhöhten sich; man
aß, trank und jubilirte, und bekannte wie¬

Indeſſen hatten die Frauen angefangen,
Erdäpfel zu ſieden, und die mitgebrachten
Speiſen auszupacken und zu bereiten. Eini¬
ge Töpfe ſtanden beym Feuer, gruppenweiſe
lagerte ſich die Geſellſchaft unter den Bäu¬
men und Büſchen. Ihre ſeltſame Kleidun¬
gen und die mancherley Waffen gaben ihr
ein fremdes Anſehen. Die Pferde wurden
bey Seite gefüttert, und wenn man die Kut¬
ſchen hätte verſtecken wollen, ſo wäre der
Anblick dieſer kleinen Horde bis zur Illuſion
romantiſch geweſen.

Wilhelm genoß ein nie gefühltes Ver¬
gnügen. Er konnte hier eine wandernde
Colonie und ſich als Anführer derſelben den¬
ken. In dieſem Sinne unterhielt er ſich mit
einem jeden, und bildete den Wahn des
Moments ſo poetiſch als möglich aus. Die
Gefühle der Geſellſchaft erhöhten ſich; man
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[218/0226] Indeſſen hatten die Frauen angefangen, Erdäpfel zu ſieden, und die mitgebrachten Speiſen auszupacken und zu bereiten. Eini¬ ge Töpfe ſtanden beym Feuer, gruppenweiſe lagerte ſich die Geſellſchaft unter den Bäu¬ men und Büſchen. Ihre ſeltſame Kleidun¬ gen und die mancherley Waffen gaben ihr ein fremdes Anſehen. Die Pferde wurden bey Seite gefüttert, und wenn man die Kut¬ ſchen hätte verſtecken wollen, ſo wäre der Anblick dieſer kleinen Horde bis zur Illuſion romantiſch geweſen. Wilhelm genoß ein nie gefühltes Ver¬ gnügen. Er konnte hier eine wandernde Colonie und ſich als Anführer derſelben den¬ ken. In dieſem Sinne unterhielt er ſich mit einem jeden, und bildete den Wahn des Moments ſo poetiſch als möglich aus. Die Gefühle der Geſellſchaft erhöhten ſich; man aß, trank und jubilirte, und bekannte wie¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/226>, abgerufen am 24.04.2024.