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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795.

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ihrer Kräfte war nicht sichtbar und unver¬
muthet fand sie Wilhelm eines Morgens
todt, als er sie besuchen wollte.

Bey der Achtung, die er für sie gehabt,
und bey der Gewohnheit, mit ihr zu leben,
war ihm ihr Verlust sehr schmerzlich. Sie
war die einzige Person, die es eigentlich gut
mit ihm meynte, und die Kälte Serlos in
der letzten Zeit hatte er nur allzusehr gefühlt.
Er eilte daher die aufgetragene Botschaft
auszurichten und wünschte sich auf einige
Zeit zu entfernen. Von der andern Seite
war für Melina diese Abreise sehr erwünscht,
denn dieser hatte sich bey der weitläuftigen
Correspondenz, die er unterhielt, gleich mit
einem Sänger und einer Sängerin eingelas¬
sen, die das Publikum einstweilen durch Zwi¬
schenspiele zur künftigen Oper vorbereiten
sollten. Der Verlust Aureliens und Wilhelms
Entfernung sollten auf diese Weise in der

ihrer Kräfte war nicht ſichtbar und unver¬
muthet fand ſie Wilhelm eines Morgens
todt, als er ſie beſuchen wollte.

Bey der Achtung, die er für ſie gehabt,
und bey der Gewohnheit, mit ihr zu leben,
war ihm ihr Verluſt ſehr ſchmerzlich. Sie
war die einzige Perſon, die es eigentlich gut
mit ihm meynte, und die Kälte Serlos in
der letzten Zeit hatte er nur allzuſehr gefühlt.
Er eilte daher die aufgetragene Botſchaft
auszurichten und wünſchte ſich auf einige
Zeit zu entfernen. Von der andern Seite
war für Melina dieſe Abreiſe ſehr erwünſcht,
denn dieſer hatte ſich bey der weitläuftigen
Correſpondenz, die er unterhielt, gleich mit
einem Sänger und einer Sängerin eingelaſ¬
ſen, die das Publikum einſtweilen durch Zwi¬
ſchenſpiele zur künftigen Oper vorbereiten
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[200/0206] ihrer Kräfte war nicht ſichtbar und unver¬ muthet fand ſie Wilhelm eines Morgens todt, als er ſie beſuchen wollte. Bey der Achtung, die er für ſie gehabt, und bey der Gewohnheit, mit ihr zu leben, war ihm ihr Verluſt ſehr ſchmerzlich. Sie war die einzige Perſon, die es eigentlich gut mit ihm meynte, und die Kälte Serlos in der letzten Zeit hatte er nur allzuſehr gefühlt. Er eilte daher die aufgetragene Botſchaft auszurichten und wünſchte ſich auf einige Zeit zu entfernen. Von der andern Seite war für Melina dieſe Abreiſe ſehr erwünſcht, denn dieſer hatte ſich bey der weitläuftigen Correſpondenz, die er unterhielt, gleich mit einem Sänger und einer Sängerin eingelaſ¬ ſen, die das Publikum einſtweilen durch Zwi¬ ſchenſpiele zur künftigen Oper vorbereiten ſollten. Der Verluſt Aureliens und Wilhelms Entfernung ſollten auf dieſe Weiſe in der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1795, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre03_1795/206>, abgerufen am 25.04.2024.