Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehntes Capitel.

Laertes besuchte seinen Freund. Er war bey
jener lebhaften Scene im Wirthshause nicht
gegenwärtig gewesen, denn er lag in einer
obern Kammer. Über seinen Verlust war er
sehr getröstet, und half sich mit seinem ge¬
wöhnlichen: was thuts? Er erzählte ver¬
schiedne lächerliche Züge von der Gesellschaft,
besonders gab er Frau Melina Schuld: sie
beweine den Verlust ihrer Tochter nur des¬
wegen, weil sie nicht das altdeutsche Vergnü¬
gen haben könne, eine Mechtilde taufen zu
lassen. Was ihren Mann betreffe, so offen¬
bare sichs nun, daß er viel Geld bey sich
gehabt, und auch schon damals des Vor¬
schusses, den er Wilhelmen abgelockt, keines¬
weges bedurft habe. Melina wolle nunmehr

Zehntes Capitel.

Laertes beſuchte ſeinen Freund. Er war bey
jener lebhaften Scene im Wirthshauſe nicht
gegenwärtig geweſen, denn er lag in einer
obern Kammer. Über ſeinen Verluſt war er
ſehr getröſtet, und half ſich mit ſeinem ge¬
wöhnlichen: was thuts? Er erzählte ver¬
ſchiedne lächerliche Züge von der Geſellſchaft,
beſonders gab er Frau Melina Schuld: ſie
beweine den Verluſt ihrer Tochter nur des¬
wegen, weil ſie nicht das altdeutſche Vergnü¬
gen haben könne, eine Mechtilde taufen zu
laſſen. Was ihren Mann betreffe, ſo offen¬
bare ſichs nun, daß er viel Geld bey ſich
gehabt, und auch ſchon damals des Vor¬
ſchuſſes, den er Wilhelmen abgelockt, keines¬
weges bedurft habe. Melina wolle nunmehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0261" n="253"/>
          </div>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#g">Zehntes Capitel</hi>.<lb/></head>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p><hi rendition="#in">L</hi>aertes be&#x017F;uchte &#x017F;einen Freund. Er war bey<lb/>
jener lebhaften Scene im Wirthshau&#x017F;e nicht<lb/>
gegenwärtig gewe&#x017F;en, denn er lag in einer<lb/>
obern Kammer. Über &#x017F;einen Verlu&#x017F;t war er<lb/>
&#x017F;ehr getrö&#x017F;tet, und half &#x017F;ich mit &#x017F;einem ge¬<lb/>
wöhnlichen: was thuts? Er erzählte ver¬<lb/>
&#x017F;chiedne lächerliche Züge von der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,<lb/>
be&#x017F;onders gab er Frau Melina Schuld: &#x017F;ie<lb/>
beweine den Verlu&#x017F;t ihrer Tochter nur des¬<lb/>
wegen, weil &#x017F;ie nicht das altdeut&#x017F;che Vergnü¬<lb/>
gen haben könne, eine Mechtilde taufen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Was ihren Mann betreffe, &#x017F;o offen¬<lb/>
bare &#x017F;ichs nun, daß er viel Geld bey &#x017F;ich<lb/>
gehabt, und auch &#x017F;chon damals des Vor¬<lb/>
&#x017F;chu&#x017F;&#x017F;es, den er Wilhelmen abgelockt, keines¬<lb/>
weges bedurft habe. Melina wolle nunmehr<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0261] Zehntes Capitel. Laertes beſuchte ſeinen Freund. Er war bey jener lebhaften Scene im Wirthshauſe nicht gegenwärtig geweſen, denn er lag in einer obern Kammer. Über ſeinen Verluſt war er ſehr getröſtet, und half ſich mit ſeinem ge¬ wöhnlichen: was thuts? Er erzählte ver¬ ſchiedne lächerliche Züge von der Geſellſchaft, beſonders gab er Frau Melina Schuld: ſie beweine den Verluſt ihrer Tochter nur des¬ wegen, weil ſie nicht das altdeutſche Vergnü¬ gen haben könne, eine Mechtilde taufen zu laſſen. Was ihren Mann betreffe, ſo offen¬ bare ſichs nun, daß er viel Geld bey ſich gehabt, und auch ſchon damals des Vor¬ ſchuſſes, den er Wilhelmen abgelockt, keines¬ weges bedurft habe. Melina wolle nunmehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/261
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre02_1795/261>, abgerufen am 29.03.2024.